Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
Bei der monatelangen öffentlichen Debatte um das „Nihil obstat“ zu der Rektoratswahl des Frankfurter Jesuiten Ansgar Wucherpfennig wurden einige kirchlich-theologische Grundsatzfragen aufgeworfen: Gilt für eine theologische Hochschule eine schrankenlose Freiheit der Lehre? Welche Relevanz hat das kirchliche Lehramt für die theologische Forschung und Lehre?
Inzwischen hat die vatikanische Bildungskongregation die Unbedenklichkeit für die Übernahme des Rektorats bescheinigt, nachdem P. Wucherpfennig eine zwiespältige Treueerklärung zum kirchlichen Lehramt abgegeben hatte. Sein Schreiben ist Teil einer „Erklärung“ des Generaloberen der Jesuiten vom 15. 11. 2018. Da in diesem Dokument die oben aufgeworfenen Fragen angesprochen werden, ist eine Analyse des Textes aufschlussreich.
Eine Loyalitätserklärung gegenüber dem kirchlichen Lehramt…
Ansgar Wucherpfennig erklärt, dass er „als Ordensmann und Priester dem authentischen Lehramt der Kirche verpflichtet“ sei. „Wo es seine Ämter verlangten“, würde er „die Lehre der Kirche (…) vollständig und umfassend darlegen“. Im Einzelnen erwähnt er die kirchlichen Lehrdokumente über die Weihestufen (Ordinatio sacerdotalis) sowie das vatikanische Schreiben „zur Seelsorge für homosexuelle Personen“. Zu diesen beiden Punkten stellt der Jesuit „als Seelsorger und Wissenschaftler“ jedoch „Fragen an diese Lehre“, die er als seine „persönliche Auslegung kennzeichnen“ werde. Als „Christ und Wissenschaftler“ habe er zudem die „persönliche Hoffnung“, dass sich die kirchliche Lehre in den Fragen zum Diakonat der Frau und zu Segensfeiern für homosexuelle Paare „weiter öffnen und weiterentwickeln“ werde. In diese Richtung hätten auch seine diesbezüglichen früheren Äußerungen gezielt. Schließlich werde er Artikel und Forschungsergebnisse zu beiden Fragen veröffentlichen – und zwar „in treuer und kreativer Kontinuität zu den fundamentalen Lehrmeinungen der Kirche“.
Der Text vermittelt beim ersten Lesen den Eindruck, dass Wucherpfennig um Rechtgläubigkeit und loyale Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt bemüht ist. Die Selbstverpflichtung zur „vollständigen und umfassenden“ Darlegung der kirchlichen Lehre ist tatsächlich bemerkenswert in Zeiten, da sehr viele Theologen, Amtsträger, Religionslehrer und Katecheten diesen Anspruch über Bord geworfen haben. In der Hinsicht könnte das Nihil obstat als berechtigt angesehen werden, da der Jesuit seinem früheren obstruktiven Vorgehen gegen Lehre und Disziplin der Kirche anscheinend abgeschworen hat.
… mit Hintertürchen zur Heterodoxie
Andererseits sind in dem Dokument zahlreiche gegenläufige Elemente enthalten. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie sich P. Wucherpfennig bei der vorangestellten Loyalität zum kirchlichen Lehramt mehrere Hintertürchen zur Heterodoxie offenhält. Die dialektische Methode, im vorderen Teil des Textes etwas zu behaupten, was hinten oder in den Fußnoten aufgehoben wird, ist bekanntlich von höchster jesuitischer Warte vorexerziert worden.
- Da ist zunächst der Kunstgriff zu nennen, Verhalten in Rollensegmente aufzuspalten. Mit den erwähnten Rollenpaaren versucht der Frankfurter Jesuit, disparate Positionen in einer Person zu vereinen: Der Priester und Ordensmann soll von Amts wegen loyal zur kirchlichen Lehre stehen, die er als Seelsorger und Wissenschaftler infrage stellen und kritisieren werde. Da ist zu fragen: Ist dem Pater Wucherpfennig als Seelsorger nicht mehr die Heilssorge des Priesters aufgetragen? Ist er als Wissenschaftler nicht mehr dem Gehorsamsethos und der Spiritualität des Jesuitenordens verpflichtet?
- In einem Interview mit Katholisch.de erläutert der Jesuit, wie er diesen Rollenkonflikt bewältigen will: Seine Loyalität gegenüber der kirchlichen Lehre beschränkt er auf formale Auskünfte bei spezifischen Fragen zu den „offiziellen Positionen der katholischen Kirche“. Dagegen steht seine ganz andere „persönliche“ Überzeugung – etwa zu den Themen Homosexualität und Frauendiakonat. Seine innere Einstellung legt er in der Rolle als Seelsorger offen. In dieser Tätigkeit habe er ein anderes Verständnis von „Bibel und Lehramt“ als die Kirche. Insbesondere als „Christ und Wissenschaftler“ sei er mit den Positionen der Kirche in den genannten Punkten „nicht einverstanden“.
