Von Roberto de Mattei*
Ein wenig bekanntes Kapitel der Kirchengeschichte ist das der katholischen Geheimgesellschaften, die im Laufe der Jahrhunderte – von der Zeit der Reformation bis hin zur Epoche des Modernismus – gegen die Revolution kämpften. Eine der ersten und bekanntesten war die Compagnie du Saint-Sacrement, die Gesellschaft vom Heiligsten Sakrament, die im Jahre 1628 in Paris von Henri de Lévis, Herzog von Ventadour (1596–1680), gegründet wurde.
Sie vereinte die glühendsten Seelen Frankreichs mit dem Ziel, „alles Gute zu tun, das möglich ist, und alles Böse fernzuhalten, das möglich ist – zu jeder Zeit, an jedem Ort, gegenüber jedermann“. Ihr Wahlspruch lautete:
„Facere et pati fortia catholicum est.“
„Es ist einem Katholiken eigen, starke Taten zu vollbringen und stark zu leiden“
(vgl. René Taveneaux: La Compagnie du Saint-Sacrement (1629–1667), Armand Colin, Paris 1960).
Die Gipfel christlicher Vollkommenheit sind stets vom Duft des Geheimnisses umgeben. Deshalb gebot Jesus auf dem Berg Tabor – nachdem er Petrus, Jakobus und Johannes seine Herrlichkeit offenbart hatte – ihnen: „Erzählt niemandem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist“ (Mk 9,9). Auch nach dem Bekenntnis des Petrus („Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, Mt 16,20) untersagte Jesus den Jüngern, öffentlich zu sagen, daß er der Messias sei.
Ebendieser Geist des Verborgenseins wurde zur Grundregel der Gesellschaft vom Heiligsten Sakrament. Das Geheimnis schützte nicht nur die Spiritualität und die Freiheit des Handelns der Mitglieder – unter ihnen viele Adelige, Richter und hohe kirchliche Würdenträger –, sondern bewahrte sie auch vor den Intrigen und Anfeindungen ihrer Gegner, darunter auch Feinde innerhalb der Kirche selbst.
Das Zentrum der Gesellschaft befand sich im Kapuzinerkloster von Faubourg Saint-Honoré, und ihre Leitung lag in den Händen von Laien. Unter diesen ragt besonders der Baron Gaston de Renty (1611–1649) hervor – einer der großen Förderer der katholischen Erneuerung im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Von 1639 bis zu seinem Tod war er nicht weniger als elf Mal Oberer der Gesellschaft vom Heiligsten Sakrament, deren Vorsitz jährlich wechselte (vgl. Raymond Triboulet: Gaston de Renty, Beauchesne, Paris 1991).
Renty war ein verheirateter Laie, von tiefem innerem Leben und apostolischem Eifer erfüllt. Er war geistlicher Begleiter zahlreicher Ordensfrauen, darunter auch die ehrwürdige Margareta vom Heiligsten Sakrament, eine Karmelitin aus Beaune, deren heroischer Tugendgrad anerkannt wurde. Der Jesuit Jean-Baptiste Saint-Jure hinterließ uns eine bedeutende Biographie von Baron de Renty, in der er ihn als „ein vollkommenes Modell christlicher Heiligkeit“ beschreibt (La vie de monsieur Renty, ou le modèle d’un parfait chrétien, Le Petit, Paris 1651).
Die Treffen der Gesellschaft fanden donnerstags statt – dem Tag, der dem Allerheiligsten Altarsakrament geweiht ist. Sie begannen mit einem Gebet zum Heiligsten Sakrament, behandelten verschiedene Vorhaben der Frömmigkeit und Caritas und schlossen mit dem Psalm Laudate Dominum omnes gentes.

Der französische König Ludwig XIII. wurde über Existenz und Ziele der Gesellschaft informiert und bat den Erzbischof von Paris um deren kirchliche Anerkennung. Dieser verweigerte sie. Der Apostolische Nuntius Msgr. Gianfrancesco Guidi di Bagno, der von 1645 bis 1656 in Paris wirkte, hingegen nahm häufig an den Sitzungen teil. Doch Rom erkannte die Gesellschaft nie durch ein offizielles Dokument an.
Zu den Verdiensten der Gesellschaft zählt die Gründung des Allgemeinen Armenspitals (Hôpital Général) von Paris, des Seminars der Auslandsmissionen sowie die Unterstützung zahlreicher caritativer Werke – darunter insbesondere das Werk des hl. Vinzenz von Paul (1581–1660). Zwar war die Organisation primär caritativ tätig, doch trat sie auch aktiv dem Hugenottentum entgegen, um den katholischen Glauben Frankreichs zu bewahren.
Es bestanden in Frankreich nahezu sechzig Zweigstellen der Gesellschaft, von denen etwa dreißig selbst den Bischöfen unbekannt waren. Im Jahr 1659 fand in Paris ein vielbeachteter Generalkongreß statt – „der kämpferische Katholizismus musterte seine Truppen“, wie Msgr. Pietro Amato Frutaz schrieb (Enciclopedia Cattolica, Bd. IV, 1950, Sp. 79–80). Doch schon im folgenden Jahr wurde das Geheimnis gelüftet: Ein königliches Dekret unter Premierminister Kardinal Jules Mazarin untersagte sämtliche Versammlungen. De facto bestand die Gesellschaft noch bis etwa 1670 weiter; in den Provinzen wirkten ihre Ableger noch viele Jahre, ohne völlig zu erlöschen. Ihre Gegner – insbesondere Jansenisten und Rom-feindliche Kreise – bezeichneten sie abschätzig als „Cabale des dévôts“, als „die Kabale der Frommen“.
Obwohl sie von Laien geleitet wurde, zählte die Gesellschaft des Heiligsten Sakraments auch bedeutende Geistliche zu ihren Mitgliedern. Neben dem hl. Vinzenz von Paul ist besonders der hl. Johannes Eudes (1601–1680) zu nennen – ein großer Verfechter der Herz-Jesu- und Herz-Marien-Verehrung. Eudes wurde tief geprägt von der Mystikern Marie des Vallées, einer Laiin, auch bekannt als „die Heilige von Coutances“, nach dem Ort in der Normandie, wo sie 1590 geboren wurde.
Diese Begegnung prägte sein ganzes Leben. Eudes war ihr eng verbunden, begleitete sie bis zu ihrem Tod und verteidigte sie gegen Verleumdungen und Mißverständnisse. Ihre Biographie verfaßte niemand anderes als Baron de Renty, der zugleich ihr Freund und Oberer der Gesellschaft war.
Die Achse im Leben der Marie des Vallées war die bedingungslose und selbstlose Unterwerfung des Willens unter die göttliche Gerechtigkeit, welche die Sünde, laut den Offenbarungen der Mystikerin, durch drei Sintfluten auszutilgen beabsichtige:
- die des Vaters – eine Sintflut des Wassers;
- die des Sohnes – eine Sintflut des Blutes;
- die des Heiligen Geistes – eine Sintflut des Feuers.
Der Widerhall dieser Prophetie findet sich in der „Feurigen Bitte“ des hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort sowie in seinem Werk „Abhandlung über die wahre Marienverehrung“, in dem er schreibt: „Am Ende der Welt werden der Allerhöchste und seine heilige Mutter große Heilige erstehen lassen, die in ihrer Heiligkeit die meisten bisherigen Heiligen überragen werden, so wie die Zedern des Libanon die kleinen Büsche überragen – wie es einer heiligen Seele offenbart wurde, deren Leben von Monsieur de Renty beschrieben wurde“ (Nr. 49).
Die Seiten des hl. Ludwig Maria von Montfort atmen den Geist der Gesellschaft vom Heiligsten Sakrament weiter – ein Modell katholischer Gemeinschaft, das besonders in Zeiten schwerer religiöser und moralischer Krisen neue Aktualität gewinnt.
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
