Mit auffälliger Genugtuung verkündete der Leiter des vatikanischen Presseamtes Matteo Bruni am 6. Dezember 2025 die „behördliche Anerkennung“ der bischöflichen Würde von Joseph Zhang Weizhu, Ordinarius der Apostolischen Präfektur Xinxiang, und gab zugleich dessen Emeritierung bekannt. Die lapidare Formulierung sollte einen Erfolg des Dialogs zwischen Rom und Peking suggerieren. Doch wer die Lage der Kirche in China kennt, weiß, daß sich hinter der höflichen diplomatischen Sprache ein Drama verbirgt: Der betroffene Bischof ist seit mehr als vier Jahren verschwunden – verhaftet, vermutlich inhaftiert, ohne jeglichen Kontakt selbst zur eigenen Familie. Dieses Detail vergaß Bruni zu erwähnen.
Daß man in Rom von „Zufriedenheit“ spricht, wirkt vor diesem Hintergrund wie eine bittere Ironie. Weder der Heilige Stuhl noch die Gläubigen der Diözese wissen offiziell, wo Bischof Zhang sich befindet oder in welchem Zustand er lebt. Die angebliche Anerkennung seiner „Würde“ bedeutet faktisch seine vollständige Ausschaltung aus dem kirchlichen und öffentlichen Leben. Ein Priester der Untergrundkirche brachte es gegenüber AsiaNews auf den Punkt: Der Bischof stehe unter strenger Überwachung, habe keinerlei Freiheit, seine Familie dürfe ihn nicht sehen, und dennoch werde der Welt verkündet, er sei nun „emeritiert“.
Msgr. Zhang Weizhu, 67 Jahre alt, war 1991 heimlich zum Bischof geweiht worden. Das kommunistische Regime erkannte ihn. wie so viele treue Bischöfe, nicht an, weil er die Unterwerfung unter die staatlich gesteuerte Patriotische Vereinigung verweigerte. Seit seiner Festnahme im Mai 2021 ist er vollständig isoliert und praktisch aus dem öffentlichen Bewußtsein und dem Leben der Kirche gelöscht worden.
Während der rechtmäßige Bischof in der Versenkung verschwindet, erfolgte am 5. Dezember 2025 die feierliche Weihe seines Nachfolgers Francis Li Jianlin. Der regimehörige Priester war von der Regierung in Peking ernannt worden. Rom hatte dessen Kandidatur – wie inzwischen zur Routine geworden – im Rahmen des Geheimabkommens mit der Volksrepublik China gebilligt. Peking hatte Li bereits Monate zuvor durch die regimekonforme „Kirchenkommission“ zum künftigen Bischof bestimmen lassen. Die vatikanische Erklärung beschränkte sich darauf mitzuteilen, der Heilige Vater habe Lis Ernennung bestätigt und den „Rücktritt“ von Bischof Zhang angenommen. Weder wurde ein ein Wort über dessen vierjährige Gefangenschaft verloren noch über die sehr ungewöhnliche Praxis, mit der seit 2018 in der Volksrepublik China Bischöfe ernannt werden.
Während staatliche Medien die Weihe als Triumph der „sinisierten“ katholischen Kirche feierten, verschwieg die offizielle kirchliche Internetseite des Regimes – auch das ist Standard – sowohl den Papst als auch den rechtmäßigen Vorgänger. Die Distanz zwischen diplomatischer Rhetorik und kirchlicher Realität könnte kaum größer sein.
Noch deutlicher wird die Kluft durch die Berichte der Untergrundkirche. Die gesamte Gemeinschaft der nichtoffiziellen Kirche wurde systematisch von der Feier ausgeschlossen. Auch der nun „anerkannte“ Bischof Zhang durfte der Weihe seines eigenen Nachfolgers nicht beiwohnen. Priester und Ordensfrauen erhielten keinerlei Information oder Einladung. Bekannte Laien wurden zu sogenannten „Präventivgesprächen“ vorgeladen oder kurzerhand festgesetzt, um ihre Teilnahme zu verhindern. Die gesamte Zeremonie stand unter strengster staatlicher Kontrolle. Ein Priester kommentierte bitter, man verliere nicht nur Transparenz und Respekt; man behandle eine Bischofsernennung wie irgendeinen staatlichen Verwaltungsakt und ebenso werde der nun emeritierte Bischof behandelt, aber nicht wie eine lebendige Person.
Unter solchen Umständen wird die Kirche in Xinxiang erneut in den Untergrund gedrängt – und das ausgerechnet am Tag eines von der Vatikandiplomatie gefeierten „Erfolges“.