Somit ergibt sich: Als Priester und Ordensmann spielt P. Wucherpfennig eine äußerliche Rolle als loyaler Kirchenmann. Seine Loyalität erscheint außengesteuert, insofern ein solches Verhalten kirchenoffiziell gefordert ist. Ganz anders dagegen stellt er sich als Seelsorger und Wissenschaftler dar, wenn er aus seiner inneren Überzeugung heraus die kirchliche Lehre kritisierend ablehnt. Aus dieser persönlichen, tendenziell antikirchlichen Haltung erwächst dann sein illoyales Handeln – etwa bei der kirchlich untersagten liturgischen Partnerschaftssegnung von homosexuellen Paaren.
- Die vorangestellte formale Treueverpflichtung zum kirchlichen Lehramt wird zusätzlich durch zwei weitere Abschwächungen relativiert.
– Im vierten Abschnitt der Erklärung heißt „Treue zum Lehramt“ nur noch „kreative Kontinuität“ mit der kirchlichen Lehre. Noch weiter verwässert er die vorgebliche Loyalität zu „schöpferischer Treue“.
– Die kirchliche Lehre als Gegenstand der Treue degradiert Wucherpfennig zu „Auffassungen“, die man kreativ „weiterentwickeln“ könne zu gänzlich anderen, alternativen Positionen. Letztendlich stuft er die lehramtlichen Vorgaben der Kirche einfach zu „anderen Meinungen“ herab. Die müsse man – wie im Wissenschaftsgeschäft üblich – zunächst korrekt darstellen, „bevor ich sie in Frage stelle oder kritisiere.
Was bleibt nun von Wucherpfennigs Selbstverpflichtung auf das authentische Lehramt übrig? Die kirchliche Lehre sieht er als eine von vielen „Auffassungen“ in der Pluralität von Meinungen an. Die müsse man zwar korrekt und umfassend darstellen, wie das allgemeinwissenschaftlich Usus ist. Er selbst aber werde die kirchliche Lehre in Frage stellen und kritisieren.
- An anderer Stelle führt der Frankfurter Jesuit aus: „Es entspricht fairem wissenschaftlichen Arbeiten, solche (lehramtlichen) Dokumente zu berücksichtigen. „Mit dieser Formulierung ist ausgesagt, dass der Hochschullehrer frei und kreativ mit lehramtlichen Vorgaben umgehen werde. Sein Plädoyer für eine kirchlich ungebundene Forschung sei aus persönlichen Erfahrungen und Einstellungen erwachsen, wie er in einem früheren Gespräch darlegte. Kirchliche Leitdokumente werden bei diesem Prozess nur am Rande „berücksichtigt“. Mit dieser Orientierung verkehrt er sein ursprüngliches Versprechen zur Lehramtstreue in das Gegenteil.
- Der Hochschulrektor von St. Georgen plädiert für die Abschaffung des kirchlichen Amtseids. Durch den sind Theologen und kirchliche Hochschullehrer seit 1990 auf die Dokumente und Instruktionen des ordentlichen Lehramts verpflichtet als Rahmen ihrer Forschungen. Was ist dieser Amtseid anderes als eine offizielle Treueerklärung zum kirchlichen Lehramt? Welchen Wert hat seine Erklärung, nach der er sich „dem authentischen Lehramt der Kirche verpflichtet“, andererseits aber den offiziellen kirchlichen Amtseid ablehnt?
- In mehreren Interviews gebraucht P. Wucherpfennig die Formulierung, durch die neueren Diskussionen stehe die Kirche an einem „Point of no Return“. Man müsse „über alles ohne Tabus reden“. Mit Tabus sind offensichtlich die lehramtlichen Leitdokumente gemeint. Was er als unumkehrbaren Prozess in der Kirche hinstellt, markiert allerdings nur seinen eigenen Standpunkt und seine Absicht, bei seiner progressiven Lehre und Praxis nicht bei der Treue zur kirchlichen Lehre stehenzubleiben bzw. dahin zurückzukehren.
- Zum Schluss des oben erwähnten Interviews ließ sich Wucherpfennig – nach langer Pause, also wohlüberlegt – zu folgendem Statement hinreißen: „Durch den Konflikt bin ich mir klarer darüber geworden, was ich als Aufgabe der Theologie für wichtig halte: junge Theologen so auszubilden, dass sie fähig sind, sich mit Fundamentalismus auseinanderzusetzen und mit totalitären Auffassungen“. Aus der vorliegenden Analyse des Textzusammenhangs können mit den fundamentalistisch-totalitären „Auffassungen“ eigentlich nur die kirchlich-lehramtlichen Aussagen zu Homosexualität und verbotener Frauenordination gemeint sein.
