(Rom) Vor zwei Jahren veröffentlichte die katholische polnische Zeitschrift Fronda einen langen Aufsatz, der auch von der deutschen katholischen Fachzeitschrift Theologisches übernommen wurde. Thema des Aufsatzes sind die „Homo-Häresie“ und die Existenz einer „Homomafia“ in der Katholischen Kirche. Der Autor beschrieb die Existenz eines Netzwerkes homosexueller Priester auf allen Ebenen der kirchlichen Hierarchie einschließlich der Römischen Kurie, die sich gegenseitig decken.
Autor des explosiven Aufsatzes ist der polnische Priester Dariusz Oko, Assistenzprofessor für Philosophie an der Päpstlichen Theologischen Akademie Krakau und der Päpstlichen Universität Johannes Paul II. von Krakau und Seelsorger an der St. Hedwigs-Pfarrei dieser Stadt. In seinem Aufsatz erinnert Oko daran, daß mehr als 80 Prozent der sogenannten Pädophilie-Fälle von Klerikern in den USA in Wirklichkeit Fälle von Ephebophilie waren und sich auf männliche Jugendliche bezogen. Die Zahlen decken sich mit jenen der Glaubenskongregation, die von 90 Prozent spricht. Fakten, die in der Öffentlichkeit systematisch unterschlagen worden seien. „Sachliche Untersuchungen zeigen, dass das Ausmaß des Problems in der katholischen Kirche noch am geringsten ist. Warum wird dann hauptsächlich von ihr gesprochen? Untersuchungen zufolge kommen auf tausend Fälle von Pädo- oder Ephebophilie nur einer aus dem Bereich der katholischen Kirche, in den Vereinigten Staaten auf zehntausend lediglich 3 bis 5“, so Oko in Theologisches (42) 9–10/2012.
Oko zeigte jedoch auch die Schwierigkeiten von Priestern und Seminaristen auf, die sich gegen das Homo-Netzwerk in der Kirche auflehnen: „Sollte der Rektor oder ein anderer Vorgesetzter versuchen, diese zu verweisen, so kann es sein, daß sie selbst verwiesen werden und nicht die Homo-Kleriker. Oder sollte ein Vikar versuchen, Jugendliche vor dem Pfarrer, der sexuelle Übergriffe begeht, zu verteidigen, wird er schikaniert, diszipliniert und versetzt und nicht der Pfarrer“, weil übergeordnete Entscheidungsträger, an die sie sich wenden, selbst Teil der Homo-Lobby sind.
„Sollten einige Indiskretionen begründet sein, die aus den vatikanischen Palästen gedrungen sind, würde es sich um ein internationales Netzwerk mit Hunderten von Klerikern aller Rangebenen handeln“, so der Vatikanist Marco Tosatti. Tosatti führte nun mit Dariusz Oko ein Interview zu diesem Thema. Mit dem Pädophilieskandal wurde das Pontifikat von Benedikt XVI. unter Dauerbeschuß gehalten. Mit dem neuen Pontifikat sei er „völlig in Vergessenheit“ geraten, so Tosatti.
Homo-Häresie ist die Ablehnung der kirchlichen Lehre zur Homosexualität
Marco Tosatti: Vor zwei Jahren haben Sie in Ihrer gründlichen Studie die Situation in der Kirche abgebildet. Hat sich seither etwas geändert?
Dariusz Oko: Mit Sicherheit hat meine Studie ein weitverbreitetes Problem berührt, das fast überall existiert. Nur so läßt sich erklären, daß sie innerhalb weniger Wochen die Runde um die ganze Welt machte. In vielen Ländern wurden Übersetzungen angefertigt: von Englisch bis Deutsch, Italienisch bis Tschechisch, Slowakisch bis Estnisch … Mir scheint, daß das in meiner Studie angesprochene Problem immer bewußter wahrgenommen wird.
Marco Tosatti: Sie sprechen in Ihrer Arbeit von Homo-Häresie. Was sind deren Merkmale?
Dariusz Oko: Die Homo-Häresie ist eine Ablehnung des Lehramtes der Katholischen Kirche zur Homosexualität. Die Vertreter der Homo-Häresie akzeptieren nicht, daß die homosexuelle Neigung eine Persönlichkeitsstörung ist. Sie bezweifeln, daß homosexuelle Handlungen widernatürlich sind. Die Verteidiger der Homo-Häresie sind für die Priesterweihe von Homosexuellen. Die Homo-Häresie ist eine kirchliche Version des Homosexualismus.
Marco Tosatti: 2005 wurde von der Kongregation für das katholische Bildungswesen ein wichtiges, von Papst Benedikt XVI. approbiertes Dokument veröffentlicht, das die Priesterweihe von Homosexuellen verbietet. Warum dieses Dokument?
Dariusz Oko: Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ist in vielen Seminaren und Klöstern weltweit eine neue Art eingedrungen, die menschliche Sexualität im Widerspruch zum überlieferten Lehramt der katholischen Kirche zur Homosexualität zu sehen. Die Konsequenz war, daß in vielen Diözesanseminaren und Abteien auf allen Kontinenten damit begonnen wurde, die Idee zu vertreten, daß es zwei gleichwertige sexuelle Orientierungen gibt: eine heterosexuelle und eine homosexuelle. So wurde von den Klerikern nur mehr die Keuschheit, verstanden als Enthaltung von unreinen Handlungen, und die Fähigkeit den Zölibat zu leben, gefordert, ohne weiter nach ihrer sexuellen Orientierung oder ihren Neigungen zu fragen. Auf diese Weise wurde es notwendig, die Homosexualität als Neigung und Persönlichkeitsstruktur ausdrücklich als objektives Hindernis für die Priesterweihe zu definieren.
Marco Tosatti: Wird diese Bestimmung von 2005, die das Priestertum für Homosexuelle verbietet, Ihres Wissens nach angewandt?
Dariusz Oko: Ich bin nicht für die Ausbildung an den Seminaren zuständig. Daher weiß ich nicht, wie dieses Verbot in den verschiedenen Ländern gehandhabt wird. Diese Frage müßte an die direkt für die Ausbildung der künftigen Priester Verantwortlichen gerichtet werden.
Marco Tosatti: Seit Sie Ihre Untersuchung veröffentlicht haben, hat der Papst gewechselt. Nehmen Sie irgendeinen Unterschied in der Haltung zwischen den beiden Päpsten im Zusammenhang mit dem Problem wahr?
Dariusz Oko: Es ist schwer, von irgendeinem Unterschied zu sprechen. Grundlegend ist das Lehramt der katholischen Kirche, das sich nicht ändert und das die Priesterweihe für Homosexuelle verbietet. Das geltende Lehramt führte im Gegensatz zur vorherigen Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Homosexualität eine Unterscheidung zwischen einer vorübergehenden homosexuellen Neigung ein, die in der nachpubertären Jugend vorkommt, und der tief verwurzelten Neigung. Beide Formen von Homosexualität und nicht nur die aktive Homosexualität stellen einen Hinderungsgrund für die Priesterweihe dar. Die Homosexualität ist mit der Priesterberufung nicht vereinbar. Deshalb ist nicht nur die Weihe von Männer mit irgendeiner homosexuellen Neigung (auch wenn nur vorübergehend) strikt verboten, sondern auch ihre Zulassung ins Seminar.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana