Frankreich verschärft Kontrollen an katholischen Schulen

Schutzpflicht oder Eingriff in die Lehrfreiheit?


Katholische Privatschulen sehen sich in Frankreich vom Staat nicht nur finanziell benachteiligt, sondern jüngst auch intensivierten Kontrollen ausgesetzt, die als übergriffig kritisiert werden
Katholische Privatschulen sehen sich in Frankreich vom Staat nicht nur finanziell benachteiligt, sondern jüngst auch intensivierten Kontrollen ausgesetzt, die als übergriffig kritisiert werden

In Frank­reich haben die staat­li­chen Bil­dungs­be­hör­den in den zurück­lie­gen­den Mona­ten ihre Kon­trol­len an pri­va­ten, staat­lich geför­der­ten Schu­len, über­wie­gend katho­li­scher Trä­ger­schaft, spür­bar ver­schärft. Als Begrün­dung wird das ent­setz­li­che Miß­brauchs­ge­sche­hen im Inter­nat Notre‑Dame de Bét­har­ram ange­führt, das nicht nur die öffent­li­che Debat­te über die Auf­sicht staat­lich geför­der­ter Bil­dungs­ein­rich­tun­gen neu ent­fach­te, son­dern zugleich die struk­tu­rel­len Män­gel der Kon­trol­len über Jahr­zehn­te hin­weg offen­leg­te. Gleich­wohl stellt sich die Fra­ge, ob die­se inten­si­vier­te Über­wa­chung tat­säch­lich der Schutz­pflicht dient oder viel­mehr einen Ein­griff in die Lehr­frei­heit bedeu­tet. Denn in Frank­reich gilt seit Anfang des zwan­zig­sten Jahr­hun­derts der Lai­zis­mus als Staats­dok­trin – eine Dok­trin, an der kir­chen­fer­ne Krei­se mit uner­bitt­li­cher Radi­ka­li­tät fest­hal­ten und auf die­se Wei­se ihre tief­ver­wur­zel­te Aver­si­on gegen die Kir­che, deren Wur­zeln bis ins acht­zehn­te Jahr­hun­dert zurück­rei­chen, demonstrieren.

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Die Reak­ti­on der staat­li­chen Schul­be­hö­re­de stößt jeden­falls auf wach­sen­de Kri­tik: Ver­tre­ter des katho­li­schen Schul­we­sens war­nen vor einer ideo­lo­gisch gepräg­ten Über­grif­fig­keit des Staa­tes und recht­li­chen Über­schrei­tun­gen sei­tens der Inspek­to­ren. Guil­laume Pré­vost, Gene­ral­se­kre­tär des Dach­ver­ban­des katho­li­schen Schu­len in Frank­reich Ens­eig­ne­ment Catho­li­que, berich­te­te vor der Kom­mis­si­on für Kultur‑ und Bil­dungs­fra­gen der Natio­nal­ver­samm­lung von Ein­schüch­te­run­gen, miß­bräuch­li­chen Kon­trol­len und teils rechts­wid­ri­gen Prak­ti­ken. Er for­der­te die Ein­set­zung einer par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­kom­mis­si­on, um die­se Vor­gän­ge ein­ge­hend zu prüfen.

Kontrollen nach Bétharram verschärft

Die fran­zö­si­sche Regie­rung hat­te nach Bekannt­wer­den der jah­re­lan­gen Miß­brauchs­fäl­le in Bét­har­ram einen ver­schärf­ten Prüf­plan ange­kün­digt: 40 Pro­zent der rund 7.500 staat­lich geför­der­ten Pri­vat­schu­len soll­ten inner­halb von zwei Jah­ren kon­trol­liert wer­den. Bis Ende 2025 sei­en bereits etwa tau­send Inspek­tio­nen durch­ge­führt wor­den, erklär­te Bil­dungs­mi­ni­ster Édouard Geffray. Ziel sei der Schutz der Schü­ler und die Sicher­stel­lung einer kor­rek­ten Ver­wen­dung öffent­li­cher Mit­tel. Gleich­zei­tig beton­te er, daß die Schu­len trotz staat­li­cher Vor­ga­ben und des Lai­zi­täts­prin­zips wei­ter­hin ihren recht­lich ver­an­ker­ten „eige­nen Cha­rak­ter“ behal­ten, wie es das Debré‑Gesetz vorsieht.

Vorwürfe rechtswidriger Befragungen und ideologischer Einflüsse

Kri­ti­ker wie Pré­vost berich­ten jedoch von weit­rei­chen­den Über­schrei­tun­gen der gesetz­li­chen Vor­ga­ben. In dem offi­zi­el­len Bericht von Ens­eig­ne­ment Catho­li­que heißt es, Inspek­to­ren sei­en wie­der­holt ohne vor­he­ri­ge Ankün­di­gung in Grup­pen in die Schu­len gekom­men, hät­ten Klas­sen­räu­me betre­ten, ohne sich aus­zu­wei­sen, Unter­richt unter­bro­chen, per­sön­li­che Unter­la­gen der Schü­ler ein­ge­se­hen und foto­gra­fiert sowie Lehr­kräf­te vor den ver­sam­mel­ten Schü­lern zu Befra­gun­gen gezwun­gen. Frag­wür­dig sei ins­be­son­de­re die Art man­cher Fra­gen gewe­sen, die sich auf die per­sön­li­chen reli­giö­sen Prak­ti­ken der Lehr­per­so­nen bezö­gen, etwa dar­auf, ob sie sonn­tags die Mes­se besuch­ten. Eini­ge Schul­lei­ter wür­den dazu gedrängt, christ­li­che Sym­bo­le zu ent­fer­nen oder auf sicht­ba­re reli­giö­se Bezü­ge im Unter­richt zu ver­zich­ten – ein Vor­ge­hen, das nach Ansicht katho­li­scher Ver­bän­de dem recht­lich geschütz­ten „eige­nen Cha­rak­ter“ der katho­li­schen Ein­rich­tun­gen wider­spricht und den lai­zi­sti­schen Cha­rak­ter des Staa­tes auf den pri­va­ten Bereich aus­wei­ten wolle.

