
(Rom) Sagte Papst Franziskus am vergangenen Freitag tatsächlich, daß „die Tradition die Garantie für die Zukunft“ ist und die Loslösung von ihr „den Untergang“ bedeutet?
Am 13. September empfing Franziskus das Generalkapitel der Augustiner-Barfüßer (OAD) in Audienz. Der Orden ging als Reformzweig der strengeren Observanz aus dem Orden der Augustiner-Eremiten (OSA) hervor, dem auch Martin Luther angehört hatte.
Den rund 200 Ordensmitgliedern hielt Franziskus eine Ansprache, von der es – einmal mehr – zwei Fassungen gibt. Der vorbereitete Text wurde auf der offiziellen Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht. Franziskus fügte aber spontan einige Anmerkungen hinzu. Sie wurden von der Catholic News Agency von EWTN berichtet.
Aufgrund der Quelle werden die relevanten Einfügungen auf englisch wiedergegeben, obwohl Franziskus sich in seiner Rede nicht der englischen Sprache bediente. Demnach habe Franziskus den Augustiner-Barfüßern gesagt:
„To be modern, some believe that it is necessary to break away from the roots. And this is their ruin, because the roots, the tradition, are the guarantee of the future.”
“Um modern zu sein, glauben einige, daß es notwendig ist, sich von den Wurzeln zu lösen, und das ist ihr Untergang, denn die Wurzeln, die Tradition, sind die Garantie für die Zukunft.“
Ebenso:
“Never break away from your roots to be modern, that’s suicide.”
“Trennt euch niemals von euren Wurzeln, um modern zu sein: Das ist Selbstmord. “
Die Wiedergabe erfolgte aus dem Gedächtnis von Teilnehmern und ist daher nicht wortgetreu. Es besteht aber kein Grund, die Echtheit der Aussage zu bezweifeln.
Papst Franziskus „hätte demnach zugegeben“, so die traditionsverbundene Seite Messa in Latino, „daß die wahre Tradition mit den lebensnotwendigen Wurzeln vergleichbar ist, die notwendig sind, um den Baum wachsen, blühen und Frucht bringen zu lassen“.
Messa in Latino fügte allerdings hinzu:
„Jedenfalls ist es besser, sich keinen Illusionen hinzugeben. Leider sind wir an so viel Inkohärenz gewöhnt (und sehr müde davon).“
Die Wurzeln der Augustiner-Barfüßer gehen auf das Jahr 1517 zurück. Im selben Jahr als der Augustiner-Eremit Martin Luther seine Rebellion gegen die Kirche und die überlieferte Glaubenslehre begann, zog sich der Priester Filippo Dulcetti auf den Monte Scalpello bei Centuripe auf Sizilien zurück, um dort als Eremit zu leben.
Im Laufe der Jahre schlossen sich ihm andere an, die seinem Vorbild folgten. 1568 erlegte ihnen Papst Pius V. wegen der kanonisch ungeregelten Situation auf, in einen anerkannten Orden einzutreten. Die Eremiten entschieden sich für den 1244 gegründeten Orden der Augustiner-Eremiten. Deren Ordensgeneral stimmte der Eingliederung zu, die 1585 vollzogen werden konnte. Innerhalb des Augustiner-Eremitenordens wurde aufgrund ihres besonderen Charismas eine starke Reformbewegung daraus. Es wurden neue Klöster gegründet, und zum Teil schlossen sich ihnen bereits bestehende Augustiner-Eremitenklöster an. 1610 wurden sie als Augustiner-Barfüßer von Papst Paul V. anerkannt. Das Barfüßertum brachte zur damaligen Zeit durch die Ablehnung von Schuhwerk die radikale Nachfolge des Evangeliums zum Ausdruck. Kirchenrechtlich blieben die Barfüßer aber als autonomer Zweig ein Teil des Augustiner-Eremitenordens. Erst 1931 erhielten sie durch Papst Pius XI. völlige Eigenständigkeit.
1623 entstand in Prag das erste Kloster im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, dem kurz darauf ein weiteres in Wien folgte, dann auch solche in Laibach, Bayern, der Steiermark und Mähren. In den ersten 65 Jahren des Bestehens der Augustiner-Barfüßer entstanden 51 Klöster. 1650 zählte der Bettelorden 945 Brüder. 1697 gelangten die ersten Missionare des Ordens nach China.
Dem Wiener Kloster gehörte Abraham a Sancta Clara, der bekannteste Augustiner-Barfüßer an, der als bedeutendster katholische Prediger und Dichter der Barockzeit gilt.
Es folgten schwere Rückschläge: Kaiser Josef II. machte dem Orden durch seine Klosteraufhebung in Österreich den Garaus, Napoleon Bonaparte in Frankreich und ebenso das geeinte Italien. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte der Orden nach Brasilien, Afrika und in den 90er Jahren auch wieder nach Asien (Philippinen).
85. Generalprior des Ordens ist seit 2011 Pater Doriano Ceteroni. Die Augustiner-Barfüßer haben heute weltweit 27 Klöster und 220 Brüder.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)