
(Rom) Am 5. Juli verstarb Jean-Louis Kardinal Tauran, der in seinen letzten vier Lebensjahren Kardinalkämmerer der Kirche war. Seither ist das Amt unbesetzt.

Der Franzose Tauran hatte bereits das Französischen Kolleg in Rom besucht und an der Gregoriana studiert. 1969 für das Erzbistum Bordeaux zum Priester geweiht, wurde er bereits 1973 wieder nach Rom geschickt, um die Päpstliche Diplomatenakademie zu absolvieren. Seither stand er im Dienst des Heiligen Stuhls. Ab 1990 stieg er in die Führungsebene der Römischen Kurie auf und wurde 2003 zum Kardinal kreiert. Zuletzt war er seit 2007 Vorsitzender des Päpstlichen Rats für den Interreligiösen Dialog und seit 2014 auch Kardinalkämmerer. Beide Funktionen sind seit seinem Tod vakant.
Welche Aufgaben hat aber ein Kardinalkämmerer der Heiligen Römischen Kirche oder Camerarius Camerae Apostolicae auszuüben?
Im Italienischen ist der Amtsinhaber als Camerlengo bekannt, eine Amtsbezeichnung, die noch deutlicher das ursprüngliche, germanische Wort Kamerling (Kämmerer) erkennen läßt, das über das Altfränkische und wohl auch das Langobardische in die romanischen Sprachen gelangte. Wann genau das päpstliche Amt entstanden ist, ist nicht mehr bekannt. Päpstliche Kämmerer sind namentlich seit genau 900 Jahren überliefert. Der älteste bekannte Amtsinhaber war der Benediktiner Giovanni Caetani, der 1118 zum heiligen Papst Gelasius II. gewählt wurde. Die Familie Caetani, eigentlich Gaetani von Gaeta in Süditalien, die ihre gotische Abstammung von Waffengefährten Theoderichs herleiteten, stellte mit Bonifaz VIII. noch einen zweiten Papst.
Seit dem 15. Jahrhundert wird das Amt des päpstlichen Kämmerers ununterbrochen von Kardinälen ausgeübt.

Der Kardinalkämmerer hat vor allem zwei Aufgaben zu erfüllen. Wenn der Papst aus Rom abwesend ist, verwaltet er die weltlichen Güter des Heiligen Stuhls. Er stellt den Tod des Papstes fest mit der Formel „Vere Papa mortuus est“ und nimmt ihm den Fischerring als Zeichen seiner Amtsvollmachten ab. Den Ring läßt er zerbrechen. Eine ungewöhnliche Ausnahme bildete der Ring von Johannes Paul II., der nur durch einen Kratzer ungültig gemacht wurde, während jener von Benedikt XVI. noch intakt sein soll.
Der Kämmerer sorgt für die Versiegelung der päpstlichen Wohnung und des Arbeitszimmers des Papstes. Er führt auch die Prozession zur Aufbahrung des toten Papstes im Petersdom an.
Vor allem aber beruft er während der Sedisvakanz das Konklave ein und leitet dessen Organisation zur Wahl eines neuen Papstes.
Um seine Position während der Sedisvakanz anzuzeigen, wird sein persönliches Kardinalswappen mit einem Baldachin, dem sogenannten Umbraculum, und den gekreuzten Petrusschlüsseln geziert. Kardinal Tauran erlebte während seiner Amtszeit aber keine Sedisvakanz. Zuletzt war dies 2013 der Fall, als Kardinal Tarcisio Bertone Kardinalkämmerer war. Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. 2005 hatte Kardinal Eduardo Martinez Somalo dieses Amt inne. Beim Tod von Papst Pius XII. 1958 war es Kardinal Benedetto Aloisi Masella.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons