Von Wolfram Schrems*
Am letzten Oktoberwochenende fand bereits zum vierten Mal die Konferenz des Patrimonium Sancti Adalberti („Erbe des Hl. Adalbert“) in Prag statt. Das Thema in diesem Jahr war Central Europe On Its Own Path.
Diese interessante Initiative ist im deutschen Sprachraum kaum bekannt. Daher eine kurze Hintergrundinformation:
Im Juni 2020 konstituierte sich eine Gruppe von Persönlichkeiten des öffentlichen und akademischen Lebens in der Tschechischen Republik unter dem Patronat des heiligen Märtyrerbischofs Adalbert. Die Zielsetzung des Patrimonium Sancti Adalberti ist die verstärkte Zusammenarbeit der mitteleuropäischen Staaten bei Stärkung ihrer nationalen Identität und Souveränität auf der Grundlage des abendländisch-christlichen Erbes. Daß eine solche Initiative aus dem stark säkularisierten Böhmen kommt, mag manchen Beobachter überraschen.
Vorsitzender ist Tomáš Kulman, Manager in einem Energieunternehmen. Mitinitiatoren sind u. a. der Historiker und Künstler Petr Bahník, der katholische Dissident im Kommunismus und Universitätsprofessor für Geschichte Radomír Malý und der Historiker und Medienanalytiker Aleš Dvořák. Sie leisteten wichtige historische Arbeiten zu Person und Wirkung des hl. Adalbert (hier auf der Seite des Patrimonium, die großartige Broschüre kann man hier herunterladen, alle Texte in englischer Sprache). –
Der hl. Adalbert (ca. 956–997) wird in den böhmischen Ländern als Vojtěch, in Polen als Wojciech und in Ungarn als Béla verehrt. Er gilt (vermutlich legendarisch) als Taufspender von Vajk, dem Sohn des Ungarnfürsten Geysa und späteren hl. König Stephan. Der hl. Adalbert ist auch der inoffizielle Heilige der Visegrád-Staaten (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn), die ja durch das Wirken des Heiligen in bestimmter Hinsicht verbunden sind (frei paraphrasiert nach einem Vortrag von Staatspräsident a. D. Václav Klaus vor einigen Jahren in Deutschland). –
Konferenz unter dem Patronat des emeritierten Prager Erzbischofs Kardinal Duka (†)
Am 24. Oktober versammelten sich die Teilnehmer (nach Angaben des Veranstalters genau zweihundertfünf) aus zwölf mittel- und mittelosteuropäischen Staaten zu einem Streichkonzert und zur Verleihung der Auszeichnung Pretium Sancti Adalberti. Diese ging an den Philosophieprofessor Ryszard Legutko, Minister und Staatssekretär a. D. in der polnischen Regierung und Mitglied des Europäischen Parlaments a. D. Sein Buch Dämon der Demokratie wurde hier bereits vorgestellt. Das Patronat der Veranstaltung hatte der emeritierte Prager Erzbischof Dominik Kardinal Duka OP übernommen. Leider mußte er wegen einer Operation seine persönliche Teilnahme absagen. Als Vertreter des Kardinals nahm der Prager Weihbischof Zdeněk Wasserbauer teil. Wenige Tage darauf, am 4. November, verstarb Kardinal Duka. R. I. P. –
Am darauffolgenden Tag gaben im Rahmen eines Podiumsgesprächs unter der Leitung des tschechischen Journalisten (tschechische Abteilung von CNN Prima News) Petr Holec bedeutende Personen des öffentlichen Lebens ihrer jeweiligen Herkunftsländer Stellungnahmen ab. Unter ihnen waren Dimos Thanasoulas, der Vorsitzende der griechischen Partei Niki und Jurist am griechischen Höchstgericht, der rumänische Präsidentschaftskandidat George Simion, Umweltminister Tomáš Taraba aus der Slowakei, Krzysztof Bosak, Vorsitzender der EU-kritischen Partei Konfederacja und stellvertretender Marschall des polnischen Sejm, Karel Havlíček, früherer stellvertretender Ministerpräsident der Tschechischen Republik, Minister Boris Bratina aus Serbien und Nationalratsabgeordnete Susanne Fürst aus Österreich (FPÖ).
Man war sich einig, daß die Politik der Europäischen Union sehr unglücklich ist. Das betrifft vor allem den Niedergang der Wirtschaft im Zeichen der „Klima“-Ideologie und die Massenimmigration. Die Ukraine-Politik werde als Werkzeug zur weiteren Zentralisierung der EU genützt (Bosak). Wir Mitteleuropäer sollten die christlichen Werte, das Naturrecht und den freien Markt verteidigen.
Als Tenor zur Ukraine-Problematik konnte man heraushören, daß man weder Sympathien für die russische Führung empfindet, noch sich in einen Stellvertreterkrieg hineinziehen lassen will. Ersteres ist im ehemaligen Sowjetblock verständlich, zweiteres ist angesichts der Kriegshetze einiger westlicher Länder von existenzieller Bedeutung. –
Eine Wortmeldung vom Areopag
Besonders bemerkenswert erscheint die Stellungnahme von Dimos Thanasoulas. Dieser ist ausweislich seines Auftritts auf X „Δικηγόρος Παρ‘ Αρείω Πάγω“, also buchstäblich ein „Areopagit“ und damit gleichsam Nachfolger des hl. Dionysius Areopagita, des ersten Gläubigen Athens (Apg 17, 34).
Er sagte, daß die Einführung der ID in Griechenland eine „Orwellianische dystopische Zukunft“ bringen würde. Er verteidigte die Existenz von Grenzen, die „mit dem Blut unserer Väter gezogen wurden“. Das Christentum ist nach Thanasoulas „ein großer Vorteil“, da es uns zu „etwas Vollständigem“ gemacht habe. Es sei kein Zufall, daß das Christentum derzeit attackiert werde. Er verteidigte die Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten und rief dazu auf, ohne europäische Gelder leben zu lernen. Er kritisierte, daß die EU unverhältnismäßig beim Auftreten von Tierkrankheiten agiere. Es würden dann regelmäßig enorme Viehbestände vernichtet. In Griechenland führe das zu extremen Preissteigerungen beim Fleisch, sodaß sich Familien das kaum noch leisten könnten. Thanasoulas äußerte seine Vermutung, daß es darum gehe, den Menschen den Fleischkonsum aus ideologischen Gründen abzugewöhnen und gleichzeitig Kindern und Heranwachsenden notwendige Proteine vorzuenthalten. Das könne sich nur gesundheitsschädlich auswirken. Da werden wir ihm rechtgeben und uns gleichzeitig fragen, wo denn diese Krankheiten wieder herkommen. –
Die Einladung eines Repräsentanten Griechenlands, zuzüglich zur Einladung serbischer, rumänischer und bulgarischer Teilnehmer, erklärt sich möglicherweise aus der von den Veranstaltern wahrgenommenen Notwendigkeit, der neoosmanischen Balkanpolitik der derzeitigen türkischen Führung entgegenzutreten.
Austausch auf hohem Niveau, Wirkung in der Öffentlichkeit, Völkerfreundschaft
Am Nachmittag wurden Gespräche in drei Gruppen durchgeführt. Gemäß der Zielsetzung des Patrimonium besprach man sich nach Impulsreferaten von Fachleuten zu den Themen: (1) Gemeinsame Infrastruktur als Werkzeug für die nationale wirtschaftliche Entwicklung mit starken Multiplikatoreffekten, (2) Welches institutionelle Modell ist für eine engere Zusammenarbeit zwischen zentraleuropäischen Ländern am besten geeignet? und (3) Wiederherstellung nationalen Zusammenhaltes, die Rolle des Erziehungssystems und gemeinsamer Doktrin zu Mitteleuropa.
Als Beispiel positiver Beeinflussung der Politik im Sinne des Glaubens und der traditionellen Werte sei der Mitveranstalter Freiheit für alle aus Bulgarien genannt, dessen englischer Netzauftritt interessante Beiträge bietet. Weitere Mitveranstalter waren u. a. Österreichische Liga St. Georg und Forum Mitteleuropa (Österreich), Ordo Iuris (Polen), XXI. Század Intézet – XXI. Century Institute (Ungarn), Inštitut Ladislava Hanusa (Slowakei) und Organisationen aus Kroatien, Serbien, Rumänien, Italien und Slowenien.
Einer der bulgarischen Teilnehmer erzählte, daß an bulgarischen Schulen auch die Sprachen von Nachbarländern (Rumänien, Griechenland) unterrichtet würden. Diese Art Sprachkenntnis sei für eine Zusammenarbeit der mittel- und mittelosteuropäischen Länder sehr wichtig. Da hat er vollkommen recht, denn natürlich ist es bedauerlich, daß man sich auf der Konferenz außerhalb der eigenen Sprachgruppe praktisch nur auf Englisch verständigen konnte.
Ein Verdienst des Kongresses ist es unter anderem, daß Vertreter von Nationen zusammenkommen, deren gemeinsame Geschichte auch – teilweise vor kaum einem Menschenleben – Kriege, Greuel, Grenzstreitigkeiten, Vertreibungen und Ungerechtigkeiten erlebte. Die Absicht einer stärkeren Zusammenarbeit bei gleichzeitiger Eindämmung des Einflusses von ungewählten Eurokraten und Globalisten wird das Schlimme der Vergangenheit, an dem die jetzt Agierenden bekanntlich keine Schuld tragen, richtig einordnen und hoffentlich im Geist des Glaubens und der Gerechtigkeit überwinden.
Schlußerklärung
Am 25. Oktober wurde diese Schlußerklärung im Namen aller Teilnehmer verabschiedet (eigene, inoffizielle Übersetzung aus dem Englischen):
„Der Wandel in der globalen Ordnung von einem unipolaren zu einem multipolaren System und die schwerwiegenden Krisen in Ost- und Westeuropa zeigen, daß die Staaten Mittel- und Südosteuropas mit einer historischen Wahlmöglichkeit konfrontiert sind.
Wir wollen kein Scherz des Schicksals oder der Entscheidung anderer werden, sodaß unsere Region lediglich eine Pufferzone zwischen Ost und West sein wird, wo es auf Dauer keinen Platz für unsere Völker geben wird. Darum wollen wir uns auf unseren eigenen Weg machen und die wesentlichen nationalen Interessen verteidigen und das Überleben und die Entwicklung unserer Völker und Nationalstaaten sichern.
Darum wenden wir uns an die politischen Repräsentanten und an den privaten Sektor unserer Länder, daß sie die Zusammenarbeit auf allen Gebieten stärken mögen. Die Entwicklung von Handel und Unternehmertum, regionaler Sicherheit, Kultur, Wissenschaft und Erziehung kann nur die Bedeutsamkeit unserer Staaten und die Position unserer Region im Verhältnis zu anderen internationalen Akteuren stärken. Vieles kann schon heute gemacht werden. Die Wiederherstellung und Entwicklung des Regionalverkehrs und der Energieinfrastruktur beispielsweise wird die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand unserer Nationalstaaten stärken.
Die Zukunft unserer Nationalstaaten wird jedoch nicht bloß durch wirtschaftliche Entwicklung gesichert. Wir müssen die Staaten unserer Region moralisch und geistlich stark machen sowie genügend Mittel aufbringen, um die Interessen der Nationalstaaten zu verteidigen, was besonders für die heranwachsende Generation unserer Völker zur Aufgabe wird.
Es ist die Zeit für die Staaten Mitteleuropas gekommen, über eine mögliche zukünftige Institutionalisierung der Zusammenarbeit nachzudenken, die auf lange Sicht das friedliche Zusammenleben und den Schutz unserer Interessen in einer uns unfreundlich gesonnenen Welt sichern wird.
Wir rufen nicht zur Schaffung einer neuen supranationalen Bürokratie auf, sondern zur engeren internationalen Zusammenarbeit unserer Staaten.“
Resümee
Es ist erfreulich einen internationalen Kongreß zu erleben, dessen Teilnehmer ein angenehmes Auftreten haben, gebildet sind und vor allem bonae voluntatis erscheinen. Der Störversuch einer nicht angemeldeten Person wurde schnell abgestellt. Man traf auf keine für unsere Zeit so typischen Spötter und Stänkerer.
Bedauern wird man lediglich, daß das Erbe des hl. Adalbert, nämlich der Glaube der Kirche als solcher (und zwar zu Lebzeiten des Heiligen noch vor dem Schisma von 1054), wenig thematisiert wurde. Sicher wären Gebet und ausdrückliche Segensspendung durch den Herrn Weihbischof möglich und wünschenswert gewesen. Man könnte den Veranstaltern auch vorschlagen, eine hl. Messe im überlieferten Ritus, für den Sonntag, den Abreisetag, in der Nähe des Tagungsortes, zur Not in diesem selbst, zu organisieren.
Dank und Anerkennung an die Organisatoren für die professionelle Durchführung und an die Redner für ihre wichtigen Beiträge! Mögen diese Bemühungen zur größeren Ehre Gottes und zum zeitlichen Wohl der Völker und dem ewigen Heil der Seelen nützen.
Sancte Adalberte, ora pro nobis. –
Per 18.11.25 sind einige aktuelle Fernsehbeiträge auf dem YT-Kanal des Patrimoniums hochgeladen, sie können hier angesehen werden. Die englischsprachige Nachrichtenseite wird ebenfalls dauernd aktualisiert.
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., kirchlich gesendeter Katechist, Pro Lifer, Teilnehmer an der diesjährigen Konferenz des Patrimonium Sancti Adalberti, seit Jahren metapolitisch tätig.
Bild: psazs.cz

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