Die Korporation, auf die sich Papst Franziskus stützt


An der Diplomatenakademie des Heiligen Stuhls werden die Vatikandiplomaten ausgebildet. Rechts ist das Pantheon erkennbar.
An der Diplomatenakademie des Heiligen Stuhls werden die Vatikandiplomaten ausgebildet. Rechts ist das Pantheon erkennbar.

(Rom) Das Staats­se­kre­ta­ri­at des Hei­li­gen Stuhls ver­fügt nun über drei Abtei­lun­gen. Dies wur­de von Papst Fran­zis­kus so ent­schie­den. Mit­te Okto­ber schrieb er dazu ein ent­spre­chen­des Doku­ment an Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Parolin.

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Bis­her gab es die Sek­ti­on für die All­ge­mei­nen Ange­le­gen­hei­ten, die soge­nann­te Erste Sek­ti­on, und die Sek­ti­on für die Bezie­hun­gen mit den Staa­ten, die soge­nann­te Zwei­te Sek­ti­on. Die Erste Sek­ti­on wickel­te den regel­mä­ßi­gen Kon­takt mit den Nun­tia­tu­ren ab, das sind die diplo­ma­ti­schen Ver­tre­tun­gen des Hei­li­gen Stuhls in zahl­rei­chen Staa­ten und bei inter­na­tio­na­len Insti­tu­tio­nen, die den Bot­schaf­ten und Gesandt­schaf­ten der ande­ren Staa­ten ent­spre­chen. Sie wird vom Sub­sti­tu­ten des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs gelei­tet, der­zeit also von Kuri­en­erz­bi­schof Gio­van­ni Ange­lo Becciu. Die Zwei­te Sek­ti­on ist mit den Kon­kor­da­ten befaßt, die zwi­schen dem Hei­li­gen Stuhl und den Staa­ten abge­schlos­sen wur­den. Sie gilt als die poli­ti­sche Sek­ti­on. Ihr Lei­ter, der­zeit Kuri­en­erz­bi­schof Paul Gal­lag­her, wird daher auch als „Außen­mi­ni­ster“ des Vati­kans bezeichnet.

Päpstliche Verfügung

Nun schrieb Fran­zis­kus: „Ich ver­fü­ge folgendes“:

Das der­zei­ti­ge Amt des Dele­ga­ten für die päpst­li­chen Ver­tre­tun­gen „wird ver­stärkt und zur Drit­ten Sek­ti­on des Staats­se­kre­ta­ri­ats“ auf­ge­wer­tet mit der „Bezeich­nung als Sek­ti­on für das Per­so­nal des Diplo­ma­ti­schen Dien­stes des Hei­li­gen Stuhls“.

Die­se Sek­ti­on wird vom Dele­ga­ten für die päpst­li­chen Ver­tre­tun­gen gelei­tet und mit einer aus­rei­chen­den Zahl von Offi­zia­len (Beam­ten) ausgestattet.

„Sie wird den Zweck haben, dem Per­so­nal des Diplo­ma­ti­schen Dien­stes die Auf­merk­sam­keit und die Nähe des Pap­stes und der Obe­ren des Staats­se­kre­ta­ri­ats zu zeigen.“

Die neue Sek­ti­on wird mit allen Fra­gen befaßt sein, die mit dem diplo­ma­ti­schen Per­so­nal zu tun haben: „die Aus­wahl, die Aus­bil­dung und Wei­ter­bil­dung, die Lebens- und Dienst­be­din­gun­gen, die Beför­de­run­gen, das ört­li­che Per­so­nal, usw.“.

