
(Rom) Papst Franziskus beliebt immer wieder zu scherzen. Derzeit fragen sich nicht nur die Vatikanisten, ob es sich immer um einen Scherz handelt, oder ob die Teilnahme von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin am diesjährigen Treffen der Bilderberger erste Konsequenzen zeitigt.
Am 8./9. Juni tagten die Bilderberger in Turin. Erstmals in der Geschichte dieser illustren Runde der transatlantischen Eliten aus Politik, Wirtschaft und Medien nahm auch ein Kardinalstaatssekretär daran teil. Die Organisatoren des alljährlich stattfindenden Treffens hätten „sehr“ auf diese Teilnahme gedrängt, die nicht ohne Rücksprache mit Papst Franziskus erfolgen konnte.
Das erste Thema auf der Tagesordnung war „Populismus in Europa“.
In einem Interview mit der internationalen Presseagentur Reuters, das am 20. Juni redaktionell bearbeitet veröffentlicht wurde, kritisierte Papst Franziskus den Populismus und attackierte besonders US-Präsident Donald Trump, dessen Wahlsieg als Initialzündung einer vom linksliberalen Establishment als unerwünscht betrachteten politischen Entwicklung gesehen wird, die sich bei Wahlen in Europa fortsetzt. Papst Franziskus machte nie ein Hehl daraus, Trump nicht im Weißen Haus sehen zu wollen. Gleiches gilt für die Bilderberger.
Im selben Interview betonte Franziskus, „mehr Frauen“ in hohe und höchste Ämter im Vatikan berufen zu wollen.
Dazu meldete gestern der italienische Staatsfunk auf Rai News:
„Papst Franziskus will eine stärkere weibliche Präsenz beim Heiligen Stuhl. In den vergangenen Tagen sagte er in einem Interview, daß ‚eine Frau als Dikasterienleiterin möglich‘ sei. Heute fügte er auf dem Flug nach Genf hinzu, daß es für die Vatikanbank IOR eine gute Idee wäre, wenn der Vorstand neu bestellt wird, die Verantwortliche des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde zu berufen. ‚Wir stehen in Verhandlungen‘, sagte er zu Journalisten – lachend.“
Der Corriere della Sera titelte:
„Der Papst und die Aussage zu den Frauen im Vatikan: ‚Wir verhandeln mit Christine Lagarde‘.“
Die führende italienische Tageszeitung fügte hinzu, Franziskus habe „den Journalisten, die ihn umgeben, scherzhaft geantwortet“.
Christine Lagarde wurde bereits zweimal von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Die erste Begegnung „überraschte“, da Franziskus seit Beginn seines Pontifikats „eine arme Kirche der Armen“ postulierte und in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium behauptete, „diese Wirtschaft tötet“. Am 10. Dezember 2014 empfing er Lagarde in Privataudienz.
Die zweite Begegnung am 18. Januar 2016 war dann schon fast Routine und hatte bereits offizielleren Charakter. Sie fand kurz vor Lagardes Bestätigung an der Spitze des Weltwährungsfonds statt, die im Februar bekanntgegeben wurde.
Knapp danach, am 1. März 2016, lobte der Papst Lagarde vor einer geschockten Gruppe katholischer Sozialisten der französischen Organisation Poissons roses als „eine intelligente Frau, die betont, daß das Geld im Dienst der Menschheit stehen muß und nicht umgekehrt“.
Die „Herrin des Geldes“, wie die IWF-Generaldirektorin auch genannt wird, steht seit Juli 2011 an der Spitze des Weltwährungsfonds vor. Seither ist sie regelmäßige Teilnehmerin der zuletzt immer im Juni stattfindenden Bilderberger-Treffen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL