Am 18. November 2025 veröffentlichte der bekannte Liturgiker Don Nicola Bux, ein Freund von Benedikt XVI., einen offenen Brief als Antwort auf die jüngsten Angriffe von Kardinal Blase Cupich, Erzbischof von Chicago, gegen den überlieferten Römischen Ritus:
An Seine Eminenz Kardinal Blase Cupich
Euer Hochwürdigste Eminenz!
„Ich glaube nämlich, Gott hat uns Apostel auf den letzten Platz gestellt, wie Todgeweihte; denn wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt, für Engel und Menschen“ (1 Kor 4,9). Diese Aussage des Apostels beschreibt die Identität des Christentums, sowohl in seiner Verkündigung des Evangeliums als auch im öffentlichen Gottesdienst der Kirche. Konzentriert man sich auf Letzteres, so kann man mit Recht sagen, daß die Liturgie das Schauspiel ist, das der Welt von denen dargeboten wird, die Christus anbeten, den einzigen Herrn des Kosmos und der Geschichte, zu dem sie gehören und nicht zur Welt. Daran erinnert der Ausdruck „liturgischer Dienst“, der wirklich zutreffend ist – anders als der heutzutage gebräuchliche Begriff „Animation“, als sei der Gottesdienst nicht bereits durch Jesus Christus und den Heiligen Geist belebt.
Nach den Zeiten der Verfolgung wurde dies offenkundig, denn die Christen verbrannten keinen Weihrauch vor dem römischen Kaiser, sondern vor Jesus, dem Sohn Gottes. Die katholische Liturgie trägt daher königliche und kaiserliche Züge – wie uns die östlichen Liturgien lehren –, weil der Gottesdienst im Widerspruch zu jedem Kult weltlicher Herrscher der jeweiligen Zeit steht.
Es ist nicht wahr, daß das Zweite Vatikanische Konzil eine arme Liturgie verlangte; es fordert vielmehr, daß „die Riten von edler Einfachheit geprägt seien“ (Konstitution über die Liturgie, 34), denn sie sollen von der Majestät Gottes sprechen, der selbst die edle Schönheit ist, und nicht von weltlichen Banalitäten. Die Kirche hat das seit ihren Anfängen verstanden, im Osten wie im Westen. Auch der heilige Franziskus schrieb vor, daß für die Anbetung die kostbarsten Leinen und Gefäße verwendet werden sollten.
Was ist also die „Teilnahme“ der Gläubigen anderes, als Teil zu sein und teilzunehmen an jenem „Schauspiel“ eines Glaubens, der Gott bekennt und damit die Welt und ihre profanen Shows herausfordert, die wirklich spektakulär sind: Man denke an Mega-Konferenzen oder Rockkonzerte. Die Liturgie bringt das Heilige zum Ausdruck, also die Gegenwart Gottes; sie ist keine Theateraufführung. Die vom Konzil gewünschte Teilnahme soll voll, bewußt, tätig und fruchtbar sein (ebd. 11 und 14) – also eine „Mystagogie“, ein Hineinführen in das Geheimnis, das durch preces et ritus – durch Gebete und Riten – geschieht und, wie der heilige Thomas betont, uns so weit wie möglich zur göttlichen Wahrheit und Schönheit emporheben soll (quantum potes tantum aude). Oder in den Worten des damaligen Paters Robert F. Prevost: „Unsere Mission besteht darin, die Menschen in das Wesen des Geheimnisses einzuführen als Gegengift zum Spektakel. Folglich muß die Evangelisierung in der modernen Welt geeignete Wege finden, um die Aufmerksamkeit des Publikums neu auszurichten, sie vom Spektakel zum Geheimnis hin zu verlagern“ (11. Mai 2012). Der usus antiquior des römischen Ritus erfüllt diese Aufgabe; sonst hätte er nicht der Säkularisierung des Heiligen widerstehen können, die in die römische Liturgie eingedrungen ist und viele glauben ließ, sie sei vom Konzil selbst gewollt worden. Das ist die Identität und die Sendung der Kirche.
Schließlich, Eminenz, lade ich Sie ein zu bedenken, daß die Liturgie seit den ältesten Zeiten feierlich gehalten wurde, um viele zum Glauben zu führen. Darum muß sie auch einen apologetischen Wert besitzen und darf nicht die Moden der Welt imitieren, wie uns der heilige Cyprian mahnt (Applaus, Tänze usw.) – bis hin zu den „Verformungen an der Grenze des Erträglichen“, die in den novus ordo eingedrungen sind, wie Benedikt XVI. bemerkte. Das ist die Echtheit der „heiligen Liturgie“; das ist die ars celebrandi, wie sie das Offertorium der Messe zeigt, das für die Bedürfnisse des Gottesdienstes und für die Armen dargebracht wird.
Daher bitte ich Euch, Eminenz, sich im Sinne des Wohls der kirchlichen Einheit auf einen synodalen Dialog einzulassen!
In Jesus Christus, dem Herrn
Don Nicola Bux
18. November 2015
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: sspx.news (Screenshot)

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