(Paris/Buenos Aires) Die Freimaurer sind in jüngster Zeit auffallend aktiv. Zahlreiche Initiativen, Tagungen und Treffen finden in Europa mit Blick auf die Wahlen zum EU-Parlament statt. Die beschürzten Brüder wollen dabei mitreden, und sie scheinen diese Wahl als besonders wichtig einzustufen. Doch es gibt auch andere Initiativen.
Der Freundschaftstempel von Epône
Die Gemeindeverwaltung von Epône in der Ile-de-France (Departement Yvelines) läßt den Freundschaftstempel im Park des einstigen Stadtschlosses renovieren. Das Schloß wurde im Zweiten Weltkrieg von alliierten Bomben zerstört, der Tempel blieb stehen. Dabei handelt es sich um den ältesten, original erhaltenen Freimaurertempel Frankreichs. Im Tempel wurde nach den Plänen von Louis David errichtet und 1785 fertiggestellt, weshalb er auch Davidstempel genannt wird. Das war vier Jahre vor Ausbruch er französischen Revolution. Der Tempel ist reich bestückt mit freimaurerischen Symbolen. Sein Inneres zieren Fresken, die Benjamin Franklin zeigen und die Freundschaft zwischen Frankreich und den USA feiern. Daher rührt auch sein Name „Tempel der französisch-amerikanischen Freundschaft“.
Laut dem früheren Großmeister des Großorients von Frankreich, Alain Bauer, haben in dem Tempel zahlreiche Freimaurer „gearbeitet“, unter ihnen auch der genannte Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA. Franklin wurde 1731 in Philadelphia in eine Loge aufgenommen und einige Jahre später Großmeister von Pennsylvania. Damit begann auch sein politischer Aufstieg. Er wurde Abgeordneter, Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, Botschafter in Schweden und in Frankreich und Gouverneur von Pennsylvania.
Im Freundschaftstempel von Epône trafen sich die beiden Freimaurer und Revolutionäre Hérault de Séchelles und Danton, als in Paris die Revolution losbrach. Beide waren maßgeblich am Sturm auf die Tuilerien und die Verhaftung und Hinrichtung der Königsfamilie beteiligt. Beide fielen 1794 selbst der Guillotine des Revolutionstribunals zum Opfer. Verantwortlich dafür war Robespierre, der zusammen mit anderen Revolutionären, ebenfalls Freimaurer, im Freundschaftstempel die erste Verfassung von 1791 geschrieben haben soll.
Kritiker sehen den Ort daher in enger Verbindung mit der Revolution und dem vielen, das sie kostete.
Die Renovierungsarbeiten sollen noch diesen Monat beginnen. Die Kosten dafür tragen nicht die Freimaurer, sondern zur Gänze die Steuerzahler. 40 Prozent bezahlt die Republik Frankreich, 40 Prozent das Departement Yvelines und 20 Prozent die Gemeinde Epône. Dieser Punkt ist deshalb bemerkenswert, weil die Freimaurer in Frankreich (und nicht nur dort) einen Feldzug gegen jede staatliche Subventionierung der Kirche führen. Dabei bereicherte sich der Staat gleich mehrfach durch Enteignungen, sogar Totalenteignungen der Kirchengüter. Die Freimaurer waren die treibende Kraft im Hintergrund. Im Vergleich zu diesem Rechtsbruch, bei dem sich der Staat als Räuber betätigt, sind die Steuergelder, die seit der Trennung von Staat und Kirche im Jahr 1905 an die Kirche flossen, bestenfalls ein bescheidener Ausgleich. Die radikale Trennung von Staat und Kirche wiederum wird von Frankreichs Freimaurern als ihre „größte Leistung“ nach der Revolution von 1789 und dem Sturz der Monarchie gefeiert. Sie begründete die „laïcité“, die seither Frankreichs Staatsdoktrin bildet, und als deren Wächter sich die beschürzten Brüder sehen.
Ein Bischof sendet der Loge Glückwünsche
In Argentinien mißfiel Msgr. Hector Aguer, dem von Papst Franziskus emeritierten Erzbischof von La Plata, das Glückwunschschreiben seines Mitbruders, des Bischofs von Lomas de Zamora, Msgr. Jorge Lugones, an die Freimaurerloge „Giuseppe Mazzini“. Lugones ist in der Argentinischen Bischofskonferenz für Soziales zuständig und gilt als enger Vertrauter und Freund des regierenden Papstes.
„Ich ziehe Leo XIII. vor, als mich Msgr. Lugones anzuvertrauen“, sagte Erzbischof Aguer in seiner Fernsehsendung „Schlüssel für eine bessere Welt“ des Fernsehsenders Canale 9. Eine doppelte Anspielung. Papst Leo XIII. gilt als Begründer der modernen kirchlichen Soziallehre, während Lugones in der Bischofskonferenz für soziale Fragen zuständig ist. Die eigentliche Anspielung führte Erzbischof Aguer aber näher aus: „Es ist schwer verständlich“, daß man jemanden beglückwünschen und auffordern könne, seine Ziele weiterzuverfolgen, „der seit 1717 ein erklärter Feind der Kirche ist und 1738 von Clemens XIII. mit der Apostolischen Konstitution In eminenti apostolatus specula verurteilt wurde. Dieselbe Verurteilung wurde von Leo XIII. in der Enzyklika Humanum Genus bekräftigt und von allen Päpsten des 19. und 20. Jahrhunderts bis zur Erklärung der Glaubenskongregation von 1983, in der die Unvereinbarkeit zwischen der Logenmitgliedschaft und dem katholischen Glauben bestätigt wurde.“
Carlos Roma und der Einfluß der Freimaurerei
Carlos Gastón Roma, Parlamentsabgeordneter der Präsidentenpartei PRO für die Provinz Feuerland, war im vergangenen Juni einer der vier Mandatare, die im letzten Augenblick in der argentinischen Abgeordnetenkammer in das Lager der Abtreibungsbefürworter umschenkten und für die Legalisierung der Abtreibung zu stimmen. Die Abstimmung endete dadurch mit 129 gegen 125 Stimmen knapp zugunsten der Abtreibung. Kurz darauf scheiterten die Abtreibungsbefürworter jedoch im argentinischen Senat. Carlos Roma war „innerhalb weniger Nachtstunden umgefallen“, wie argentinische Lebensrechtsbewegung kritisierten. Am Tag vor der Abstimmung war er noch mit dem hellblauen Symbol der Lebensschützer am Revers bei einer Kundgebung vor dem Parlament als Verteidiger des ungeborenen Lebens aufgetreten. Am nächsten Tag stimmte er im Parlament für das Abtreibungsgesetz.
Kurz darauf wurde ein Video haitianischer Freimaurer vom Sommer 2016 bekannt (siehe unten), in dem Carlos Roma seine Logenzugehörigkeit enthüllte und stolz über den Einfluß der Freimaurer in Argentinien berichtete. Unter anderem erklärte er, daß Freimaurer in der argentinischen Regierung sitzen, daß Minister, Staatssekretäre, Abgeordnete, Senatoren, Richter und hohe Staatsfunktionäre Logenbrüder „wie ich“ sind. Mehr noch: Die Regierung vertrete die Grundsätze der beschürzten Brüder, die in den vergangenen Jahren viel mächtiger geworden seien.
Für Argentinien gilt offensichtlich, was für vom Großorient von Frankreich 1949 den Abgeordneten in seinen Reihen eingeschärft wurde. Ein Freimaurer sei zuerst Freimaurer, dann erst Abgeordneter.
Die Loge zwischen Gnosis und Macht
Roma enthüllte letztlich nichts Neues. Der Einfluß der Freimaurerei war in bestimmten Momenten der Geschichte Argentiniens (und nicht nur dort) entscheidend. Die Logenbrüder bleiben dabei stets im Verborgenen. Sie verstecken sich hinter ihrer Organisationsstruktur einer Geheimgesellschaft und machen sich in der Regel nur dann sichtbar, wenn sie es wollen. Auf diese Weise kontrollieren sie weitgehend das Bild, das in der Öffentlichkeit von ihnen entsteht. Seit ihrer Gründung verfolgen sie zwei Stoßrichtungen, eine gnostische nach innen und eine machtpolitische nach außen. Nach innen suchen sie nach dem „Stein der Weisen“ und lehnen die christliche Antwort auf die Wahrheitsfrage ab oder vermuten hinter der öffentlichen christlichen Botschaft eine verborgene Geheimlehre. Die „Wahrheit“ über die Welt, und was sie zusammenhält und antreibt, wollen sie dabei exklusiv für sich. In der katholischen Kirche mit ihrem abgeschlossenen Weltbild sehen sie den erklärten Feind ihrer Suche nach einer anderen, „verborgenen“ Wahrheit. Nach außen sind sie erklärte Gegner der natürlichen Ordnung. Eine Feindschaft, die sich aus der Ablehnung des persönlichen Gottes ergibt. Wie in der Monarchie, so sehen sie auch in der Kirche einen Vertreter dieser Ordnung, die sie umstürzen wollen. Ihr gnostisches Ziel ist es, den Menschen zu „veredeln“. Den persönlichen Gott wollen sie vom Thron stoßen, um den Menschen dorthin zu setzen.
Kampf gegen die natürliche Ordnung
Im Kampf gegen die natürliche Ordnung treten sie heute für Abtreibung, Gender-Ideologie, Euthanasie, Masseneinwanderung, Transhumanismus und die Auflösung der Nationalstaaten ein. Die Lehre der Kirche widerspricht in allen diesen Themen, was die Abneigung gegen sie erklärt, wobei das Spektrum von der direkten Bekämpfung bis zur Unterwanderung reicht. Seit dem 18. Jahrhundert gibt es Kirchenmänner, die sich verbotenerweise der Loge anschlossen. Ein bezeichnendes Beispiel ist die Loge, die im altehrwürdige Benediktinerstift Melk an der Donau existierte. Dort gab es nicht nur den Konvent der Benediktiner, sondern im Verborgenen auch noch eine Loge, der ein Teil der Benediktinermönche angehörte. Die Logenmitgliedschaft ist wegen der Geheimhaltung schwer nachweisbar. Entscheidender ist daher, welche Positionen jemand vertritt. Daran erkennt man den Freimaurer, ob beschürzt oder unbeschürzt.
Erzbischof Aguer sagte im Fernsehen, keinen Grund erkennen zu können, weshalb ein Kirchenvertreter der Loge gratulieren sollte. Es gibt hohe Kirchenvertreter, die das inzwischen anders sehen. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es in verschiedenen Ländern, auch in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich zweifelhafte Annäherungsversuche. Dagegen stellte sich die römische Glaubenskongregation mit der erwähnten Unvereinbarkeitserklärung von 1983.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Hiram/InfoVaticana/CDA (Screenshots)