Der Preis der neuen Ostpolitik – ein Bischof verschwindet, ein anderer wird gefeiert

Xinxiang im Jahr 2025


Untergrundbischof Joseph Zhang Weizhu (links) , seit vier Jahren in Haft, wurde nun vom Regime "anerkannt", aber dafür vom Vatikan gleichzeitig emeritiert. Francis Li Jianlin (rechts) ist der vom Regime ernannte und vom Heiligen Stuhl bestätigte Nachfolger.
Untergrundbischof Joseph Zhang Weizhu (links) , seit vier Jahren in Haft, wurde nun vom Regime "anerkannt", aber dafür vom Vatikan gleichzeitig emeritiert. Francis Li Jianlin (rechts) ist der vom Regime ernannte und vom Heiligen Stuhl bestätigte Nachfolger.

Mit auf­fäl­li­ger Genug­tu­ung ver­kün­de­te der Lei­ter des vati­ka­ni­schen Pres­se­am­tes Matteo Bruni am 6. Dezem­ber 2025 die „behörd­li­che Aner­ken­nung“ der bischöf­li­chen Wür­de von Joseph Zhang Weiz­hu, Ordi­na­ri­us der Apo­sto­li­schen Prä­fek­tur Xinxiang, und gab zugleich des­sen Eme­ri­tie­rung bekannt. Die lapi­da­re For­mu­lie­rung soll­te einen Erfolg des Dia­logs zwi­schen Rom und Peking sug­ge­rie­ren. Doch wer die Lage der Kir­che in Chi­na kennt, weiß, daß sich hin­ter der höf­li­chen diplo­ma­ti­schen Spra­che ein Dra­ma ver­birgt: Der betrof­fe­ne Bischof ist seit mehr als vier Jah­ren ver­schwun­den – ver­haf­tet, ver­mut­lich inhaf­tiert, ohne jeg­li­chen Kon­takt selbst zur eige­nen Fami­lie. Die­ses Detail ver­gaß Bruni zu erwähnen. 

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Daß man in Rom von „Zufrie­den­heit“ spricht, wirkt vor die­sem Hin­ter­grund wie eine bit­te­re Iro­nie. Weder der Hei­li­ge Stuhl noch die Gläu­bi­gen der Diö­ze­se wis­sen offi­zi­ell, wo Bischof Zhang sich befin­det oder in wel­chem Zustand er lebt. Die angeb­li­che Aner­ken­nung sei­ner „Wür­de“ bedeu­tet fak­tisch sei­ne voll­stän­di­ge Aus­schal­tung aus dem kirch­li­chen und öffent­li­chen Leben. Ein Prie­ster der Unter­grund­kir­che brach­te es gegen­über Asia­News auf den Punkt: Der Bischof ste­he unter stren­ger Über­wa­chung, habe kei­ner­lei Frei­heit, sei­ne Fami­lie dür­fe ihn nicht sehen, und den­noch wer­de der Welt ver­kün­det, er sei nun „eme­ri­tiert“.

Msgr. Zhang Weiz­hu, 67 Jah­re alt, war 1991 heim­lich zum Bischof geweiht wor­den. Das kom­mu­ni­sti­sche Regime erkann­te ihn. wie so vie­le treue Bischö­fe, nicht an, weil er die Unter­wer­fung unter die staat­lich gesteu­er­te Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung ver­wei­ger­te. Seit sei­ner Fest­nah­me im Mai 2021 ist er voll­stän­dig iso­liert und prak­tisch aus dem öffent­li­chen Bewußt­sein und dem Leben der Kir­che gelöscht worden.

Wäh­rend der recht­mä­ßi­ge Bischof in der Ver­sen­kung ver­schwin­det, erfolg­te am 5. Dezem­ber 2025 die fei­er­li­che Wei­he sei­nes Nach­fol­gers Fran­cis Li Jian­lin. Der regi­me­hö­ri­ge Prie­ster war von der Regie­rung in Peking ernannt wor­den. Rom hat­te des­sen Kan­di­da­tur – wie inzwi­schen zur Rou­ti­ne gewor­den – im Rah­men des Geheim­ab­kom­mens mit der Volks­re­pu­blik Chi­na gebil­ligt. Peking hat­te Li bereits Mona­te zuvor durch die regime­kon­for­me „Kir­chen­kom­mis­si­on“ zum künf­ti­gen Bischof bestim­men las­sen. Die vati­ka­ni­sche Erklä­rung beschränk­te sich dar­auf mit­zu­tei­len, der Hei­li­ge Vater habe Lis Ernen­nung bestä­tigt und den „Rück­tritt“ von Bischof Zhang ange­nom­men. Weder wur­de ein ein Wort über des­sen vier­jäh­ri­ge Gefan­gen­schaft ver­lo­ren noch über die sehr unge­wöhn­li­che Pra­xis, mit der seit 2018 in der Volks­re­pu­blik Chi­na Bischö­fe ernannt werden.

Wäh­rend staat­li­che Medi­en die Wei­he als Tri­umph der „sini­sier­ten“ katho­li­schen Kir­che fei­er­ten, ver­schwieg die offi­zi­el­le kirch­li­che Inter­net­sei­te des Regimes – auch das ist Stan­dard – sowohl den Papst als auch den recht­mä­ßi­gen Vor­gän­ger. Die Distanz zwi­schen diplo­ma­ti­scher Rhe­to­rik und kirch­li­cher Rea­li­tät könn­te kaum grö­ßer sein.

Noch deut­li­cher wird die Kluft durch die Berich­te der Unter­grund­kir­che. Die gesam­te Gemein­schaft der nicht­of­fi­zi­el­len Kir­che wur­de syste­ma­tisch von der Fei­er aus­ge­schlos­sen. Auch der nun „aner­kann­te“ Bischof Zhang durf­te der Wei­he sei­nes eige­nen Nach­fol­gers nicht bei­woh­nen. Prie­ster und Ordens­frau­en erhiel­ten kei­ner­lei Infor­ma­ti­on oder Ein­la­dung. Bekann­te Lai­en wur­den zu soge­nann­ten „Prä­ven­tiv­ge­sprä­chen“ vor­ge­la­den oder kur­zer­hand fest­ge­setzt, um ihre Teil­nah­me zu ver­hin­dern. Die gesam­te Zere­mo­nie stand unter streng­ster staat­li­cher Kon­trol­le. Ein Prie­ster kom­men­tier­te bit­ter, man ver­lie­re nicht nur Trans­pa­renz und Respekt; man behand­le eine Bischofs­er­nen­nung wie irgend­ei­nen staat­li­chen Ver­wal­tungs­akt und eben­so wer­de der nun eme­ri­tier­te Bischof behan­delt, aber nicht wie eine leben­di­ge Person.

Unter sol­chen Umstän­den wird die Kir­che in Xinxiang erneut in den Unter­grund gedrängt – und das aus­ge­rech­net am Tag eines von der Vatikan­diplomatie gefei­er­ten „Erfol­ges“.

Für vie­le chi­ne­si­sche Katho­li­ken ist Bischof Zhang das „Lamm, das zur Schlacht­bank geführt wird“. Sein Schick­sal zeigt die inne­ren Wider­sprü­che der neu­en Ost­po­li­tik, die von Papst Fran­zis­kus begon­nen wur­de, scho­nungs­los auf. Rom akzep­tiert seit 2018 bedin­gungs­los die staat­li­che Logik, um eine for­mel­le Ein­heit der Kir­che her­zu­stel­len und zu wah­ren, die Ein­heit mit der regi­me­hö­ri­gen Kir­che namens Patrio­ti­sche Ver­ei­ni­gung, die von Rom seit Fran­zis­kus nicht mehr schis­ma­tisch genannt wird, der der argen­ti­ni­sche Papst den roten Tep­pich aus­roll­te, ohne daß es dafür eine Gegen­lei­stung gege­ben habe. Der Unter­schied zu vor­her besteht dar­in, daß Peking seit dem Geheim­ab­kom­men, sei­ne ein­sei­tig aus­ge­wähl­ten Bischofs­kan­di­da­ten mit dem Segen Roms ein­set­zen kann. 

Die­je­ni­gen, die jahr­zehn­te­lang im Gehor­sam gegen­über dem Papst stan­den und dafür Ver­fol­gung ertru­gen, zah­len nun den Preis. In der chi­ne­si­schen Unter­grund­kir­che fra­gen sich zahl­rei­che Prie­ster und Gläu­bi­ge, wel­chen Stel­len­wert sie noch in ihrer eige­nen Kir­che haben. Was bedeu­tet Treue zu Rom, wenn Rom selbst kei­ne sicht­ba­re Treue gegen­über jenen zeigt, die für ihre Treue und Gemein­schaft mit Rom leiden?