Der dritte Sektionschef

Der Lei­ter der neu­en Drit­ten Sek­ti­on wird, so die Anord­nung des Pap­stes, zusam­men mit den bei­den ande­ren Sek­ti­ons­lei­tern „an den wöchent­li­chen Koor­di­nie­rungs­sit­zun­gen teil­neh­men, die vom Staats­se­kre­tär gelei­tet wer­den. Er beruft zudem die Ad-hoc-Sit­zun­gen ein, und führt den Vor­sitz, für die Vor­be­rei­tung der Ernen­nun­gen der päpst­li­chen Ver­tre­ter.“ Schließ­lich wird er, zusam­men mit dem Rek­tor der päpst­li­chen Diplo­ma­ten­aka­de­mie „für die Aus­wahl und die Aus­bil­dung der Kan­di­da­ten ver­ant­wort­lich sein“, die in den Diplo­ma­ti­schen Dienst tre­ten sollen.

Die Anord­nung von Papst Fran­zis­kus besagt, daß die bis­he­ri­ge Abtei­lung für die päpst­li­chen Ver­tre­tun­gen aus der Ersten Sek­ti­on aus­ge­glie­dert und auf­ge­wer­tet wird. Lei­ter die­ser Abtei­lung, und damit auch künf­ti­ger Lei­ter der neu­en Drit­ten Sek­ti­on, ist der pol­ni­sche Kuri­en­erz­bi­schof Jan Romeo Paw­low­ski. Der 57-Jäh­ri­ge wur­de im Dezem­ber 2015 in sein Amt beru­fen. Zuvor war er seit 2009 Nun­ti­us in der Repu­blik Kon­go und in Gabun. Damals war ihm der Ägyp­ter Yoan­nis Lah­zi Gaid zuge­teilt, der unter Fran­zis­kus zum zwei­ten, per­sön­li­chen Sekre­tär des Pap­stes wurde.

Peripherie gegen Zentrum – asymmetrisch

Das Pon­ti­fi­kat Fran­zis­kus steht unter einem anti­zen­tra­li­sti­schen Stern, einer Art Auf­be­geh­ren der „Peri­phe­rie“ gegen die Zen­tra­le in Rom. Zumin­dest wird sein Pon­ti­fi­kat so dar­ge­stellt. Die­ser anti­rö­mi­sche Affekt quält in unter­schied­li­cher Dosie­rung seit Jahr­zehn­ten Tei­le der Kir­che. Fran­zis­kus setzt die­se Res­sen­ti­ments auf sei­ne ganz eige­ne Wei­se um: durch die Abset­zung meh­re­rer Dik­aste­ri­en­lei­ter, den Umbau der Römi­schen Kurie und durch die For­cie­rung einer Dezen­tra­li­sie­rung (Amo­ris lae­ti­tia, Magnum prin­ci­pi­um).

Kardinal Angelo Sodano
Kar­di­nal Ange­lo Sodano

Dabei fiel nach sei­ner Wahl schnell auf, daß die etwas sozi­al­ro­man­tisch ver­bräm­te Dar­stel­lung „Peri­phe­rie gegen Zen­trum“ nicht ganz zutrifft. Die Kon­flikt­li­nie ist weni­ger geo­gra­phi­scher als mehr inhalt­li­cher Natur. Dafür sprach schon im März 2013 die Begei­ste­rung von einem Teil der Römi­schen Kurie, beson­ders eini­ger eme­ri­tier­ter Kuria­len, für den neu­en Papst. Unter ihnen stach beson­ders der ehe­ma­li­ge Staats­se­kre­tär Ange­lo Sod­a­no her­vor, der Bene­dikt XVI. sei­ne Eme­ri­tie­rung nach­trug. Über­haupt hat­te der deut­sche Papst den Ein­fluß der Vati­kan­di­plo­ma­ten zurückgedrängt.