Für viele chinesische Katholiken ist Bischof Zhang das „Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“. Sein Schicksal zeigt die inneren Widersprüche der neuen Ostpolitik, die von Papst Franziskus begonnen wurde, schonungslos auf. Rom akzeptiert seit 2018 bedingungslos die staatliche Logik, um eine formelle Einheit der Kirche herzustellen und zu wahren, die Einheit mit der regimehörigen Kirche namens Patriotische Vereinigung, die von Rom seit Franziskus nicht mehr schismatisch genannt wird, der der argentinische Papst den roten Teppich ausrollte, ohne daß es dafür eine Gegenleistung gegeben habe. Der Unterschied zu vorher besteht darin, daß Peking seit dem Geheimabkommen, seine einseitig ausgewählten Bischofskandidaten mit dem Segen Roms einsetzen kann.
Diejenigen, die jahrzehntelang im Gehorsam gegenüber dem Papst standen und dafür Verfolgung ertrugen, zahlen nun den Preis. In der chinesischen Untergrundkirche fragen sich zahlreiche Priester und Gläubige, welchen Stellenwert sie noch in ihrer eigenen Kirche haben. Was bedeutet Treue zu Rom, wenn Rom selbst keine sichtbare Treue gegenüber jenen zeigt, die für ihre Treue und Gemeinschaft mit Rom leiden?
Der Fall Xinxiang ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie asymmetrisch das 2018 geschlossene Abkommen funktioniert. Der Heilige Stuhl betont offiziell, es gehe um Einheit und die Vermeidung „irregulärer“ Weihen. In der Praxis jedoch gibt Rom fortlaufend nach, während die kommunistische Führung ungerührt ihre eigene Agenda durchsetzt: Anerkennung nur für regimekonforme Geistliche, Ausschaltung der Untergrundkirche, Festnahmen, Isolationshaft, Ausschluß legitimer Bischöfe aus ihren Diözesen. Die chinesische Regierung nutzt jeden Schritt Roms für die weitere staatliche Kontrolle der Kirche, während man in Rom das Wort „Dialog“ bemüht und Niederlagen und die eigene Ohnmacht feiert.
Im Vatikan rechnet man offenbar mit einer „Gegenleistung“. Mit welcher? Wie ein Korrespondent des spanischen Tageszeitung ABC berichtete, könne in den kommenden Wochen eine Freilassung Bischof Zhangs oder die Legalisierung eines weiteren Untergrundbischofs stattfinden. Damit auch er dann wiederum als Gegenleistung Roms emeritiert wird? Allein die Vorstellung, daß das Los eines katholischen Bischofs zum Verhandlungsgegenstand eines politischen Ausgleichs wird, zeigt die Tragik dieser Ostpolitik und erinnert an die mit dem einstigen Ostblock. Sie bestätigt jenen, die von Anfang an warnten wie Kardinal Joseph Zen, daß man Peking keine Hand reichen könne, ohne am Ende gefesselt zu sein.
Trotz aller Bitterkeit beten die Untergrundkatholiken für den neu geweihten Bischof Li Jianlin. Er wird – ob er es will oder nicht – zwischen zwei Welten stehen: der staatlichen Kontrolle einerseits und einer zerrissenen kirchlichen Gemeinschaft andererseits, die dringend der Hirtenfürsorge bedarf. Für viele bleibt der unsichtbare Bischof Zhang das geistliche Vorbild, dessen schweigendes Leiden zum Zeichen der Treue gegenüber Christus und seiner Kirche geworden ist.
Was sich in Xinxiang ereignet hat, ist alles andere als ein lokaler Zwischenfall. Es ist der sichtbarste Ausdruck einer bergoglianischen Politik, die seit 2018 konsequent auf Entgegenkommen gegenüber den kommunistischen Machthabern setzt – und vom Staatssekretariat mit bemerkenswerter Beharrlichkeit auch unter Leo XIV. fortgeführt wird. Die Realität jedoch zeigt sich ungeschminkt: Die Kommunistische Partei Chinas setzt ihre Linie ungebrochen fort, die Untergrundkirche wird marginalisiert und Rom verliert spürbar an moralischer Glaubwürdigkeit bei jenen Gläubigen, die über Jahrzehnte die größte Treue bewiesen haben.
Der Fall Zhang Weizhu ist ein Menetekel. Der Preis der diplomatischen Annäherung wird am Leib derer bezahlt, die für die Kirche in China die schwerste Last tragen. Am Ende bleibt weniger eine politische als eine geistliche Frage: Wie viel ist diese Einheit wert?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews

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