Die BauernBürgerbewegung der Niederlande

Künstlich herbeigeführte Krisen provozieren auch unerwartete Veränderungen


Die BauernBürgerbewegung der Niederlande und ihre Bedeutung für andere EU-Länder.
Die BauernBürgerbewegung der Niederlande und ihre Bedeutung für andere EU-Länder.

Von Andre­as Becker

Anzei­ge

Bei den jüng­sten Pro­vinz­wah­len in den Nie­der­lan­den gab es einen Über­ra­schungs­er­folg einer neu­en, erst­mals ange­tre­te­nen Bewe­gung, der Boer­Bur­ger­Be­weging (BBB). Die­se Bau­ern- und Bür­ger­be­we­gung war erst 2019 von Caro­li­ne van der Plas gegrün­det wor­den und stellt einen Auf­schrei der nie­der­län­di­schen Land­wir­te dar, die sich von einem urba­nen lin­ken Milieu an die Wand gedrückt fühlen.

Die BBB will Haus­ver­stand und Rea­lis­mus in die Poli­tik zurück­brin­gen und kri­ti­siert, daß EU-höri­ge und lin­ke Par­tei­en eine wirk­lich­keits­frem­de Poli­tik betrei­ben. Deren Kli­en­tel, so van der Plas, lebe in den Städ­ten und tue so, als ob der Strom aus der Steck­do­se und die Nah­rungs­mit­tel aus dem Super­markt kommen.

Die Bau­ern­Bür­ger­be­we­gung wur­de am 15. März in allen zwölf Pro­vin­zen der Nie­der­lan­de auf Anhieb zur stärk­sten Kraft. Lan­des­weit erreich­te sie fast 20 Pro­zent der Stim­men und eine Lawi­ne von Man­da­ten in den Pro­vinz­par­la­men­ten. Da die­se die Erste Kam­mer des Par­la­ments wäh­len, wird die BBB ab Juni auch 17 von 75 Sit­zen im nie­der­län­di­schen Ober­haus einnehmen.

„Nie­mand kann uns mehr igno­rie­ren, die Wäh­ler haben sich sehr deut­lich gegen die Poli­tik die­ser Regie­rung aus­ge­spro­chen“, sag­te Caro­li­ne van der Plas noch am Wahlabend.

In der Tat ist das Signal sehr deut­lich aus­ge­fal­len. Die Wahl­be­tei­li­gung lag so hoch wie seit 30 Jah­ren nicht mehr. Im Ober­haus ver­fügt die Mit­te-links-Regie­rung von Mini­ster­prä­si­dent Mark Rut­te, die in Umfra­gen nur mehr auf Zustim­mungs­wer­te um die 20 Pro­zent kommt, über kei­ne Mehr­heit mehr. Sie wird also ver­han­deln müssen.

Der Medi­en-Main­stream mag die neue Par­tei natür­lich nicht und sucht nach Nega­tiv-Eti­ket­tie­run­gen, mit denen man die Bau­ern­Bür­ger­be­we­gung dis­kre­di­tie­ren könnte.

In den Nie­der­lan­den ist jedoch viel in Bewe­gung gera­ten, das hat vor allem zwei Grün­de: die Mas­sen­ein­wan­de­rung, die das eth­ni­sche Bild der nie­der­län­di­schen Gesell­schaft immer radi­ka­ler ver­än­dert, und eine irr­wit­zi­ge Kli­ma-Poli­tik, mit denen die Land­wirt­schaft und ins­ge­samt der länd­li­che Raum abge­würgt wer­den sol­len. Das Ziel einer angeb­li­chen „Kli­ma­po­li­tik“ scheint eine in den Städ­ten kon­zen­trier­te Bevöl­ke­rung mit einem zum Natur­re­ser­vat gemach­ten Umland zu sein. Die Lebens­mit­tel wer­den ent­we­der impor­tiert oder künst­lich her­ge­stellt. Gegen ein sol­ches Hor­ror­sze­na­rio begeh­ren Tei­le der nie­der­län­di­schen Gesell­schaft auf.

Auch die bis­her bestehen­den EU-kri­ti­schen Rechts­par­tei­en, die für die Sou­ve­rä­ni­tät des Lan­des ein­tre­ten, wur­den von der neu­en Bewe­gung auf dem fal­schen Fuß erwischt. Ihre Geschich­te, die Anfang des 21. Jahr­hun­derts begann, ist seit­her tur­bu­lent ver­lau­fen, da man sie zu iso­lie­ren und zu mar­gi­na­li­sie­ren versucht.

