
Von Fabio Fuiano*
Am Montag, dem 13. Oktober, empfing Papst Leo XIV. im Vatikan Angehörige der Familie Merry del Val sowie die Teilnehmer des Symposiums, das dem Diener Gottes Rafael Kardinal Merry del Val, anläßlich seines 160. Geburtstags, gewidmet war.
In seiner Ansprache zeichnete der Heilige Vater ein eindrucksvolles Porträt des Kardinals und erinnerte an ihn als „ein williges Werkzeug im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls“, dem es gelang, kirchliche Kompetenz mit einem tiefen geistlichen und pastoralen Leben zu verbinden.
Merry del Val wurde 1865 in London als Sohn eines spanischen Diplomaten und einer englischen Mutter geboren. Er wuchs in einem kosmopolitischen Umfeld auf, das ihn zur Offenheit und zum Dialog erzog. „Er atmete von Jugend an den universalen Geist“, sagte der Papst, „den er später als Berufung der Kirche erkennen sollte.“
Auf Wunsch Leos XIII. wurde er mit heiklen Missionen betraut und später als Apostolischer Delegat nach Kanada entsandt. Merry del Val wirkte für die Einheit der Kirche und für die katholische Bildung. Bereits mit 38 Jahren wurde er von Papst Pius X. zum Staatssekretär und Kardinal ernannt – eine Anerkennung seiner Weisheit und Hingabe. „Seine Jugend war kein Hindernis, denn wahre Reife bemißt sich nicht am Lebensalter, sondern an der Identifikation mit der Fülle Christi“, so Leo XIV. Der Papst betonte zudem, daß der Kardinal „kein reiner Schreibtischdiplomat“ war, sondern ein Seelsorger, der dem Volk nahestand – insbesondere den Kindern und Jugendlichen von Trastevere, denen er liebevoll den Katechismus lehrte und die Beichte abnahm. „Er verstand es“, so der Pontifex, „den Dienst an der Weltkirche mit konkreter Zuwendung zu den Geringsten zu vereinen.“
Zu den bewegendsten Momenten der Ansprache gehörte der Bezug auf die Litanei der Demut, ein von Merry del Val verfaßtes Gebet, das zum Sinnbild seines Geistes aus dem Evangelium wurde. Papst Leo XIV. zitierte einige der Anrufungen, darunter:
- „Vom Wunsch, gelobt zu werden – erlöse mich, Jesus!“
- „Vom Wunsch, gefragt zu werden – erlöse mich, Jesus!“
- „Von der Furcht, gedemütigt zu werden – erlöse mich, Jesus!“
- „Vom Wunsch, angenommen zu werden – erlöse mich, Jesus!“
Er unterstrich, daß der Kardinal „seine Sendung in Treue zum Evangelium und mit innerer Freiheit lebte – nicht vom Wunsch zu gefallen geleitet, sondern von der Wahrheit, stets getragen von der Liebe. Er erkannte, daß die Fruchtbarkeit christlichen Lebens nicht von menschlicher Anerkennung abhängt, sondern von der Ausdauer dessen, der – wie der Rebzweig mit dem Weinstock – mit Christus verbunden ist und zur rechten Zeit Frucht bringt (vgl. Joh 15,5).“
Der Heilige Vater erinnerte ferner an zwei Leitsätze, die das Leben des Kardinals zusammenfassen: sein Wahlspruch „Da mihi animas, cetera tolle“ („Gib mir die Seelen, alles andere nimm mir“) sowie der abschließende Satz der Litanei: „Mögen die anderen heiliger sein als ich, solange ich nur ganz so heilig bin, wie ich sein kann.“ Diese Leitsätze, so erklärte der Papst, „bezeugen einen reifen Glauben, der Heiligkeit nicht als Wettkampf, sondern als Gemeinschaft versteht“.
Zum Abschluß rief Leo XIV. die Anwesenden dazu auf, sich von Merry del Val als Vorbild für Treue, Diskretion und Demut inspirieren zu lassen. „Die Jungfrau Maria, die er mit zärtlicher kindlicher Liebe verehrte“, so der Papst, „möge allen, die der Kirche dienen, beibringen, Wahrheit und Liebe, Klugheit und Kühnheit, Dienst und Demut zu vereinen, damit in allem allein Christus sichtbar werde.“
Zu Beginn der Audienz überreichte Prof. Roberto de Mattei dem Papst ein Exemplar seiner Biografie über Kardinal Merry del Val, die 2024 im Verlag Sugarco in Italien erschienen ist, sowie eines der ersten Exemplare der englischen Übersetzung, die im September in den USA vom Sophia Institute veröffentlicht wurde.
Bereits am Samstag, dem 11. Oktober, hatte im Päpstlichen Spanischen Kolleg St. Josef eine Gedenkveranstaltung zur Würdigung der Persönlichkeit sowie des geistlichen und politischen Erbes des Kardinals stattgefunden.
Die Tagung wurde von Msgr. Carlos Comendador Arquero, dem Rektor des Kollegs, eröffnet, der die drei Hauptaspekte im Leben des Kardinals vorstellte, auf die sich das Symposium konzentrierte: die persönliche Dimension, das priesterliche Wirken und das diplomatische Engagement.
Im ersten Beitrag zeichnete Domingo Merry del Val ein menschliches und spirituelles Profil seines bedeutenden Vorfahren und hob dessen tief empfundene priesterliche Berufung hervor. Besonderes Augenmerk galt der engen Verbindung zu Papst Pius X., an dessen Seite Merry del Val als Staatssekretär wirkte und dessen kirchliche Vision – insbesondere im Kampf gegen den Modernismus – er vollständig teilte.
Dr. Antonello Blasi widmete sich der diplomatischen Tätigkeit des Kardinals und beleuchtete insbesondere das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Serbien – das einzige, das während des Pontifikats von Pius X. unterzeichnet wurde. In einer Zeit, die vom starken Antiklerikalismus und dem Fehlen eines völkerrechtlich anerkannten Kirchenstaates geprägt war, gelang es durch Merry del Vals diplomatisches Geschick, ein Abkommen mit Serbien zu schließen, ohne Spannungen mit dem österreichisch-ungarischen Kaiserreich zu provozieren – und damit der Kirche in Serbien Religionsfreiheit zu sichern.
Nach einer kurzen Pause, in der die Teilnehmer persönliche Gegenstände des Kardinals bewundern konnten – darunter der Altar seiner Privatkapelle, sein Bett, Alltagsutensilien und ein Gemälde des Dieners Gottes, das die Schmerzensreiche Muttergottes zeigt – wurde das Symposium mit dem Vortrag von Prof. José Luis Llaquet de Entrambasaguas fortgesetzt, der sich mit dem Verhältnis von Merry del Val zu Spanien befaßte. Der Referent erinnerte an dessen Verbundenheit mit dem Jesuitenorden, seine Verehrung des hl. Ignatius von Loyola sowie seinen Einfluß auf spanische Diplomaten und Politiker seiner Zeit.
Dr. Andrea Canali wiederum würdigte die Beziehungen zwischen Kardinal Nicola Canali und Kardinal Merry del Val. Beide suchten in der „Heiligen Talebene“ von Rieti, dem Herzen des Franziskanerordens, geistliche Einkehr. In Fonte Colombo, einem der symbolträchtigen Orte dieser Region, ist bis heute eine Gedenktafel erhalten, die von den dortigen Ordensbrüdern Merry del Val gewidmet wurde. Canali hob zudem die bedeutsame zeitliche Koinzidenz zwischen diesem Gedenken und der im September in Italien erfolgten Wiedereinführung des 3. Oktobers, des Todestages des heiligen Franz von Assisi, als Nationalfeiertag zu Ehren des berühmten Heiligen hervor, der vor wenigen Tagen endgültig durch Staatspräsident Sergio Mattarella gesetzlich verankert wurde und ab 2026 in Geltung sein wird. Der Feiertag bestand bereits bis 1977, als er abgeschafft wurde.
Den Abschluß der Tagung bildete der Beitrag von Prof. Roberto de Mattei, Biograf des Kardinals, der darauf hinwies, daß Merry del Val trotz seiner zentralen Rolle im Leben der damaligen Kirche bislang kaum von Historikern untersucht worden sei – weshalb seine Gestalt von einem gewissen „Geheimnis“ umgeben bleibe. Gleichwohl unterstrich de Mattei, daß der Kardinal eine Art „Personifikation der Römischen Kurie“ darstelle, indem er alle Dimensionen der „Romanität“ verkörpere: die institutionelle, die lehrmäßige und die liturgische. Die erste, verstanden als Zugehörigkeit zur sichtbaren, hierarchischen Kirche unter der Führung des Papstes; die zweite als Treue zum Lehramt der Kirche in seinem Kampf gegen Irrlehren, insbesondere den Modernismus, gegen den Merry del Val auch als Sekretär des Heiligen Offiziums entschieden vorging; und die dritte, die er mit besonderer Intensität als Erzpriester des Petersdoms lebte. Merry del Val – so das Fazit de Matteis – vereinte in sich die Liebe zur liturgischen Pracht mit einer tiefen persönlichen Demut und wurde so zu einem leuchtenden Beispiel gelebten Christentums, fest verwurzelt in der Tradition und im Geist der Kirche von Rom.
*Fabio Fuiano hat an der Universität Roma Tre einen Master in Bioingenieurwesen erworben. Derzeit ist er Doktorand in Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen an der gleichen Universität. Er ist Vorsitzender der universitären Pro-Life-Bewegung „Universitari per la Vita“.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
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