Von Wolfram Schrems*
Aus Anlaß des 30. Jahrestages der Ernennung von Universitätsprofessor Kurt Krenn zum Weihbischof von Wien am 3. März 1987 brachte Rudolf Födermayr, Schwager des verewigten Bischofs, eine Gedenkschrift heraus, die für die österreichische Kirchengeschichtsschreibung von einiger Relevanz sein wird.
Der Hauptteil ist eine detaillierte Chronologie der Ereignisse durch den Kirchenhistoriker und ehemaligen Bischofsvikar P. Dr. Ildefons M. Fux OSB (Priorat Maria Roggendorf). Diese ist der Festschrift zum 70. Geburtstag von Bischof Krenn Der Wahrheit verpflichtet (Josef Kreiml, Michael Stickelbroeck, Ildefons Manfred Fux, Josef Spindelböck (Hg.), Verlag St. Josef, Kleinhain, 2006) entnommen. Angefügt sind eine kurze Biographie, sowie Nachrufe auf Bischof Krenn, die zeitnahe zu seinem Tod am 25. Jänner 2014 erschienen. Sie stammen von Stephan Baier (Die Tagespost), vom Rezensenten (Nachruf vom 31.01.14 auf dieser Seite, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion abgedruckt), vom Pfarrer von Zell am Ziller (Tirol, Erzdiözese Salzburg), Dechant Dr. Ignaz Steinwender, von P. Werner Schmid, dem damaligen Moderator der Weltpriestergemeinschaft St. Josef, Kleinhain/St. Pölten, der am Tag nach dem Tod Bischof Krenns eine Predigt hielt, und von P. Ildefons Fux.
„Ein neuer Weihbischof für Wien“ – inmitten eines unaufrichtigen Episkopats
Pater Fux, bekannt für sein außergewöhnlich wertvolles Buch über österreichische Glaubenszeugen Für Christus und Österreich (2001) und für sein Bemühen, die Kampagne gegen Kardinal Hans Hermann Groà«r historisch aufzuarbeiten, zeichnet in seinem Beitrag die Stellungnahmen von Kirchenmännern und Journalisten nach, die meist mehr oder weniger unverhohlenen Haß gegen den neuernannten Bischof – und den ernennenden Papst – ausdrücken. Die Kirche Österreichs war schon länger in einen offenen Glaubensabfall geraten. Die Ernennung von Bischof Krenn paßte vielen nicht in ihr Verständnis von Kirche und Kirchenpolitik.
P. Fux beleuchtet die Ereignisse unter dem Gesichtspunkt des Widerstandes gegen den neuernannten Bischof und allgemein gegen das Recht des Papstes, Bischöfe zu ernennen (auch wenn letzteres oft nur verklausuliert vorgebracht wurde).
Erschütternd und skandalisierend ist, was P. Fux über die Pressekonferenz von Erzbischof Karl Berg (Salzburg) und Bischof Johann Weber (Graz) im Anschluß an den Ad-limina-Besuch bei Papst Johannes Paul II. am 19. Juni 1987 berichtet. Die Bischöfe beschwichtigten damals und gaben an, es gebe „keine Spaltung unter den Bischöfen, keine Kluft zum Heiligen Vater“ (43).
Diese Stellungnahmen waren aber unwahrhaftig, wie Bischof Weber später zugibt:
„Bei dieser Pressekonferenz, so erinnerte sich Weber später, da haben wir ‚schon sehr gekünstelt. Da ist es uns extrem schlecht gegangen‘“ (ebd.).
Klarerweise stellt sich die Frage, wann die Herren Bischöfe in ihrem Wirken sonst noch „gekünstelt“ haben. Oder wann sie gelogen haben.
Bischof Krenn ermahnte bekanntlich die Lügner mit deftigen Worten.
P. Fux stellt angesichts eines Episkopats, der sich allzuoft den weltlichen Mächten unterwirft, einen größeren kirchengeschichtlichen Zusammenhang her:
„Man wird im Streit über die in Frage gestellten Bischofsernennungen im Kontext der Kirchengeschichte wohl nicht umhin können, an eine Neuauflage des Investiturstreites zu denken, nur dass es nicht die Staatsgewalt war, die hier Rechte für sich beanspruchte, sondern eine Bewegung von Priestern und Laien, die ein Mitbestimmungs- bzw. Zustimmungsrecht im Sinne eines variierten ‚Placetum regium‘ für sich arrogierte. Diese Bewegung stützte sich auf eine breite ideologische Strömung der Konzilsinterpretation (…)“ (44).
Aus heutiger Sicht wird man allerdings ergänzend sagen müssen, daß diese Bewegung sich auf eine durchaus naheliegende, zumindest mögliche „Interpretation“ stützte. Das Konzil und dessen Begleitmusik hatten sicher revolutionäre Impulse begünstigt.
„Kurt Krenn ging es stets um die Wahrheit“
Dipl.-Theol. Stephan Baier, Österreich-Korrespondent der dreimal wöchentlich in Würzburg erscheinenden Tagespost und großer Paneuropäer, verfügt, wenn er nicht gerade EU-Propaganda betreibt (wegen der schon mindestens ein Abonnement der DT gekündigt wurde), über ein gesundes Urteilsvermögen. So auch in gegenständlichem Nachruf, der das intellektuelle und seelsorgliche Wirken des Verstorbenen würdigt, aber auch das Unerfreuliche nicht verschweigt:
„[Alle] Kontroversen über die Ausrichtung der Kirche und ihrer Theologie hätten den streitbaren Hirten von St. Pölten nicht zu Falle gebracht. Die Förderung des Priesternachwuchses war ihm ein zentrales Anliegen, und wurde ihm letztlich zum Verhängnis. Im Gespräch mit dieser Zeitung meinte Krenn 2001, man müsse Erfolg auch quantifizieren, also solle man seine Amtszeit daran messen, ob es nachher mehr Priester in der Diözese gebe als vorher. Das Pöltner Seminar wuchs, aber das Unkraut darin offenbar auch. Als der von ihm installierten Leitung des Priesterseminars homosexuelle Aktivitäten zugeschrieben wurden, als Krenn die Vorwürfe allzu schnell abtat, da wandten sich viele Bischöfe von Krenn ab“ (57).
Das ist – leider – richtig. Allerdings hatten sich etliche Bischöfe nicht erst in der Krise um das Priesterseminar von Bischof Krenn abgewandt.
Eine gleichsam hagiographische Darstellung von Bischof Krenn, wie sie von wohlmeinenden, aber nicht immer nüchtern denkenden Katholiken fallweise auch praktiziert wird, nützt niemandem. Baier stellt den überragenden Intellekt des Universitätsprofessors und sein vielfältiges seelsorgliches und gesellschaftliches Wirken richtigerweise heraus, spricht um der Wahrheit willen aber auch das fatale Versäumnis in dessen Amtsführung an. Hatte der Bischof nicht auf Ratgeber gehört oder den falschen vertraut? Wir wissen es nicht.
Früher oder später wird die Wahrheit ans Licht kommen.
„Der Wahrheit verpflichtet“
Hw. Dr. Steinwender zitiert in seinem Nachruf die Aussage eines ehemaligen Gendarmeriekollegen, der der Kirche fern stand:
„Du, der Krenn, der taugt mir. Wenn ich den bei Diskussionen mit Journalisten beobachte, dann habe ich den Eindruck, der operiert von einer höheren Warte aus, dem kommen sie nicht an“ (65).
Steinwender, selbst ein Mann akademischer Bildung, stellt die die didaktischen Fähigkeiten des Professors heraus:
„Ein Journalist, der bei Krenn als Student Vorlesungen gehört hatte, erzählte mir einmal, dass Krenn als Professor in Regensburg bei den Studenten unglaublich beliebt war. Ihm ging es bei Prüfungen nicht darum, festzustellen, ob jemand einen Stoff kennt, sondern ob er denkt, ob der Student gelernt hat, zu denken“ (65).
Was dem Rezensenten von besonderer Relevanz erscheint, ist der von Dechant Steinwender gewürdigte Einsatz des Bischofs für die Freiheit:
„Oft hat man Krenn vorgeworfen, er polarisiere. Sicher hat er mit scharfsinnigen Wortmeldungen weltanschauliche Gegner herausgefordert und harmoniebedürftige Mitbrüder sowie zeitgeistige Mitläufer verärgert. Aber er tat dies, weil er sensibel war für die totalitären Züge der Meinungsmache, es war ein Dienst an der Freiheit und an der Wahrheit“ (66).
„Totalitäre Züge der Meinungsmache“ – sehr richtig.
„Ein Streiter Christi ist von uns gegangen“
Zum Abschluß sei P. Ildefons Fux zitiert, der in seinem Wirken selbst allerhand innerkirchliche Unerfreulichkeiten erleben mußte:
„Dass die fortgesetzte Reihe an Verdemütigungen und Entehrungen auch eine robuste Konstitution nicht unberührt lassen würde, musste Freund oder Feind, klar sein. ‚Eine Kampagne hat ihn kaputt gemacht‘, überschrieb treffend Prof. DDr. Wolfgang Waldstein seine Darstellung der Demission Krenns; zweifellos hatte die Erkrankung des bisherigen Diözesans durch die Ereignisse des Jahres 2004 neue Schubkraft erhalten. Er hätte sich für sein Zeugnis der Treue und für sein mehr als 13jähriges Bemühen im Bistum St. Pölten bei der Amtsübergabe am 28. November 2004 wohl ein Mehr an Danksagung verdient als die bloße Nennung seines Namens“ (72).
Resümee
Der Band sei allen empfohlen, die sich ein Bild über die damaligen Vorgänge um die Ernennung Bischof Krenns einerseits und über Einschätzungen seines Vermächtnisses andererseits machen wollen. Besonders Interessierte, die die damaligen Ereignisse nicht selbst mitverfolgt haben, sollten zu diesem Band greifen.
Vielleicht, hoffentlich, fühlen sich auch noch lebende Akteure der damaligen Ereignisse aufgerufen, ihre damalige Rolle rechtzeitig zu überdenken. Es wäre für die Kirche Österreichs und für ihre eigene Seelenhygiene von großer Wichtigkeit.
Alle politisch Denkenden, ob katholisch oder nicht, sollten darüber hinaus bedenken, daß derartige Haßkampagnen wie gegen Bischof Krenn für ein Gemeinwesen moralisch zerstörerisch sind. In George Orwells 1984 sind es die Zwei-Minuten-Haß-Einschaltungen auf dem allgegenwärtigen Teleschirm, die die Bevölkerung gegen einen mehr oder weniger imaginären Feind einigen sollen. Dabei werden die Menschen aber immer mehr entmenscht und die Gesellschaft als ganze moralisch zersetzt. Die Kampagne nützt daher nur den Mächtigen im Hintergrund.
„Verfolgung leiden“ mag als larmoyanter Titel für eine Schrift angesehen werden, die einer nach dem Titelbild offensichtlich kraftvollen und eloquenten Persönlichkeit gewidmet ist. Wie P. Fux aber richtig schreibt, haben die „Verdemütigungen und Entehrungen“ (man könnte auch von Haßeruptionen sprechen) auch eine „robuste Person“ nicht unberührt gelassen. Er zitiert den berühmten Juristen und Naturrechtsphilosophen Wolfgang Waldstein, der sagte: „Eine Kampagne hat ihn kaputt gemacht“ (72). Wenn publizistische Heckenschützen im Auftrag mächtiger Kreise einen unbequemen Bischof herausschießen können, dann kann jeder andere Mensch des öffentlichen Lebens ebenfalls vernichtet werden – ohne Argumente, ohne fairen Prozeß, ohne Wahrheit. Das aber formt eine freie Gesellschaft in eine Orwellsche Horrorvision um. –
Herrn Rudolf Födermayr, ein in Glauben und Leben auf vielen Gebieten bewährter Mann, sei für die Herausgabe des Buches, das ihm nicht nur Lob eintragen wird, Dank und Anerkennung ausgesprochen.
Ildefons Fux, …Verfolgung leiden… – Ein neuer Weihbischof für Wien, Erinnerung an die Ernennung und Konsekration von Kurt Krenn, 1987; Eigenverlag, Herausgeber: Rudolf Födermayr; Oberkappel 2017; 72 S.; Bestellungen über: Christlicher Medienversand, Linz (hurnaus@aon.at +43(0)732788117), oder: Verlag St. Josef, Kleinhain (verlag@stjosef.at +43(0)2742360088).
*MMag. Wolfram Schrems, Theologe, Philosoph, Katechist
Bild: st.josef.at/ORF/Youtube (Screenshots)