Der Bericht zeich­net ein Bild von Demo­ra­li­sie­rung und Ver­trau­ens­ver­lust: Vie­le Lehr­kräf­te fühl­ten sich gede­mü­tigt, eini­ge Schul­lei­tun­gen stün­den kurz davor, ihre Ämter nie­der­zu­le­gen, weil sie die admi­ni­stra­ti­ve Bela­stung nicht mehr tra­gen könnten.

Reaktion des Bildungsministeriums und gespaltene Gewerkschaften

Das Bil­dungs­mi­ni­ste­ri­um räum­te mög­li­che „Abwei­chun­gen“ ein und erließ kla­re­re Richt­li­ni­en für die Inspek­to­ren, um die recht­li­chen Gren­zen zu ver­deut­li­chen. Ins­be­son­de­re sei jede Befra­gung, die dar­auf abzie­le, die Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit von Schü­lern und Leh­rern zu ermit­teln, strikt aus­ge­schlos­sen.

Die Reak­tio­nen der Gewerk­schaf­ten sind geteilt, wie das Land geteilt ist: Katho­lisch ori­en­tier­te Ver­bän­de wie Synep‑CGC unter­stüt­zen die Kri­tik und for­dern fai­re, ver­hält­nis­mä­ßi­ge Kon­trol­len, wäh­rend lai­zi­sti­sche Orga­ni­sa­tio­nen wie SE‑Unsa den katho­li­schen Schu­len Über­trei­bun­gen vor­wer­fen und den Kon­troll­pro­zeß als not­wen­dig anse­hen, um Miß­stän­de zu verhindern.

Ein politischer und gesellschaftlicher Kontext

Der Streit über die Kon­trol­len fällt zudem in eine Zeit, in der die katho­li­sche Schu­le in Frank­reich nicht nur wegen der Inspek­tio­nen, son­dern auch im brei­te­ren poli­ti­schen Dis­kurs unter Druck steht. Kon­ser­va­ti­ve Beob­ach­ter wer­fen lin­ken Par­tei­en und Gewerk­schaf­ten vor, das katho­li­sche Pri­vat­schul­we­sen ins­ge­samt in Fra­ge stel­len zu wol­len, weil es mit fast zwei Mil­lio­nen Schü­lern eine bedeu­ten­de gesell­schaft­li­che Rol­le spielt und als Hort tra­di­tio­nel­ler Wer­te gilt, der ein Dorn im Auge sei. Die Debat­te um die Kon­trol­len wird daher nicht allein als Fra­ge päd­ago­gi­scher Auf­sicht, son­dern als Aus­druck eines tie­fer lie­gen­den Kul­tur­kamp­fes gesehen.

Dar­über hin­aus beto­nen katho­li­sche Ver­bän­de, daß der Staat dem Ens­eig­ne­ment Catho­li­que noch erheb­li­che Gel­der schul­de und daß Ungleich­hei­ten in der Finan­zie­rung bestehen, was die Emp­find­lich­kei­ten wei­ter schärft. Im Klar­text: Das lai­zi­sti­sche Frank­reich för­dert die Schlech­ter­stel­lung des katho­li­schen Schulwesens.

Spannungsfeld zwischen Laizität und Lehrfreiheit

Die Aus­ein­an­der­set­zung illu­striert das Span­nungs­feld zwi­schen staat­li­cher Lai­zi­tät und der Frei­heit pri­va­ter Schu­len mit eige­nem päd­ago­gi­schem Pro­fil. Die katho­li­sche Kir­che betont, daß gesetz­li­che Vor­ga­ben nicht die Iden­ti­tät der Schu­len ver­wi­schen dür­fen. Mit die­ser Zusi­che­rung hät­ten die Lai­zi­sten Anfang des 20. Jahr­hun­derts die katho­li­sche Kir­che aus dem staat­li­chen Schul­we­sen ver­drängt. Nun ver­su­che man den Katho­li­ken selbst den pri­va­ten Bereich ein­zu­schrän­ken und zu neh­men. Pré­vost erklär­te: „Wir begrü­ßen Trans­pa­renz und legi­ti­me Kon­trol­len, doch wir wer­den unse­re Iden­ti­tät nicht auf­ge­ben und unse­re Lehr­kräf­te nicht demü­ti­gen las­sen.“

Solan­ge sich die mini­ste­ri­el­len Vor­ga­ben noch nicht flä­chen­deckend in der Pra­xis nie­der­schla­gen, ver­deut­licht der Fall eine wach­sen­de Ten­denz, admi­ni­stra­ti­ve Kon­trol­len als Druck­mit­tel ein­zu­set­zen – mit der Gefahr, die in der fran­zö­si­schen Gesetz­ge­bung garan­tier­te Frei­heit des Leh­rens auszuhöhlen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: ec75​.org (Screen­shot)

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