P. Wucherpfennig hängt nach außen das Schild von Loyalität zum Lehramt. Dieses Etikett wird wohl entscheidend gewesen sein für die Vergabe des „Nihil obstat“ durch den Vatikan. Auch bei den deutschen Kirchenleuten zeigte die Vermittlung dieses Eindrucks Wirkung, etwa wenn der Limburger Bischof Bätzing die Versicherung heraushebt, der Jesuit „wisse sich der Lehre und Tradition der Kirche verpflichtet“. Aus der Analyse der erläuternden Ausführungen ist dagegen zu entnehmen, dass Wucherpfennig nach persönlicher Überzeugung nicht gewillt ist, das zum Inhalt seiner Lehre, Forschung und kirchlichen Praxis zu machen, was oben drauf steht: Treue zu den lehramtlichen Aussagen der Kirche.
Text: Hubert Hecker
Bild: Youtube (Screenshot)
Ein brillanter Aufsatz, der die Tücken der „Treueerklärung“ Wucherpfennigs offenlegt. Da der Jesuitengeneral Wucherpfennigs Erklärung mitgetragen hat und Papst Franziskus selbst Jesuit ist, läßt das Ganze leider auf einen Griff in die jesuitische (dialektische) Trickkiste schließen. Es scheint nicht zu gewagt, wenn ich behaupte, das Ergebnis stand schon vor der Erklärung fest. Die Formulierung der Erklärung wurde dann entsprechend vorgenommen. Die Frage ist: Was soll das bringen? Warum akzeptiert die Kirche in ihren Reihen Amts- und Funktionsträger, die nicht von der katholischen Lehre überzeugt sind, sondern sich ihre eigene Religion zimmern? Die Folge ist noch mehr Verwirrung, noch weniger echte Glaubensweitergabe, Glaubensverkündigung unter falschen Vorzeichen. Reinste Verführung. Cui bono? Was will der Jesuitenorden in seiner derzeitigen Führung erreichen?
Schon Wucherpfennigs „Treueerklärung“, er werde „die Lehre der Kirche (…) vollständig und umfassend darlegen“, ist zwiespältig, geht ihr doch die Einschränkung „Wo es seine Ämter verlangten“ voran.Das heißt doch nichts anderes, als daß er sich vorbehält, zu bestimmen, wo seine Ämter verlangen, daß er die Lehre der Kirche darlegt – und wo eben nicht.
*Über* der „Treue zum kirchlichen Lehramt“ steht die Wahrheit.
Dieser aber ist ein Hochschullehrer an erster Stelle verpflichtet.
Der dialektische Ansatz der Linksmodernisten wird zu einer Zersplitterung des Katholizismus führen, da der einzelne Gläubige als das fromme Subjekt analog der pietistischen Glaubenslehre zur glaubensdefinierenden Ich-Instanz erhoben wird. Das ist Protestantismus.
Ich bin vor einigen Monate zur FSSPX „konvertiert“, da ich mir den ganzen häretischen Quatsch der Amtskirche, die seit dem 2. Vatikanum unzähligen Dogmen, Konzilsbeschlüssen und Aussagen früherer Päpste widerspricht, nicht mehr antun möchte. Der ständige Dialog mit Modernisten ist zu kräftezehrend und i. E. sinnlos, so dass ich künftig darauf verzichten werde. Meine Kritik wird künftig bei Bedarf in 2, 3 Schlagworten vorgestellt, das wars dann. Mehr gibt es nicht mehr.
Die Zersplitterung ist doch bereits Realität. Man höre sich die Vorträge von Dr. Gregorius Hesse im Internet an. Hesse zeigt auf, dass die Konzilskirche im eigentlichen Sinne nicht mehr katholisch, sondern häretisch ist. Pius XII war der letzte ‚katholische‘ Papst. Die Päptse nach ihm lehrten allesamt Häresien.
Unter den Enzykliken von Papst Johannes Paul II gibt es kaum eine, die nicht häretisch ist.
Wir Gläibige können einen Papst nicht aus uns selbst heraus widerlegen. Wir können es aber mit den früheren Päpsten und den Konzilien.
Der Zerfall des Glaubens hatte meiner Ansicht nach zudem den Totalzerfall unserer Gesellschaft zur Folge.
Die Konzilskirche ist ein humanistischer freimaurerischer Club.
Die FSSPX bewahrt hingegen den rechten Glauben.
„Der ständige Dialog mit Modernisten ist zu kräftezehrend und i. E. sinnlos, so dass ich künftig darauf verzichten werde. Meine Kritik wird künftig bei Bedarf in 2, 3 Schlagworten vorgestellt, das wars dann. Mehr gibt es nicht mehr.“
Das finde ich sehr gut. So werde ich es in Zukunft auch machen. Nicht mehr diskutieren, sondern klar Poistion beziehen, zum Beispiel mit den Sätzen: „Das ist für mich kein Thema.“ Oder: „Ich vertrete da ganz klar die Position, wie sie die Kirche immer vertreten hat. Und daran halte ich mich auch.“
Ich glaube, gerade in der heutigen Zeit ist das ‚Ich widersage‘ so dringlich wie noch nie.