(Rom) Tomislav Vlašić, ehemaliger Franziskaner und geistlicher Beistand der „Seher“ von Medjugorje, wurde exkommuniziert. Das norditalienische Bistum Brescia gab die entsprechende Entscheidung der römischen Glaubenskongregation bekannt.
Die Erklärung ist vom Presseverantwortlichen des Bistums, Don Adriano Bianchi, gezeichnet und trägt das Datum vom 23. Oktober. Darin heißt es, daß die Glaubenskongregation am vergangenen 22. Juli dem Bischof von Brescia, Msgr. Pierantonio Tremolada, offiziell in Kenntnis setzte, daß von der Kongregation am 15. Juli „in Bezug auf den Herrn Tomislav Vlašić“ ein Dekret erlassen wurde, daß sich Vlašić „die Strafe der Exkommunikation gemäß can. 1331 §§ 1–2 des Codex Iuris Canonici zugezogen hat“.
„Die schwerwiegende kanonische Strafe wurde ihm gegenüber aufgrund der Tatsache verhängt, daß Herr Vlašić in diesen Jahren nie die ihm von derselben Kongregation mit dem kanonischen Strafgebot am 10. März 2009 unter Strafe der dem Apostolischen Stuhl vorbehaltenen Exkommunikation auferlegten Verbote eingehalten hat.“
Tomislav Vlašić wurde 1942 in der Herzegowina geboren und trat dort in den Franziskanerorden ein. 1969 erfolgte seine Priesterweihe. Bei einem Treffen der Charismatischen Erneuerung in Rom war ihm 1981 ein „prophetisches Wort“ gesagt worden, daß er mit Hilfe der Jungfrau Maria zum Mittelpunkt einer großen Bewegung werde. Als er von den Marienerscheinungen in Medjugorje hörte, verließ er ohne bischöfliche Erlaubnis seinen Seelsorgeort, um in Medjugorje dem Erscheinungsphänomen nahe zu sein.
Die Bekämpfung des Phänomens durch das kommunistische jugoslawische Regime, das zur Verhaftung von P. Jozo Zovko führte, ermöglichte es Vlašić, das Vertrauen der Seherkinder zu gewinnen und deren geistlicher Begleiter zu werden. Er wirkte ab 1982 offiziell als Kaplan in Medjugorje und führte von August 1981 bis 1983 die Aufzeichnungen der „Erscheinungen“. Auf ihn geht in nicht unerheblichem Maß der Konflikt mit dem Ortsbischof von Mostar zurück, der das Phänomen Medjugorje in den folgenden Jahren überschattete. 1984 wurde er wegen Ungehorsams gegenüber dem Bischof aus Medjugorje entfernt und in eine andere Pfarrei versetzt. Dort habe er mit der deutschen Medjugorje-Verehrerin A. H. zusammengelebt.
Kurz darauf wurde bekannt, daß er 1975, als er noch Kaplan in Čapljina war, die Ordensfrau M. K. geschwängert und zur Vertuschung in die DDR abgeschoben hatte. Er soll ihr die Aufgabe des Priestertums und die Heirat versprochen haben. Versprechen, die er nie einlöste. Um dem Druck zu entgehen, habe er die Frau „auf teuflische Weise manipuliert“. Als die Angelegenheit aufgeflogen war, „flüchtete“ er mit seiner neuen „Gefährtin“ und einigen Anhängern der von ihm gegründeten Gemeinschaft Königin des Friedens, ganz Dein – durch Maria zu Jesus 1988 nach Italien. Durch seine Zugehörigkeit zum Franziskanerorden öffneten sich ihm immer wieder Türen, sodaß er auch wieder in die Herzegowina und nach Medjugorje zurückkehren konnte. Bald wurden auch in der Gemeinschaft Vorwürfe zweifelhafter Rechtgläubigkeit, eines suspekten Mystizismus, moralischen Fehlverhaltens und der Gewissensmanipulation laut. Die Gemeinschaft wird von Experten für Sekten und Weltanschauungsfragen dem New Age zugerechnet. Nach dem Bruch, der sich in der Gemeinschaft vollzogen hatte, unternahm Vlašić 1991 einen Neustart, der ihn erneut nach Italien führte.
Als der Bischof von Parma wegen anhaltender Vorwürfe die Auflösung von Vlašićs Gemeinschaft forderte, gründete dieser in anderen Diözesen neue Zentren. An die Stelle der Deutschen A. H. trat die Italienerin S. C., die „Botschaften“ empfange und mit ihm die Leitung der neuen Gemeinschaft übernahm. A. H. hingegen verließ 1998 die Gemeinschaft und behauptet seither, Medjugorje sei nicht echt und Vlašić ein Betrüger. Im selben Jahr erlaubte Kardinal Christoph Schönborn Vlašić die Niederlassung seiner Gemeinschaft auch in Wien. Eine Erlaubnis, die wegen zweifelhafter Ereignisse bereits 2000 wieder entzogen wurde.
Die Seher von Medjugorje hatten sich bereits 1988 von ihm distanziert, der nach P. Zovko ihr zweiter geistlicher Beistand gewesen war. Da P. Zovko 1981, bereits wenige Wochen nach Beginn des Erscheinungsphänomens, verhaftet wurde, sehen manche in Vlašić die prägende Gestalt des Phänomens Medjugorje. Sein Lebenswandel ließ bei Skeptikern den Verdacht aufkommen, daß er auch die herzegowinischen Seher, damals noch Kinder, manipuliert haben könnte.
Die Glaubenskongregation leitete schließlich Ermittlungen gegen Vlašić ein. Als sich die Vorwürfe erhärtet hatten, wurde ihm der Aufenthalt in einem Franziskanerkloster der Lombardei angewiesen und gegen ihn ein Kontaktverbot zu seiner Gemeinschaft sowie ein Auftritts- und Sprechverbot verhängt. Zugleich wurde ihm die Ausübung des Priestertums unter Androhung des Interdikts untersagt.
Im Mai 2008 teilte die Glaubenskongregation dem Bischof von Mostar mit, daß er gegen die Auflagen verstoßen und sich das Interdikt zugezogen hatte. Daher wurde er 2009 von Papst Benedikt XVI. laisiert. Von seinen Aktivitäten ließ er dennoch nicht ab, sondern entwickelte seine neue Lehre aus katholischen Elementen, Astrologie und Ufologie weiter. Unter anderem erklärte Vlašić, nicht nur die Erde, sondern auch „andere Planeten zu evangelisieren“:
In der Erklärung des Bistums Brescia heißt es, daß Vlašić trotz der Laisierung sich wiederholt als Ordensmann und Priester der katholischen Kirche ausgegeben und die gültige Spendung von Sakramenten, einschließlich der Eucharistiefeier, simuliert habe.
„Er löste unter den Gläubigen schweres Ärgernis aus und setzte Handlungen, mit denen er die kirchliche Gemeinschaft und den Gehorsam gegenüber der kirchlichen Autorität schwer schädigte“.
Vlašić, der in Ghedi südlich von Brescia lebt, ist jede Teilnahme an eucharistischen Zelebrationen oder anderen öffentlichen Kulthandlungen verboten. Er darf weder Sakramente spenden noch Sakramente empfangen.
„Sollte Herr Vlašić an der Zelebration der Eucharistie oder jedweder anderen öffentlichen Kulthandlung teilnehmen wollen, ist er zu entfernen oder die liturgische Handlung zu unterbrechen, wenn dem nicht schwerwiegende Gründe entgegenstehen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/Diocesi di Brescia (Screenshot)