Papst Franziskus warnt die Apostolischen Nuntien

Eine ungewöhnliche Fußnote


Papst Franziskus warnte gestern die Apostolischen Nuntien (Botschafter) mit einer ungewöhnlichen Fußnote.
Papst Franziskus warnte gestern die Apostolischen Nuntien (Botschafter) mit einer ungewöhnlichen Fußnote.

(Rom) „Wegen der psy­chi­schen Hygie­ne“, so ver­si­cher­te Papst Fran­zis­kus, lese er kei­ne Inter­net­sei­ten und Blogs, die Kri­tik an sei­ner Amts­füh­rung üben. Die Apo­sto­li­schen Nun­ti­en aus aller Welt warn­te er gestern davor, „Blogs zu betrei­ben“ oder sich „sogar Grup­pen anzu­schlie­ßen“, die ihm kri­tisch gegen­über­ste­hen. In der­sel­ben Anspra­che zitier­te Fran­zis­kus dann aber just eine jener Inter­net­sei­ten, von denen er sagt, sie gar nicht zu lesen. Wie das?

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Am 16. Janu­ar 2018 traf sich Papst Fran­zis­kus in Sant­ia­go de Chi­le mit den Jesui­ten jenes süd­ame­ri­ka­ni­schen Lan­des. Haupt­grund der Rei­se nach Chi­le und Peru war die bevor­ste­hen­de Ama­zo­nas­syn­ode, wie sein Ver­trau­ter, Kar­di­nal Loren­zo Bal­dis­se­ri, erklär­te. Das war noch weni­ge Tage bevor der Sturm des homo­se­xu­el­len Miß­brauchs­skan­dals in der Kir­che über Fran­zis­kus her­ein­zu­bre­chen begann.

Fran­zis­kus ging vor sei­nen Mit­brü­dern der Gesell­schaft Jesu (SJ) auch auf Häre­sie­vor­wür­fe ein, die ihm kur­ze Zeit vor­her im Zusam­men­hang mit dem umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia indi­rekt gemacht wur­den. Inhalt­lich ging er auf die Kri­tik nicht ein, son­dern erklär­te, sol­che Inter­net­sei­ten und Blogs aus Grün­den der „psy­chi­schen Hygie­ne“ gar nicht zu lesen.

Gestern emp­fing der Papst alle Apo­sto­li­schen Nun­ti­en in Audi­enz, die welt­weit in den ver­schie­de­nen Staa­ten ihren diplo­ma­ti­schen Dienst ver­rich­ten. Deren Ver­samm­lung, zu der er sie nach Rom rief, endet morgen.

In sei­ner Anspra­che, die nur auf ita­lie­nisch ver­öf­fent­licht wur­de, warn­te Fran­zis­kus die Bot­schaf­ter des Hei­li­gen Stuhls, vor Kri­tik an sei­ner Per­son. Wört­lich sag­te das Kirchenoberhaupt:

„Es ist daher unver­ein­bar, ein Päpst­li­cher Reprä­sen­tant zu sein und den Papst hin­ter sei­nem Rücken zu kri­ti­sie­ren, einen Blog zu haben oder sich sogar Grup­pen anzu­schlie­ßen, die Ihm, der Kurie und der Kir­che von Rom feind­lich gesinnt sind.“

Die drit­te Per­son, in der Fran­zis­kus von sich selbst sprach, ist in der vati­ka­ni­schen Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung groß­ge­schrie­ben. Die Rede wur­de auf der offi­zi­el­len Inter­net­sei­te des Hei­li­gen Stuhls und in der heu­ti­gen Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no ver­öf­fent­licht. Dabei ist nicht zu ver­ges­sen, daß mit Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò, ein Apo­sto­li­scher Nun­ti­us im Ruhe­stand, Kri­tik am der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat mit der bis­her größ­ten Öffent­lich­keits­wirk­sam­keit übte und den Rück­tritt von Fran­zis­kus fordert.

Wenn der Papst zitiert, was er aus „psychischer Hygiene“ nicht liest

Bemer­kens­wer­ter­wei­se zitier­te Fran­zis­kus gestern vor den Nun­ti­en aber just eine jener Inter­net­sei­ten, von denen er – als Hand­lungs­an­wei­sung an die Jesui­ten (und nicht nur sie) – sag­te, sie gar nicht zu lesen. Der Hin­weis fin­det sich als Quel­len­an­ga­be in der Fuß­no­te 14. Bei der von Papst Fran­zis­kus zitier­ten Quel­le han­delt es sich um Cor­ri­spon­den­za Roma­na, deren Grün­der und Schrift­lei­ter, Prof. Rober­to de Mat­tei, einer der intel­lek­tu­ell füh­ren­den Kri­ti­ker des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats ist.

Fußnote 14: ein Aufsatz von Prof. Roberto de Mattei auf seiner Corrispondenza Romana.
Fuß­no­te 14: ein Auf­satz von Prof. Rober­to de Mat­tei auf Cor­ri­spon­den­za Romana.

Die­se „Pein­lich­keit“ ver­such­ten Berg­o­glia­ner sofort zurecht­zu­bie­gen, an erster Stel­le fin­det sich dabei ein­mal mehr Il Sis­mo­gra­fo, die irgend­wo zwi­schen vati­ka­ni­schem Staats­se­kre­ta­ri­at und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dik­aste­ri­um ange­sie­del­te, digi­ta­le Pres­se­schau, die von Luis Badil­la, einem ehe­ma­li­gen, chi­le­ni­schen Mini­ster der Volks­front­re­gie­rung von Sal­va­dor Allen­de gelei­tet wird. Dort wird in gewun­de­ner Form eine Ent­schul­di­gung gesucht, für den offen­sicht­lich in San­ta Mar­ta als skan­da­lös emp­fun­de­nen „Fau­pax“, eine so illu­stre und hono­ri­ge, intel­lek­tu­ell her­aus­ra­gen­de und zutiefst tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Quel­le wie den Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei zitiert zu haben:

„Nach zahl­rei­chen Kon­trol­len und Über­prü­fun­gen sind wir zu einem Schluß gelangt und legen ihn unse­ren Lesern vor, so wie sich die­se Über­zeu­gung in unse­rer Redak­ti­on in die­sen Stun­den gebil­det hat: Aller Wahr­schein­lich­keit nach war der Papst nicht auf ange­mes­se­ne Wei­se am Lau­fen­den, ohne voll­stän­di­ge Infor­ma­tio­nen und sich nicht ganz bewußt der wirk­li­chen Natur der in der Fuß­no­te 14 sei­ner Rede ver­wen­de­ten Quel­le bewußt.“

Luis Badil­la muß die­se For­mu­lie­rung Schweiß­per­len auf die Stirn getrie­ben haben. Es sei­en „so zahl­rei­che“ Hin­wei­se zu die­ser Quel­le ein­ge­gan­gen, daß sich Il Sis­mo­gra­fo zu einer Reak­ti­on genö­tigt sah, um das Image des Pap­stes zu schüt­zen. Prof. de Mat­tei wird von Badil­la als „anti-berg­o­glia­ni­scher, ita­lie­ni­scher Intel­lek­tu­el­ler“ vor­ge­stellt, „der in die­sen Jah­ren Papst Fran­zis­kus Anschul­di­gun­gen, Epi­the­ta, Adjek­ti­ve und Kri­ti­ken, oft mora­lisch aggres­siv und nicht sehr höf­lich gegen­über dem Bischof von Rom, nicht ersparte“.

Il Sismografo: halb-offiziöse Presseschau des Vatikans.
Il Sis­mo­gra­fo: halb-offi­ziö­se Pres­se­schau des Vatikans.

Was aber zitier­te Papst Fran­zis­kus aus der Cor­ri­spon­den­za Roma­na? Auf den ersten Blick „nur“ die Lita­nei der Demut von Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Rafa­el Mer­ry del Val (1865–1930). Fran­zis­kus emp­fiehlt sie den Apo­sto­li­schen Nun­ti­en mit dem Hin­weis, daß sie von einem „Kol­le­gen“ stammt, da Mer­ry del Val, Sohn eines spa­ni­schen Diplo­ma­ten, selbst vie­le Jah­re als Diplo­mat im Dienst des Hei­li­gen Stuhls stand. 

Der in der Quel­le zitier­te Auf­satz von Rober­to de Mat­tei über den spa­nisch-iri­schen Kar­di­nal umfaßt aber nicht nur die Lita­nei, son­dern eine Wür­di­gung des „wah­ren Ari­sto­kra­ten“, den der hei­li­ge Pius X., obwohl erst 38 Jah­re alt, zum vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­tär machte. 

Das rote Tuch für das Umfeld von Fran­zis­kus ist aller­dings Rober­to de Mat­tei, der zitier­te Autor selbst: Histo­ri­ker, Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor wie bereits sein Vater und Groß­va­ter, Abkömm­ling des sizi­lia­ni­schen Adels und einer der füh­ren­den Köp­fe der katho­li­schen Tra­di­ti­on. Über sie ver­faß­te er unter dem Titel „Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on“ ein Buch, das 2017 in der Über­set­zung des Theo­lo­gen und Phi­lo­so­phen Wolf­ram Schrems und mit einem Vor­wort des Schrift­stel­lers Mar­tin Mose­bach auch in deut­scher Spra­che her­aus­ge­ge­ben wur­de und als Stan­dard­werk zu betrach­ten ist.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shots)

Das Buch über unse­re Part­ner­buch­hand­lung bezie­hen:
Rober­to de Mat­tei: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on. Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Gri­gnon-Ver­lag, Alt­öt­ting 2017.

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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