
Nachdem es am vergangenen Freitag im Petersdom zu einer beispiellosen Schändung des Papstaltares über dem Petrusgrab gekommen war, fand heute der für solche Entweihungen vorgeschriebene Bußritus statt.
Zum zweiten Mal in diesem Jahr mußte im Vatikan das Kapitel des Petersdomes einberufen werden, um den feierlichen Reinigungsritus zu vollziehen. Anlaß war eine neuerliche, verstörende Entweihung des heiligen Ortes: Ein junger Mann sprang am vergangenen Freitag über die Absperrungen, eilte zum Papstaltar über dem Petrusgrab, entkleidete sich teilweise und urinierte auf den Papstaltar. Sicherheitskräfte griffen sofort ein, überwältigten den Täter und führten ihn aus der Basilika. Nach bisherigem Kenntnisstand handelt es sich um einen Albaner aus dem Kosovo.
Die vatikanische Gendarmerie stellte seine Identität fest und übergab ihn anschließend der italienischen Polizei.
Fälle der Entweihung machen besondere liturgische Maßnahmen notwendig. Ein Bußritus ist zu vollziehen, ehe an dem betroffenen Ort erneut die heilige Liturgie gefeiert werden darf. Durch diesen Ritus wird Sühne geleistet und die Weihe des Ortes, das heißt seine Sakralität wiederhergestellt.
Im Caeremoniale Episcoporum heißt es hierzu:
„Eine Kirche gilt als entweiht, wenn dort in skandalöser Weise Handlungen gesetzt werden, die nach dem Urteil des zuständigen Ordinarius so schwerwiegend und dem heiligen Charakter des Ortes so entgegengesetzt sind, daß es nicht erlaubt ist, dort Gottesdienste zu feiern, bevor die Entweihung nicht durch einen Bußritus gesühnt wurde.“
Und weiter im Paragraph 1071:
„Die Entweihung der Kirche ist so bald wie möglich durch eine Bußfeier wiedergutzumachen. Bis zur Feier dieser Bußliturgie dürfen in der Kirche weder die Eucharistie noch andere Sakramente oder liturgische Handlungen gefeiert werden.“
Bei dem jüngsten Vorfall handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Bereits im Frühjahr war es zu einer Entweihung desselben Altares gekommen. Der Täter – ein Pole – behauptete später, mit seinem Auftritt gegen die russische Aggression in der Ukraine protestiert zu haben. Ein durchschaubarer Vorwand für eine sakrilegische Tat.
Umso erstaunlicher war die Reaktion des Erzpriesters von St. Peter, Kardinal Mauro Gambetti OFMConv., der sich damals wie folgt äußerte:
„Strukturen der Sünde haben eine Person dazu gebracht, die sich möglicherweise nicht gehört fühlte, auf die Nöte der Welt aufmerksam zu machen – etwa auf das Leid der Kinder in der Ukraine. Diese Person fühlte sich gedrängt, gehört zu werden, und beging dabei eine unangemessene, zutiefst anstößige Handlung – hier, am Altar der Konfession.“
Man staunte nicht schlecht: Der Erzpriester entschuldigte damit faktisch die Tat – nicht der Täter sei schuld, sondern „Strukturen der Sünde“, was immer genau das sein sollte. Konkret dürfte er den Ukraine-Krieg gemeint haben, möglicherweise gar Wladimir Putin. Damit stellte Gambetti jedoch das katholische Verständnis von persönlicher Schuld, freiem Willen und Sünde auf den Kopf. Die Folge: Verwirrung und ein wachsender Verlust des Bewußtseins für das Heilige.
Medien berichteten am Freitag, die Sicherheitskräfte hätten „rechtzeitig“ eingegriffen und „Schäden verhindert“. Gemeint war damit, daß der Marmor des Altars nicht beschädigt wurde. Doch eine solche Perspektive verfehlt das Wesen der Tat. Nicht eine mögliche Sachbeschädigung ist das eigentliche Verbrechen, sondern die Entweihung selbst. Die Berichterstattung offenbart ein erschreckendes Unverständnis für das Sakrale.
Heute morgen wurde nun zum zweiten Mal in diesem Jahr der vorgeschriebene Sühneritus in der Petersbasilika zelebriert – mit dem Glaubensbekenntnis, Bußgebeten sowie der Besprengung und Beräucherung des Altares.
Im Vatikan kündigte man eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen an, verwies jedoch zugleich auf die schiere Menge der täglichen Besucher – zwischen 50.000 und 100.000 Menschen strömen täglich in den Dom. Das Personal sei auf unterschiedlichste Vorfälle geschult, es gebe ein umfassendes Netz an Überwachungskameras. Dennoch sei der Petersdom ein „lebendiger Ort“, der seiner Bestimmung nur gerecht werde, wenn er zugänglich bleibe.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews (Screenshot)
Hinterlasse jetzt einen Kommentar