Die älte­ste Grup­pie­rung unter ihnen ist die Par­tei für die Frei­heit (PVV) von Geert Wil­ders, die bei den EU-Par­la­ments­wah­len 2009 mit fast 17 Pro­zent ihr bestes Ergeb­nis erziel­te. Bei den Pro­vinz­wah­len im März erreich­te sie nur mehr knapp sechs Pro­zent. Von den einst 69 Pro­vinz­man­da­ten (2011–2015) sind noch 34 übrig geblieben.

2016 war mit dem Forum für Demo­kra­tie (FVD) von Thier­ry Bau­det eine zwei­te EU-skep­ti­sche Par­tei ent­stan­den. 2019 konn­te sie auf Anhieb fast 16 Pro­zent und 12 Sit­ze in der Ersten Kam­mer errei­chen. 2019, bei den Wah­len zur Zwei­ten Kam­mer, waren es aller­dings nur mehr fünf Pro­zent und 8 Man­da­te von 150. Auch in den Pro­vinz­land­ta­gen schrumpf­ten ihre Man­da­te von 86 (2019) auf 15 zusammen.

Neu ange­tre­ten ist im März neben der BBB auch noch eine drit­te Rechts­par­tei namens JA21, die Con­ser­va­tie­ve Libe­ra­len. Sie wur­den 2020 von Joost Erd­mans und Anna­bel Nan­nin­ga gegrün­det. Bei den Par­la­ments­wah­len 2021 konn­te sie mit 2,3 Pro­zent zwar erst drei Man­da­te errin­gen, sitzt nun aber mit 22 Man­da­ta­ren in elf Provinzlandtagen.

Hat­ten PVV und FVD bis­her 165 Man­da­te in den Pro­vin­zen, sind es jetzt nur mehr 49. Durch die bei­den neu­en Par­tei­en JA21 und BBB hal­ten alle vier Grup­pie­run­gen zusam­men jetzt aber 208 von 572 Sit­zen in den Pro­vinz­land­ta­gen, das sind fast 37 Prozent.

Mit ihrer Kri­tik an der EU-höri­gen „grü­nen“ Poli­tik der Regie­rung Rut­te, obwohl die Grü­nen ihr nicht ein­mal ange­hö­ren, traf Caro­li­ne van der Plas den Nerv vie­ler Nie­der­län­der. Dabei ist grün kurio­ser­wei­se die Par­tei­far­be der BBB. Die Bau­ern­Bür­ger­be­we­gung legt jedoch wert auf eine Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Natur­schutz, dem die Bau­ern ver­pflich­tet sind, und dem Kunst­pro­dukt „Kli­ma­schutz“, das im luft­lee­ren Raum, los­ge­löst von der Wirk­lich­keit, schwebt und von sei­nen Ver­fech­tern belie­big nach ideo­lo­gi­schen Kri­te­ri­en model­liert wird.

Der tech­no­kra­ti­sche Öko­so­zia­lis­mus des EU-Estab­lish­ments war der Haupt­ver­lie­rer der Wahl vom 15. März. Er pro­vo­ziert in der nie­der­län­di­schen Bevöl­ke­rung eine noch nie dage­we­se­ne Unzu­frie­den­heit. Vie­le Men­schen spü­ren instink­tiv, daß ihre Frei­heits­rech­te durch eine Brüs­se­ler Regu­lie­rungs­wut lau­fend mehr ein­ge­schränkt wer­den und eine staat­lich gelenk­te Umver­tei­lung von unten nach oben statt­fin­det, wäh­rend die Nie­der­län­der zur Min­der­heit im eige­nen Land wer­den. Sie spü­ren, daß die der­zei­ti­ge Poli­tik der EU und der nie­der­län­di­schen Regie­rung nicht ihren Inter­es­sen dient, son­dern zu ihrer Ver­ar­mung führt.

Das Signal wur­de in Brüs­sel ver­stan­den. Am 11. April eil­te Frans Tim­mermans, der Vize von EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en, nach Den Haag, um mit den Wahl­sie­gern Caro­li­ne van der Plas (BBB) und Derk Jan Eppink (JA21) Gesprä­che für einen Kom­pro­miß in der soge­nann­ten „Stick­stoff­kri­se“ zu füh­ren, einer von vie­len durch eine fal­sche Poli­tik künst­lich her­bei­ge­führ­ten Kri­sen. Damit ist die Absicht der EU gemeint, die nie­der­län­di­sche Land­wirt­schaft abzu­wür­gen. Es soll­te ein Pro­be­lauf wer­den, um das­sel­be dann auch in ande­ren EU-Mit­glied­staa­ten umzu­set­zen. Durch das Wahl­er­geb­nis kam es jedoch anders.