Der Fall Xinxiang ist ein exem­pla­ri­sches Bei­spiel dafür, wie asym­me­trisch das 2018 geschlos­se­ne Abkom­men funk­tio­niert. Der Hei­li­ge Stuhl betont offi­zi­ell, es gehe um Ein­heit und die Ver­mei­dung „irre­gu­lä­rer“ Wei­hen. In der Pra­xis jedoch gibt Rom fort­lau­fend nach, wäh­rend die kom­mu­ni­sti­sche Füh­rung unge­rührt ihre eige­ne Agen­da durch­setzt: Aner­ken­nung nur für regime­kon­for­me Geist­li­che, Aus­schal­tung der Unter­grund­kir­che, Fest­nah­men, Iso­la­ti­ons­haft, Aus­schluß legi­ti­mer Bischö­fe aus ihren Diö­ze­sen. Die chi­ne­si­sche Regie­rung nutzt jeden Schritt Roms für die wei­te­re staat­li­che Kon­trol­le der Kir­che, wäh­rend man in Rom das Wort „Dia­log“ bemüht und Nie­der­la­gen und die eige­ne Ohn­macht feiert.

Im Vati­kan rech­net man offen­bar mit einer „Gegen­lei­stung“. Mit wel­cher? Wie ein Kor­re­spon­dent des spa­ni­schen Tages­zei­tung ABC berich­te­te, kön­ne in den kom­men­den Wochen eine Frei­las­sung Bischof Zhangs oder die Lega­li­sie­rung eines wei­te­ren Unter­grund­bi­schofs statt­fin­den. Damit auch er dann wie­der­um als Gegen­lei­stung Roms eme­ri­tiert wird? Allein die Vor­stel­lung, daß das Los eines katho­li­schen Bischofs zum Ver­hand­lungs­ge­gen­stand eines poli­ti­schen Aus­gleichs wird, zeigt die Tra­gik die­ser Ost­po­li­tik und erin­nert an die mit dem ein­sti­gen Ost­block. Sie bestä­tigt jenen, die von Anfang an warn­ten wie Kar­di­nal Joseph Zen, daß man Peking kei­ne Hand rei­chen kön­ne, ohne am Ende gefes­selt zu sein.

Trotz aller Bit­ter­keit beten die Unter­grund­ka­tho­li­ken für den neu geweih­ten Bischof Li Jian­lin. Er wird – ob er es will oder nicht – zwi­schen zwei Wel­ten ste­hen: der staat­li­chen Kon­trol­le einer­seits und einer zer­ris­se­nen kirch­li­chen Gemein­schaft ande­rer­seits, die drin­gend der Hir­ten­für­sor­ge bedarf. Für vie­le bleibt der unsicht­ba­re Bischof Zhang das geist­li­che Vor­bild, des­sen schwei­gen­des Lei­den zum Zei­chen der Treue gegen­über Chri­stus und sei­ner Kir­che gewor­den ist.

Was sich in Xinxiang ereig­net hat, ist alles ande­re als ein loka­ler Zwi­schen­fall. Es ist der sicht­bar­ste Aus­druck einer berg­o­glia­ni­schen Poli­tik, die seit 2018 kon­se­quent auf Ent­ge­gen­kom­men gegen­über den kom­mu­ni­sti­schen Macht­ha­bern setzt – und vom Staats­se­kre­ta­ri­at mit bemer­kens­wer­ter Beharr­lich­keit auch unter Leo XIV. fort­ge­führt wird. Die Rea­li­tät jedoch zeigt sich unge­schminkt: Die Kom­mu­ni­sti­sche Par­tei Chi­nas setzt ihre Linie unge­bro­chen fort, die Unter­grund­kir­che wird mar­gi­na­li­siert und Rom ver­liert spür­bar an mora­li­scher Glaub­wür­dig­keit bei jenen Gläu­bi­gen, die über Jahr­zehn­te die größ­te Treue bewie­sen haben.

Der Fall Zhang Weiz­hu ist ein Mene­te­kel. Der Preis der diplo­ma­ti­schen Annä­he­rung wird am Leib derer bezahlt, die für die Kir­che in Chi­na die schwer­ste Last tra­gen. Am Ende bleibt weni­ger eine poli­ti­sche als eine geist­li­che Fra­ge: Wie viel ist die­se Ein­heit wert?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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