Die Revanche der Diplomaten

Das änder­te sich unter Fran­zis­kus wie­der. Mit sei­ner Wahl wur­de schnell klar, daß die Diplo­ma­ten­rie­ge um Kar­di­nal Sod­a­no eng hin­ter dem neu­en Kir­chen­ober­haupt stand. Die Ernen­nun­gen und Beför­de­run­gen lie­ßen nicht lan­ge auf sich war­ten, sodaß von der „Revan­che“ der Vati­kan­di­plo­ma­ten die Rede war, wobei nicht alle, son­dern der Kreis um Sod­a­no gemeint war, des­sen graue Emi­nenz er nach wie vor ist. „Eine Kor­po­ra­ti­on, auf die er [Fran­zis­kus] seit sei­ner Wahl zum Papst setz­te“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Sei­ter geht, im Wider­spruch zur Schwä­chung der Römi­schen Kurie und zur Dezen­tra­li­sie­rung, eine Stär­kung des Staats­se­kre­ta­ri­ats und ins­ge­samt der Berufs­di­plo­ma­ten ein­her. Dazu gehört die Ernen­nung von Diplo­ma­ten auf Posten, für die sie nur eine Qua­li­fi­ka­ti­on mit­brach­ten, näm­lich Ver­trau­te des Pap­stes zu sein: z.B. die Ernen­nung von Loren­zo Bal­dis­se­ri zum Gene­ral­se­kre­tär des Sekre­ta­ri­ats der Bischofs­syn­ode und von Benia­mi­no Stel­la zum Prä­fek­ten der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on. Bei­de erhob Fran­zis­kus auch in den Kar­di­nals­rang. Sub­sti­tut Becciu, Lei­ter der Ersten Sek­ti­on, mach­te er zum Son­der­le­ga­ten für den Sou­ve­rä­nen Mal­te­ser­or­den, nach­dem er Ende Janu­ar 2017 den amtie­ren­den Groß­mei­ster zum Rück­tritt gezwun­gen hatte.

Als unge­wöhn­lich­ste Ernen­nung gilt nach wie vor jene von Bat­ti­sta Ric­ca. Ric­ca war bis 2004 an den diplo­ma­ti­schen Ver­tre­tun­gen von Alge­ri­en, der Schweiz und Uru­gu­ay tätig, bis er wegen „unmo­ra­li­schen Ver­hal­tens“ abge­zo­gen und in den Vati­kan zurück­be­or­dert wor­den war. Dort wur­de er Direk­tor des Gäste­hau­ses San­ta Mar­ta, das bis zur Wahl von Fran­zis­kus kei­ne Rol­le spiel­te. Seit aber der Papst dort resi­diert, steht es im Mit­tel­punkt. Ric­ca war im Juni 2013 von Fran­zis­kus zu sei­nem per­sön­li­chen Ver­tre­ter bei der Vatik­an­bank IOR gemacht wor­den. Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster mach­te Ric­cas wenig rühm­li­che Ver­gan­gen­heit bekannt, um ihn vor bedenk­li­chen Ernen­nun­gen zu war­nen, zu denen auch jene von Fran­ce­s­ca Chaou­qui gehör­te. Fran­zis­kus änder­te sei­ne Mei­nung aber nicht. Im Gegen­teil: Auf den Fall Ric­ca geht jener berühmt-berüch­tig­te Satz von Fran­zis­kus zur Homo­se­xua­li­tät zurück: „Wer bin ich, um zu urtei­len?“ Ric­ca ist nach wie vor Direk­tor von San­ta Mar­ta, Prä­lat der Vatik­an­bank ist als dem Diplo­ma­ti­schen Dienst des Staats­se­kre­ta­ri­ats zugeordnet.

Zur Auf­wer­tung der Berufs­di­plo­ma­ten gehört auch die nun erfolg­te Errich­tung einer Drit­ten Sek­ti­on, die exklu­siv dem Diplo­ma­ti­schen Corps des Vati­kans dient. Der ohne­hin bereits vor­han­de­ne Korps­geist, den Sod­a­no för­der­te, erlebt eine wei­te­re Ver­stär­kung. Vor allem gibt Papst Fran­zis­kus zu ver­ste­hen, daß er mehr als bis­her direkt an den Ernen­nun­gen mit­wir­ken will.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/Vatican.va (Screen­shot)

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