(Lissabon) Nur 4.500 Pilger fanden sich gestern am 103. Jahrestag der letzten Marienerscheinung in Fatima ein – wegen des Coronavirus, wie es hieß. In Wirklichkeit sind es weniger die Viren, die den Zusammenbruch des Wallfahrtswesens mit sich brachten, sondern die Corona-Maßnahmen der Regierungen und die damit verbundene Verängstigung der Bevölkerung mit ständigen Schreckensmeldungen, die diese christliche Tradition zum Erliegen führten.
Der 13. Oktober ist der Jahrestag der sechsten und letzten Marienerscheinung in Fatima. Diese wurde nicht nur von den drei Hirtenkindern berichtet, sondern durch ein Sonnenwunder von 70.000 Augenzeugen wahrgenommen, von denen wegen der Ankündigung eines „Zeichens“ 40–50.000 direkt am Erscheinungsort versammelt waren und andere sich in der näheren Umgebung aufgehalten hatten. Das Sonnenwunder war im Umkreis von 30 Kilometern zu sehen. Es ist durch die vielen Augenzeugen, darunter Behördenvertreter, Polizeibeamte, Journalisten, Kirchengegner und Skeptiker, die eigens angereist waren, ausführlich belegt.
Im Gegensatz zu anderen Marienwallfahrtsorten wie Lourdes, die ganzjährig besucht werden, gibt es in Fatima eine Wallfahrtssaison. Sie beginnt am 13. Mai, dem Jahrestag der ersten Marienerscheinung von 1917, und endet zum Jahrestag der letzten Marienerscheinung am 13. Oktober 1917. Höhepunkte sind die sechs Jahrestage der Erscheinungen und die Vorabende.
Ganz anders verlief das Jahr 2020. Gestern wurde in Fatima die Wallfahrtszeit für dieses Jahr abgeschlossen. Der Rückblick ist trist. Teilweise konnten in diesem Jahr überhaupt keine Pilger nach Fatima kommen. Obwohl die portugiesische Regierung für den 13. Mai eine Sondererlaubnis andeutete, verzichtete die Kirche darauf. Die Eröffnung der Wallfahrtszeit wurde zwar vom Bischof vor Ort gefeiert, blieb für die Pilger aber virtuell. Sie konnten nur zu Hause vor den Fernseh- und Computerbildschirmen mitfeiern, während das Heiligtum menschenleer blieb.
Wo sich im Vorjahr mehr als 100.000 Pilger zu Rosenkranz und Lichterprozession versammelt hatten, waren es gestern nur 4.500.
Es ist aber nicht das Coronavirus, wie von kirchlichen Medien dargestellt, das auch in Fatima wie an den anderen Wallfahrtsorten das Pilgerwesen zum Erliegen brachte. Es sind die nicht endenden Regierungsmaßnahmen und deren Bekräftigung durch die kirchliche Hierarchie. Der riesige Platz des Marienheiligtums von Fatima, der ganze 48.000 Quadratmeter mißt, war von den staatlichen und kirchlichen Behörden nur für maximal 6.000 Personen freigegeben worden. Solche Maßnahmen haben das Wallfahren abgewürgt.
Peinlich genau wurden die zugänglichen Flächen abgesteckt und die Standorte gekennzeichnet, wo sich die Pilger aufhalten durften. Andere Bereiche wurden gestern abgesperrt oder in diesem Jahr nie geöffnet. Die Ergebnisse sind eindeutig:
Der sogenannte „religiöse Tourismus“, wie er in der Fachsprache der Touristiker genannt wird, brach um 90 Prozent ein. Hotels und andere Beherbergungsbetriebe, Restaurants und Gaststätten, Geschäfte und mit dem Pilgerwesen direkt oder indirekt verbundene Dienstleister haben in Fatima und Umgebung eine Schreckenssaison hinter sich. Nicht alle Betriebe werden das überstehen. Einige Unternehmen sind bereits abgewandert in Gegenden, wo sie nicht so stark von internationalen Reiseströmen abhängig sind.
Der Bischof von Leiria-Fatima, Msgr. Antonio Marto, interessierte sich in diesem Jahr vor allem für die Umsetzung des umstrittenen nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia. Seit dem 13. Mai, dem Jahrestag der ersten Marienerscheinung, dürfen die ersten sogenannten wiederverheirateten Geschiedenen in seinem Bistum die heilige Kommunion empfangen.
Für andere Gläubige zeigte der Ortsbischof weniger Verständnis. Er sperrte sie nicht nur anfangs ganz und zuletzt weitestgehend aus, sondern empörte sich Anfang Juni, nachdem die portugiesischen Gläubigen nach Wochen der Corona-Aussperrung wieder zu den Gottesdiensten zugelassen waren, daß es noch immer Halsstarrige unter ihnen gebe, die an der Mundkommunion festhalten. Die Portugiesische Bischofskonferenz, deren stellvertretender Vorsitzender der Bischof von Leiria-Fatima ist, hatte in den Richtlinien zur Wiederzulassung von öffentlichen Gottesdiensten dekretiert, daß ausschließlich die Handkommunion gespendet werden darf – natürlich wegen Corona.
Bischof Marto wurde im Juni 2018 von Papst Franziskus, der für sich in Anspruch nimmt, die Kardinalswürde nicht automatisch, sondern ausschließlich aufgrund von „Verdiensten“ zu verleihen, in den Kardinalsrang erhoben.
Die Bischöfe und die Wallfahrtsdirektoren in Fatima und in anderen Heiligtümern haben die Gelegenheit nicht genützt: In der Coronakrise, ob verursacht durch das Virus oder die Regierungsmaßnahmen, sind viele Menschen verunsichert und besorgt. Sie suchen nach Antworten, Trost und Halt. Anstatt die Wallfahrtsorte aufzusperren und den Menschen die Gnadenmittel der Kirche anzubieten, wurden diese gesperrt oder ihr Besuch fast unmöglich gemacht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL