
von Roberto de Mattei*
Die Verehrung an der Heiligen Krippe ist eine Verehrung für alle Zeiten, aber besonders in schwierigen Zeiten wie jenen, die wir durchleben. Mit dem Wort Krippe meinen wir nicht nur im engere Sinn des Wortes die Futterkrippe, in der das Jesuskind gelegt wurde, die in Rom in der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore verehrt wird, und daher auch als S. Maria ad praesepem bekannt ist. Gegenstand unserer Verehrung ist das große Szenario der Geburt Unseres Herrn, wie es von so vielen frommen Künstlern im Lauf der Jahrhunderte dargestellt wurde.
Das Szenario, das wir in liebevollem Schweigen betrachten, bringt uns ein Ereignis nahe, das zugleich historisch und ewig ist. Es ist ein historisches Ereignis, kein Mythos, keine Phantasie, weil es darstellt, was am 25. Dezember des Jahres 753 seit der Gründung Roms, oder 748 wie manche sagen, in einem präzisen, historischen Ort geschehen ist: in der Grotte zu Betlehem in Palästina. Wir lehnen die modernistische Unterscheidung zwischen dem historischen Jesus und dem Jesus des Glaubens ab und bekräftigen zuallererst die historische Wahrheit. Auf diese geschichtliche Wahrheit stützt sich unser Glauben, der unsere vernunftgeleitete Zustimmung zu den Worten des Evangeliums ist.
Zu diesen göttlich inspirierten Worten hat die Heilige Tradition der Kirche weitere Elemente hinzugefügt, die uns behilflich sind, ein vollständiges Bild dessen zu gewinnen, was zwischen dem 25. Dezember und der Epiphanie geschehen ist.
Das historische Szenario hat auch einen immerwährenden Vorbildcharakter. Vor uns ist nicht nur die Heilige Familie, sondern ein Mikrokosmos, die vom nackten Boden der Grotte bis zum sternenreichen Firmament reicht. Die ganze seelenlose Natur erweist ihrem Schöpfer die Ehre durch ihre bloße Gegenwart. Der Ochs, der Esel und die Schafe repräsentieren die Tierwelt, die dem Herrn die Ehre erweist durch ihre Unterordnung unter den Menschen, dem König der Schöpfung. Die Hirten und die Könige liefern das Bild der hierarchisch gegliederten Gesellschaft, die zur Anbetung Jesu herbeikommt.
Die Chöre der Engel, ebenfalls hierarchisch geordnet, beten Ihren Herrn an und erweisen ihm die Ehre. Durch ihren Glanz, den sie ausstrahlen, und das Frohlocken ihrer Gesänge, verwandeln die Engel die ganze Atmosphäre. Durch sie verwandelt sich die Hütte in einen Königspalast. Das Stroh leuchtet wie reinstes Gold, die Steine glänzen wie seltene Juwelen. Maria und Josef, im Mittelpunkt der Szene, zeigen und das Modell vollkommener Übereinstimmung mit dem Göttlichen Willen, einer perfekten Anbetung des Geheimnisses der Fleischwerdung und einer mystischen Einheit mit dem Gott-Mensch, der sich sichtbar macht. Jesus Christus herrscht über die Krippe, die sein Thron der Liebe ist. Das Geheimnis der Liebe ist aber auch ein Geheimnis der Gerechtigkeit.
Die Weihnachtskrippe, wie Pater Nepveu anmerkte, ist auch das Gericht der Gerechtigkeit Jesu, weil er dort das Urteil spricht, das eines Tages über die ganze Welt gesprochen werden wird: Vae Mundo (Mt 18,7), wehe dem, der der Welt folgt! Wehe den Hochmütigen, wehe den Sinnliche, wehe den Verweichlichten, denn ihr Zustand ist ein Zustand der Opposition gegen den Zustand Jesu in der Krippe. Jesus in der Krippe ist die Wahrheit, die die Finsternis vertreibt, von der die Irrenden umfangen sind. Er ist der Weg, der jene führt, die von ihm abgekommen sind. Er ist das Leben, das jenen eingehaucht wird, die fallen und sterben.
Jesus weiß, was wir nicht wissen, kann, was wir nicht können, und bewegt uns, ihm jene Liebe zu schenken, die wir ihm schenken wollen, aber nicht dazu imstande sind. Wir lieben Jesus in der Krippe und wir lieben die Krippe in Ihm. Wir verachten mit jenem Haß, der radikale Trennung vom Bösen und totale Einheit mit dem Guten bedeutet, alle jene, die die Krippe hassen und sie aus unseren Städten und unseren Häusern verbannen möchten. Wir kämpfen, um die Krippe zu verteidigen, weil wir dafür kämpfen, die christliche Zivilisation zu verteidigen, deren Modell die Krippe ist.
In der Krippe herrscht eine natürliche Ordnung, die der rechten inneren Ordnung der Dinge entspricht. Deshalb herrscht dort der Frieden, der die Ruhe der Ordnung ist. Die Krippe widersetzt sich dem Chaos, das damals ringsum herrschte, und das heute ringsum herrscht, und nimmt die sakrale Ordnung vorweg, die im Reich Mariens herrscht, das uns die Gottesmutter in Fatima verheißen hat. Am Vorabend der Kämpfe, die uns 2017 erwarten, ruht unser Herz in diesen Tagen in der Heiligen Krippe.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Verona 2013; in deutscher Übersetzung zuletzt: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Ruppichteroth 2011.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana