(Washington) Kardinal Sean Patrick O’Malley, Erzbischof von Boston, Mitglied des Kardinalsrats, der Papst Franziskus in der Kurienreform und der Leitung der Weltkirche berät, und Vorsitzender der Päpstlichen Kinderschutzkommission, ist ein kirchliches Schwergewicht. Im US-Wahlkampf verlangt er von seinem Klerus Zurückhaltung.
Der Kardinal betonte gestern gegenüber CNA, daß das Lebensrecht „fundamental“ sei. Zugleich rief er den Klerus und alle Vertreter seines Erzbistums auf, keinen Kandidaten zu unterstützen oder zu verurteilen.
Der Kapuziner sagte, daß die Katholiken „das Recht haben, zu erwarten, daß die Priester der Erzdiözese und diejenigen, die für die Weitergabe des Glaubens verantwortlich sind, in der Lehre der Kirche über die Achtung und den Schutz des Lebens vom ersten Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod klar und unmißverständlich sind“. Diese Lehre habe für die Kirche „höchste Priorität“.
Der Kardinal betonte zugleich, daß Priester sowie „Ordensleute und Laien, die als Vertreter der Kirche in der Erzdiözese Boston dienen“, Kandidaten der politischen Parteien weder unterstützen noch verurteilen sollen.
„Unsere Vermittlung zielt auf den Schutz des Menschenlebens in all seinen Phasen und unter allen Umständen. Sie umfaßt auch Fragen der sozialen und ökonomischen Gleichheit, des vorherrschenden Einflusses des systemischen Rassismus und die Aufnahme von Einwanderern und Flüchtlingen.“
Die Katholiken, so O’Malley, sollten eine „aktive Rolle“ im öffentlichen Leben spielen und „die grundlegende Verpflichtung einer Demokratie erfüllen, wählen‘ zu gehen“. Katholiken seien berufen, „das Licht des Glaubens und der Vernunft zu unserer bürgerlichen Verantwortung zu erheben“, da sie „danach streben, eine Zivilisation der Liebe aufzubauen“.
Die Erklärung des Kardinals erfolgte einen Tag, nachdem ein Priester des Erzbistums Boston den Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei, Joe Biden, öffentlich gelobt und die Abtreibung unterstützt hatte, die ein in den Gesetzen der USA festgeschriebenes „Recht“ sei.
Papst Franziskus sprach im Vorwahlkampf 2016 dem dann siegreichen Donald Trump sein Christsein ab, weil er sich gegen die illegale Einwanderung aus Lateinamerika ausgesprochen hatte. Der Papst wiederholte den Vorwurf so direkt nicht mehr, demonstrierte jedoch seine Distanz zu Trump.
Im Fokus der Kritik des aktuellen Wahlkampfs steht Joe Biden, der Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei und Herausforderer Trumps. Dem irischstämmigen Katholiken wird vorgeworfen, wegen seiner Abtreibungsunterstützung exkommuniziert zu sein. Biden widerspricht unter Verweis auf Papst Franziskus: Der habe ihm die Kommunion gegeben.
Da mit den unterschiedlichen Programmen grundlegende Weichenstellungen verbunden sind, wird der Wahlkampf auch auf religiöser Ebene geführt.
Zusammen mit der Wahl des nächsten US-Präsidenten wird das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats erneuert. Dazu finden noch in einigen Staaten Gouverneurs- und Parlamentswahlen statt. Zahlreiche Neuwahlen gibt es zudem auf verschiedenen unteren Ebenen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: IC (Screenshot)