(Rom) Eine ungewöhnliche Presseerklärung der Päpstlichen Akademie für das Leben gab am Dienstag bekannt, daß die Ernennung von Prof. Rui Nunes zum Akademiemitglied zurückgenommen wurde.
Der Wortlaut der Erklärung in deutscher Übersetzung:
„Am 27. Februar 2019 erhielt Prof. Rui Nunes von der Universität Porto in Portugal ein Ernennungsschreiben als korrespondierendes Mitglied dieser Akademie. Nach einigen Monaten, unter Berücksichtigung der Veröffentlichung mehrerer portugiesischer Medienartikel sowie einer eingehenderen Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit des Professors zum Thema des Lebensendes, hat die Akademie in voller Übereinstimmung mit Prof. Dr. Rui Nunes die Ernennung widerrufen mit einem Schreiben, das der Präsident dieser Akademie unterzeichnet und an den portugiesischen Professor gesandt hat. Wir sind uns jedoch sicher, auf irgendeine Weise, daß es Möglichkeiten gibt, zu relevanten bioethischen Themen zusammenzuarbeiten, die sich in Zukunft stellen, auch wenn mit unterschiedlichen anthropologischen und theologischen Ansichten und Grundlagen.
Genaue Gründe für den Widerruf wurden nicht genannt.
Die Ernennung von Nunes war erst im April bekanntgeworden und hatte in katholischen Kreis Portugals für Erstaunen gesorgt und Kritik ausgelöst. Eine Nachfrage der Akademieverantwortlichen bei der portugiesischen Lebensrechtsbewegung hätte schnelle Aufklärung gebracht. Die wird derzeit allerdings stiefmütterlich behandelt.
Den Ausschlag für die Rücknahme der Ernennung waren Artikel von Rui Nunes, der auch Vorsitzender der Portugiesischen Vereinigung für Bioethik ( Associação Portuguesa de Bioética) ist, zum Lebensende und zur künstlichen Befruchtung. Nunes hatte sich darin unter anderem für eine Zulassung der „Sterbehilfe“ ausgesprochen. Die Positionen von Nunes weichen in diesen Punkten deutlich von jenen der katholischen Kirche ab.
Nunes veröffentlichte eine eigene Presseerklärung, die etwas anders ausfiel als jene der Päpstlichen Akademie. Darin vermeidet er das Wort Widerruf und spricht stattdessen von einer „informelleren Zusammenarbeit“.
Wörtlich schreibt Nunes:
„Nunes behält seine volle Freiheit und Unabhängigkeit bei der Verteidigung brennender Fragen der aktuellen Bioethik, nämlich die Verteidigung des lebendigen Willens, die Umsetzung der Gleichstellungspolitik oder die Anwendung der modernsten Technologien der medizinisch unterstützten Fortpflanzung.“
Der Wissenschaftler betont auch, daß er „geehrt wurde durch die Ernennung zum korrespondierenden Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben, einem Organ des Vatikans, das eng mit Papst Franziskus zusammenarbeitet. Papst Franziskus vertritt heute die gesamte Menschheit und erkannte die Arbeit des Professors der Medizinischen Fakultät der Universität von Porto auf dem Gebiet der Bioethik an.“
Laut Angaben des portugiesischen Observador, sei die Ernennung von Nunes im Februar erfolgt, bevor die Mitarbeiter von Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, dem Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben, dessen Akte geprüft hatten.
Das Unbehagen unter portugiesischen Katholiken veranlaßte eine Gruppe von ihnen, Artikel von Nunes zum Thema Euthanasie und künstliche Befruchtung dem Vatikan zu übermitteln, die dort zu einem Umdenken führten.
Die Päpstliche Akademie für das Leben, von Papst Johannes Paul II. errichtet, um für das uneingeschränkte Lebensrecht einzutreten, die „Kultur des Lebens“ zu fördern und der „Kultur des Todes“, vor allem Abtreibung und Euthanasie, entgegenzutreten.
Im Hochsommer 2016 ernannte Papst Franziskus mit Kurienerzbischof Vincenzo Paglia einen neuen Akademiepräsidenten. Paglia steht seither wegen eines radikalen Umbaus der Akademie in der Kritik (siehe Die Metamorphose der Akademie für das Leben). Er setzte zum 31. Dezember 2016 alle Akademiemitglieder vor die Tür, obwohl sie auf Lebenszeit ernannt waren. Kritiker sprachen offen von einer „Säuberung“. Mit dieser ging nämliche eine Richtungsänderung einher. Die „nicht verhandelbaren Werte“ von Papst Benedikt XVI. wurden durch eine „integrale Humanität“ ersetzt.
Zu den Opfern der Säuberung gehörte auch der bekannte, inzwischen verstorbene Philosoph Robert Spaemann. Von ehemaligen Akademiemitgliedern wurde 2017 mit der Akademie Johannes Paul II. für das Leben eine eigenständige Einrichtung geschaffen, die am Gründungsgeist festhält.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Observador (Screenshot)
Trotz Widerrufung aus Rom: Die „Wölfe im Schafspelz“ werden in diesem Pontifikat auf allen Ebenen hofiert wie noch nie zuvor in der Kirche. Aber vielleicht – oder höchstwahrscheinlich? – liegt es daran, dass ihr oberste Hirte in der fortschreitend verweltlichten Hierarchie kein „guter Hirte“ mehr ist, sondern selbst zu besagten Wölfen zählt.
Rücknahme nach „einer eingehenderen Bewertung der wissenschaftlichen Arbeit des Professors“.
Offenkundig hat man sich vorher dieser Mühe nicht unterzogen…