(Rom) Am 30. September erfolgte die Amtseinführung von Don Giancarlo Dessì als neuer Pfarrer von Segariu im Erzbistum Cagliari. Berichtenswert daran ist, daß ein Verhältnis von Don Dessì bis heute keine befriedigende Klärung fand: sein Verhältnis zur Freimaurerei. Kann ein Pfarrer auch Freimaurer sein?
In der Vergangenheit tauchten zuerst Gerüchte, dann auch Dokumente über eine angebliche Logenmitgliedschaft des Pfarrers auf. Kurz vor dem Einzug des Priesters in seine neue Pfarrei bestätigte ein sardischer Logenbruder:
„Es stimmt: 2014 wurde er initiiert“.
Im Erzbistum Cagliari will aber niemand der Angelegenheit auf den Grund gehen. Die Internetzeitung La Nuova Bussola Quotidiana (NBQ) recherchierte in der Sache und stieß im erzbischöflichen Ordinariat auf eine Mauer des Schweigens.
Seit einiger Zeit lastet auf dem sardischen Priester der Verdacht einer Freimaurerloge anzugehören. „Daß die Freimaurerei eine Geheimgesellschaft ist, ist kein Geheimnis. Daß die Kirche von Cagliari dieselben Geheimhaltung zu einem Priester praktiziert, der einer Logenmitgliedschaft verdächtigt wird, ist dagegen kurios, wenn nicht zweideutig“, so NBQ.
Im vergangenen Juli gab das Erzbistum wie üblich die Personalveränderungen in der Diözese bekannt. In der Liste der Versetzungen fand sich auch Don Dessì. In seiner Zeit als Pfarrer der Stadt Mandas wurden Stimmen laut, er sei in eine Freimaurerloge eingetreten. Genannt wurde konkret die Loge Armando Corona Nr. 5 von Cagliari, die zur Großloge des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus von Italien gehört.
Armano „Armandino“ Corona (1921–2009), nach dem die Loge benannt ist, war ein sardischer Arzt und Bauunternehmer. Er gehörte der linksliberalen Republikanischen Partei Italiens an und war Präsident des Regionalparlaments von Sardinien. Corona, seit 1969 Logenmitglied, war vor allem aber von 1982–1990 Großmeister des Großorients von Italien.
„Bruder Freimaurer, von Beruf Priester“
2016 tauchten kompromittierende Fotos des Priesters mit den beschürzten Brüdern auf. Der Pfarrer dementierte und sprach von „Fotomontagen“ und „Verleumdung“. Zunächst hieß es, das Erzbistum werde ein kanonisches Verfahren gegen den Priester einleiten, dann aber wurde es ruhig. Seit zwei Jahren will im Erzbistum niemand mehr über die Sache sprechen, auch nicht darüber, ob eine Untersuchung durchgeführt wurde oder nicht.
Ein örtlicher Blogger schrieb:
„Für die Kirche ist die Sache eindeutig: Ein Bischof oder Priester, der der Loge angehört, muß vor ein Kirchengericht und laisiert werden. Wurde Don Dessì einem kanonischen Verfahren unterworfen? Und wenn ja, wurde er freigesprochen oder verurteilt? Niemand weiß etwas, auch nicht in Rom.“
Es müßte das Interesse des Erzbistums sein, jeden Verdacht auszuräumen oder zu klären, ob Don Dessì ein der Kirche ausgeliehener ‚Schurz‘ ist, meinte NBQ und richtete im vergangenen Juli eine Anfrage an das Ordinariat, das an den Generalvikar verwies, der nicht erreichbar war. Nach einigen Tagen vergeblicher Versuche wandte sich die Zeitung an den Chefredakteur der diözesanen Kirchenzeitung, der an das diözesane Presseamt verwies, das an den Generalvikar verwies, der – nun erreichbar – kurz angebunden an die Glaubenskongregation verwies und auflegte
Das Ergebnis der mehrtägigen Recherche? Es war nicht möglich, vom Erzbistum eine klärende Antwort zu Don Dessì zu erhalten.
Neue Dokumente
Am vergangenen 20. September, zehn Tage vor der Amtseinführung von Don Dessì in Segariu, tauchten neue Unterlagen auf. Der erwähnte Blogger veröffentlichte mehrere Dokumente der Loge Corona Nr. 5.
Dazu gehört eine Einladung samt Tagesordnung zur Logensitzung vom 21. Juli 2014. Das Dokument ist vom Logensekretär gezeichnet, der im Namen des Meisters vom Stuhl, Gian Luigi Piras, zur „Tempelarbeit“ einlud. Jeder Logenbruder hatte im „dunklen Anzug, weißen Hemd, schwarzer Krawatte, weißen Handschuhen, Insignien seines Grades“ zu erscheinen. Die Tempelarbeit an jenem Sommerabend sah vor allem die Initiation eines neuen Logenbruders vor:
„Dr. Don Dessì Giancarlo, von Beruf Priester“.
Der Priester wurde auch in weiteren Dokumenten als Logenbruder geführt. Für die Tempelarbeit vom 21. Oktober 2014 ist er als „Redner“ genannt. Auf einer der Einladungen steht handschriftlich hinzugefügt:
„Ich, Unterfertigter Guido Asuni, ehemaliger Sekretär der Loge Corona, bestätige, daß der Priester Don Giancarlo Dessì, Pfarrer von Mandas, am 21. Juli 2014 als Freimaurerbruder initiiert wurde.“
NBQ kontaktierte Asuni, der nach anfänglichem Widerwillen die Angaben bestätigte. „Es stimmt. Ich bestätige, daß Don Giancarlo Dessì in jenem Jahr als Freimaurerbruder initiiert wurde. Damals war ich Sekretär der Loge Corona, bin aber noch in jenem Jahr gegangen. Was ich also bestätigen kann, ist, daß Dessì zumindest im Jahr 2014 der Freimaurerei angehörte. Was dann geschehen ist, kann ich nicht sagen, weil ich Obödienz gewechselt habe.“
Auf die Frage, wie der Priester damals seinen Eintritt in die Loge gerechtfertigt habe, antwortete Asuni ausweichend:
„Jemand hat ihn danach gefragt, aber er blieb vage, mehr weiß ich nicht zu sagen, zudem gibt es Situationen, die geheim sind.“
NBQ will von Asuni wissen, ob er vom Erzbistum kontaktiert wurde, um Auskunft zu geben. Asuni dazu: „Ich wurde nie gerufen. Niemand hat mich je dazu befragt. Fest steht: Sollte Don Dessì in der Zwischenzeit die Freimaurerei verlassen haben, hätte er die Pflicht, das öffentlich zu sagen, um seine Position klarzustellen.“
NBQ kontaktierte daraufhin erneut den Generalvikar des Erzbistums Cagliari, der aber genauso kurz angebunden reagierte, wie bereits einige Monate zuvor.
„Die Sache interessiert uns derzeit nicht.“
Und legte auf.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Il color Porpora sbiadito/NBQ