BBB und JA21 leg­ten ihre For­de­run­gen auf den Tisch. Dar­aus wur­de eine Kom­pro­miß, der als „schnel­ler Aus­weg aus der Stick­stoff­kri­se“ bekannt wur­de. Man wird sehen, ob die EU-Kom­mis­si­on tat­säch­lich kapi­tu­lier­te oder ob sie nur ver­sucht, die neu­en poli­ti­schen Akteu­re „ein­zu­kau­fen“, wie es in ande­ren Län­dern, so in Ita­li­en, gelun­gen ist.

In den Nie­der­lan­den sieht es der­zeit bes­ser aus. Caro­li­ne van der Plas nahm zur Kennt­nis, daß die Brüs­se­ler Euro­kra­ten von ihrer Dämo­ni­sie­rung ablie­ßen und einen „kon­struk­ti­ven“ Weg vor­schlu­gen. Sie unter­läßt es aber trotz des unter­zeich­ne­ten Kom­pro­mis­ses nicht, das EU-Estab­lish­ment als „rea­li­täts­fremd“ zu kri­ti­sie­ren. Nach den Ver­hand­lun­gen pran­ger­te sie etwa an, daß „die EU-Dele­ga­ti­on nicht zu wis­sen schien, was Schwei­ne und Kühe fressen“.

Öko­so­zia­li­sten wie Tim­mermans wer­den nicht so schnell locker­las­sen. Ihr Ziel ist es, den Vieh­be­stand in den Nie­der­lan­den um ein Drit­tel zu redu­zie­ren. Zahl­rei­che land­wirt­schaft­li­che Betrie­be müß­ten zusper­ren. Die EU lockt mit Aus­gleichs­zah­lun­gen und Prä­mi­en, als wür­de das ein Pro­blem lösen und sich alles kau­fen las­sen. Mit wes­sen Geld übri­gens? Vor allem bleibt der Grund­feh­ler, daß fik­ti­ve poli­ti­sche Zie­le postu­liert werden.

Die Wah­len haben gezeigt, daß selbst in den Nie­der­lan­den mit ihrer star­ken Ver­städ­te­rung der länd­li­che Bereich noch ein gewich­ti­ges Wort mit­zu­re­den hat. In ande­ren EU-Mit­glieds­staa­ten gilt das noch mehr.

Ein neu­es Ele­ment in der Par­tei­en­land­schaft ist die BBB auch des­halb, weil sie tra­di­tio­nel­le Wer­te mit der Land­wirt­schaft, dem länd­li­chen Raum, der Bear­bei­tung des eige­nen Bodens durch bäu­er­li­che Fami­li­en­be­trie­be und dem damit ver­bun­de­nen Gemein­schafts- und Nach­bar­schafts­ge­fü­ge mit Posi­tio­nen gegen die Isla­mi­sie­rung und die Mas­sen­ein­wan­de­rung ver­bin­det. Der Aus­län­der­an­teil (frem­de Staats­bür­ger­schaft) liegt in den Nie­der­lan­den der­zeit bei sie­ben Pro­zent, in Wirk­lich­keit beträgt er auf­grund von Mas­sen­ein­bür­ge­run­gen aber schon mehr als ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung. Ten­denz stark stei­gend, vor allem in der jun­gen Generation.

Caro­li­ne van der Plas erhielt im Wahl­kampf Mord­dro­hun­gen, die von der Poli­zei ernst genom­men wer­den. Sie wer­de enden wie Pim For­tuyn, wur­de ihr ange­droht, der 2002 ermor­det wur­de. Im Gegen­satz zu For­tuyn, der als Weg­be­rei­ter der nie­der­län­di­schen Rechts­par­tei­en gilt, aber der Ver­tre­ter eines libe­ra­len städ­ti­schen Milieus war, baut die Bau­ern­Bür­ger­be­we­gung BBB auf boden­stän­di­gen tra­di­tio­nel­len Wer­ten auf. Das macht sie zu einem inter­es­san­ten Novum, das über die Gren­zen der Nie­der­lan­de hinausstrahlt.

Der Urnen­gang vom 15. März zeigt, wel­ches Poten­ti­al vor­han­den ist. Das wur­de nicht nur in Brüs­sel besorgt regi­striert, son­dern weckt das Inter­es­se in ande­ren Län­dern, es den nie­der­län­di­schen Bau­ern nachzumachen.

Bild: BBB (Screen­shot)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!