Papst Franziskus: „Ökumene? Nicht warten, handeln!“

Papst-Besuch in Rumänien


Papst Franziskus sprach auf dem Rückflug von Rumänien über die Ökumene und rief zum Handeln auf. Wie genau meinte er das aber?
Papst Franziskus sprach auf dem Rückflug von Rumänien über die Ökumene und rief zum Handeln auf. Wie genau meinte er das aber?

(Rom) Auf dem Rück­flug aus Rumä­ni­en beant­wor­te­te Papst Fran­zis­kus wie gewohnt den mit­rei­sen­den Jour­na­li­sten eini­ge Fra­gen. Dabei sprach er sich für eine „Öku­me­ne des Han­delns“ aus und schil­der­te das Bei­spiel eines katho­li­schen und eines luthe­ri­schen Bischofs und kor­ri­gier­te sich gleich selbst.

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Die betref­fen­de Fra­ge stell­te Cri­sti­an Mica­ci von Radio Maria Rumä­ni­en. Er frag­te den Papst, was er den Rumä­nen in Sachen Ver­hält­nis zwi­schen katho­li­scher und ortho­do­xer Kir­che und den Volks­grup­pen rate. Die gro­ße Mehr­heit der Rumä­nen ist ortho­dox, eine Min­der­heit katho­lisch, wobei es neben den römisch-katho­li­schen Chri­sten auch mit Rom unier­te grie­chisch-katho­li­sche Chri­sten gibt. Meh­re­re von den Kom­mu­ni­sten nach Kriegs­en­de ermor­de­te grie­chisch-katho­li­sche Bischö­fe sprach Fran­zis­kus in Blaj (deutsch Bla­sen­dorf) in Sie­ben­bür­gen selig. Neben der rumä­ni­schen Mehr­heits­be­völ­ke­rung gibt es noch klei­ne­re Volks­grup­pe wie die Ungarn im Grenz­ge­biet, in Sath­mar und in Sie­ben­bür­gen. Die einst star­ke deut­sche Volks­grup­pe im rumä­ni­schen Banat, in Sath­mar und in Sie­ben­bür­gen ist nach dem Zwei­ten Welt­krieg, Aus­sied­lung und Spät­aus­sied­lung nach 1989 auf ein Mini­mum geschrumpft. Ein Deut­scher, Klaus Johan­nis, vor­mals Bür­ger­mei­ster von Her­mann­stadt (rum. Sibiu) ist der­zeit aller­dings Staats­prä­si­dent von Rumänien.

Die Ant­wort von Papst Fran­zis­kus in vol­lem Wortlaut:

Papst Fran­zis­kus: Gene­rell wür­de ich sagen, ein Ver­hält­nis der aus­ge­streck­ten Hand, wenn es um Kon­flik­te geht. Heu­te kann sich ein Ent­wick­lungs­land wie ihr mit einer hohen Gebur­ten­ra­te wie ihr, mit die­ser Zukunft, den Luxus von inne­ren Fein­den nicht lei­sten. Es muß ein Pro­zeß der Annä­he­rung statt­fin­den, immer: zwi­schen den ver­schie­de­nen Volks­grup­pen, den ver­schie­de­nen reli­giö­sen Kon­fes­sio­nen, vor allem zwi­schen den bei­den christ­li­chen… Das ist die erste Sache: Immer die aus­ge­streck­te Hand, das Anhö­ren des ande­ren.
Mit der Ortho­do­xie: Ihr habt einen gro­ßen Patri­ar­chen, einen Mann von gro­ßem Herz und ein gro­ßer Gelehr­ter. Er kennt die Mystik der Wüsten­vä­ter, die spi­ri­tu­el­le Mystik. Er hat in Deutsch­land stu­diert… Er ist auch ein Mann des Gebets. Es ist ein­fach, sich Dani­el zu nähern. Es ist ein­fach, weil ich ihn als Bru­der füh­le, und wir wie Brü­der gespro­chen haben. Ich wer­de nicht sagen: „War­um tut ihr…“ Und er wird nicht sagen: „War­um tut ihr…“ Wir gehen gemein­sam! Es geht immer um die­se Idee: Öku­me­ne heißt nicht, ans Ende des Spiels, der Dis­kus­sio­nen zu kom­men; die Öku­me­ne macht man, indem man gemein­sam geht. Gemein­sam geht, gemein­sam betet. Die Öku­me­ne ist Gebet. Wir haben in der Geschich­te die Blut­öku­me­ne. Wenn sie die Chri­sten umbrach­ten, haben sie nicht gefragt: „Bist du ortho­dox? Bist du katho­lisch? Bist du luthe­risch? Bist du angli­ka­nisch?“ Nein. „Du bist Christ“, und das Blut hat sich ver­mischt. Eine Öku­me­ne des Zeug­nis­ses ist eine ande­re Öku­me­ne: des Gebets, des Blu­tes, des Zeug­nis­ses. Dann gibt es die Öku­me­ne des Armen, wie ich sie nen­ne. Das ist das gemein­sa­me Arbei­ten, in dem, was wir kön­nen, um den Kran­ken, den Behin­der­ten, den Leu­ten, die ein biß­chen am Ran­de des mini­ma­len Wohl­stan­des leben, zu hel­fen: hel­fen. Mat­thä­us 25: Das ist ein schö­nes öku­me­ni­sches Pro­gramm, nicht wahr? Gemein­sam gehen, das ist bereits Ein­heit der Chri­sten. Aber nicht war­ten, daß die Theo­lo­gen sich eini­gen, um zur Eucha­ri­stie zu gelan­gen. Die Eucha­ri­stie macht man alle Tage mit dem Gebet, mit dem Gedächt­nis des Blu­tes unse­rer Mär­ty­rer, mit den Wer­ken der Lie­be und auch, indem man sich Gutes will.
In einer Stadt in Euro­pa herrsch­te … herrscht ein gutes Ver­hält­nis zwi­schen dem katho­li­schen Erz­bi­schof und dem luthe­ri­schen Erz­bi­schof. Der katho­li­sche Erz­bi­schof soll­te am Sonn­tag abend in den Vati­kan kom­men und rief an, daß er am Mon­tag mor­gen kom­men wür­de. Als er kam, sag­te er mir: „Ent­schul­di­ge, aber gestern muß­te der luthe­ri­sche Erz­bi­schof zu einer Ver­samm­lung und bat mich: ‚Bit­te, komm du in mei­ne Kathe­dra­le und mach den Kul­tus‘.“ Es herrscht Brü­der­lich­keit! Soweit kom­men, das ist viel!
Und die Pre­digt hielt der Katho­lik. Er hat nicht die Eucha­ri­stie gefei­ert, aber die Pre­digt schon. Das ist Brü­der­lich­keit. Als ich in Bue­nos Aires war, bin ich von der schot­ti­schen Kir­che ein­ge­la­den wor­den, meh­re­re Pre­dig­ten zu hal­ten, und ich ging hin und hielt die Pre­digt… Das geht! Man kann gemein­sam gehen. Ein­heit, Brü­der­lich­keit, aus­ge­streck­te Hand, sich mit Wohl­wol­len sehen, nicht schlecht von ande­ren spre­chen… Feh­ler haben wir alle, alle. Wenn wir aber gemein­sam gehen, las­sen wir die Feh­ler bei­sei­te: Die kri­ti­sie­ren die „ein­ge­fleisch­ten Jung­ge­sel­len“ [Zitel­lo­ni; in der weib­li­chen Form: alte Jung­fern]… Danke.

Den „Kul­tus machen“ und pre­di­gen sind zwei ver­schie­de­ne Din­ge. War es nur ein Ver­spre­cher, den Fran­zis­kus selbst bemerk­te und sofort kor­ri­gier­te? Man will es anneh­men. „Fai tu il cul­to“ (mach den Kul­tus), wie der Papst den katho­li­schen Erz­bi­schof zitier­te, meint etwas ganz ande­res. Um den umstrit­te­nen Usus des „Kan­zeltau­sches“ oder der Pre­digt in einer ander­skon­fes­sio­nel­len Kir­che zu schil­dern, hät­te sein eige­nes Bei­spiel als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires genügt und ist durch sei­ne Wahl zum Papst sogar weit gewich­ti­ger als die eines ande­ren Erz­bi­schofs.
Am Ende blei­ben kla­re Auf­for­de­run­gen des Pap­stes, die Öku­me­ne vor­an­zu­trei­ben und nicht auf die Fach­gre­mi­en zu war­ten – was auch bedeu­tet, nicht auf die zustän­di­gen Stel­len in Rom zu war­ten. Es blei­ben auch eini­ge Fra­gen. In der Ver­gan­gen­heit erwie­sen sich zwei­fel­haf­te Aus­sa­gen, die mit sei­nem nicht ganz sat­tel­fe­sten Ita­lie­nisch erklärt wur­den, nach­träg­lich durch­aus als sei­ne Meinung.

Im deut­schen Sprach­raum wird in man­chen Krei­sen Freu­de über die Auf­for­de­rung zu einer „Öku­me­ne des Han­delns“ herr­schen. In man­chen Gegen­den wird bereits eine „Öku­me­ne mit dem Islam“ betrieben.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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