
von Amand Timmermans
Joannes Vermeer van Delft gehört zu den berühmtesten Kunstmalern des „Gouden Eeuw“, des Goldenen Zeitalters der Niederlande. Seine Werke gehören zu den Prunkstücken von einigen der größten und berühmtesten Gemäldesammlungen. Durch vielfältige und häufige Reproduktionen sind seine Gemälde weltweit bekannt. Sie wurden intensiv studiert und nicht zuletzt auch in Film und Buch referiert.

Recht wenig ist dagegen über sein Leben überliefert worden; und das, was bekannt ist, wurde weitgehend verschwiegen oder kaum beachtet.
Joannes Vermeer wurde am 31. Oktober 1632 in der Nederduytsch-reformierten Nieuwe Kerk (kalvinistisch) in Delft getauft.
Die Familie war von einfachem Stand: sein Vater war Gastwirt und Samtweber, dazu ein kleiner Kunsthändler. Er hatte einen unguten Ruf wegen Gewalttätigkeiten und finanziellen Problemen.
Die Familie Vermeer war kein eingeschriebenes Mitglied der Reformierten Kirche: in der damaligen Zeit mit starker Profilierung ein Zeichen von religiösem Desinteresse.
Zwanzigjährig verliebte Joannes Vermeer sich in die katholische Catharina (Trijntje) Bolnes.
Katholiken waren damals in der Republik der Niederländischen Provinzen Bürger dritter, wenn nicht gar vierter Klasse. Sie wurden grundsätzlich der Sympathien mit dem Erzfeind Spanien verdächtig, in der Ausübung ihres Glaubens behindert (viel ausgeprägter als Juden und Muslime), waren gleichwohl aber als Passivbürger toleriert.
Vater Bolnes stammte aus einer Familie von Bauunternehmern. Er war äußerst rabiat und gewalttätig. Nach mehr als zwei Jahrzehnten häuslicher Gewalt (in den Akten zum Überdruß dokumentiert) reichte seine Ehefrau Maria geb. Thins die „Trennung von Tisch und Bett“ ein und bekam das Sorgerecht für ihre zwei junge Töchter.

Maria Thins stammte aus einer reichen katholischen Familie von Händlern in Baumaterialien und Backsteinen aus Gouda. Sie war eine sehr fromme, überzeugte Katholikin und sehr besorgt um das Glück ihrer Tochter. Die Verbindung mit Joannes Vermeer sah sie deshalb sehr kritisch.
Joannes Vermeer, sehr verliebt, konvertierte zur katholischen Kirche und konnte mittels guten Leumund und Fürsprache von bekannten Malern die Bedenken von Maria Thins ausräumen. Am 20. April 1653 heirateten Joannes Vermeer und Trijntje Bolnes mit bürgerlicher Beurkundung.
Es wurde eine Liebesehe, mit 15 Kindern in 22 Jahren.
Zweiundzwanzigjährig wurde Vermeer Mitglied der Kunstmalerzunft St. Lukas und selbständiger Meister. Sein Ruhm wuchs schnell: seine Malereien wurden mit dem dreißig‑, teils hundertfachen Wert eines zeitgleichen Werkes von Jan Steen bewertet.

Seine Produktion war nicht sehr groß: Sie wird auf ca. 40–50 Gemälde geschätzt, wovon wir jetzt noch 35 sichere und 5 dubiose Werke kennen.
Vermeer arbeitete wahrscheinlich im festen Dauerauftrag von Mäzenen.
Die schnell wachsende Familie und die Bekümmerung des täglichen Lebens führten dazu, daß er 1660 in das große Haus seiner Schwiegermutter Maria Thins einzog, wo er im ersten Stock sein Atelier einrichtete. Die Wohnung lag übrigens direkt neben der katholischen Schuilkerk (wörtlich „versteckte Kirche“, eine Geheimkirche).
Die sehr teuren Farben (Ultramarin, Bleizinngelb und Smalte), die große Konkurrenz von Malerkollegen und die nicht sehr große Produktion von Malereien machten die Maltätigkeit van Vermeer nicht sehr ertragreich.
Maria Thins unterstützte ihre Tochter und Schwiegersohn nicht nur mit Unterkunft, sondern auch finanziell. Sie besaß Bauernhöfe und Bauernland mit regelmäßigen Pachteinkünften und hatte auserlesenes Mobiliar (teils von Vermeer als Requisit gemalt).
Im Holländisch-Französischen Krieg von 1672 erlebte die Republik eine Katastrophe (Rampjaar). Ein Großteil des Territoriums wurde erobert und verwüstet, der Kunstmarkt brach ein, Hungersnot und Seuchen grassierten. Maria Thins hatte sehr wenige Einkünfte, weil ihr Grundbesitz als Teil der Holländischen Wasserlinie unter Wasser gesetzt worden war und die Pacht ausfiel.

Vermeer wurde darüber so betrübt, daß er plötzlich am 15.Dezember 1675 im Alter von 43 Jahren starb.
Zehn seiner 11 Kinder waren noch minderjährig.
Maria Thins unterstützte ihre Tochter weiterhin. Diese zwei starken Frauen brachten die große Familie durch problematische Zeiten.
Der älteste Sohn, Johannes jr., wurde katholischer Priester.
Der jüngste, früh gestorbene Sohn trug den sehr katholischen Namen Ignatius. Zwei seiner Schwestern hießen Maria und Elisabeth.
Bis heute gibt es zahlreiche Nachfahren, besonders in weiblicher Linie.
Insgesamt eine ganz unbergoglianische Geschichte:
Ein junger kalvinistische Mann, der katholisch wird, um ein katholisches Mädchen zu heiraten; 15 Kinder in 24 Jahren (cfr. „Karnickel“); eine fromme und reiche katholische Schwiegermutter, welche die ganze Familie ihrer Tochter unterstützt; ein Sohn, der Priester wird; eine ältere Dame, die nach vielen Jahren körperlicher Mißhandlung in der Ehe getrennt wird von Tisch und Bett und solo bleibt.
Und am Ende so viel richtiger Umgang mit Finanzen in ökonomisch schwierigen Zeiten, daß die Familie durchkam.
Quellen:
- RKD-Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis
- John Michael Montias: Vermeer and His Milieu. A Web of Social History, Princeton University Press, 19932
- Johannes Vermeer, Wikipedia-Eintrag mit ausgiebiger Literaturangabe
Text: Amand Timmermans
Bild: Wikicommons
Danke fuer den schoenen Artikel. Den Hinweis auf eine „unbergoglianische“ Geschichte („Karnickel“) haetten Sie sich allerdings sparen koennen. Mit Ihrem historischen Verstaendnis wissen doch auch Sie die Lebensumstaende des 17 Jhdt. von den heutigen zu unterscheiden.