
Rom ist wie immer reich an Gerüchten. Eines der jüngsten besagt, daß Papst Leo XIV. seine erste Auslandsreise plane, die ihn vermutlich nach Algerien führen soll, an den Geburts- und Sterbeort des heiligen Augustinus, eines der vier lateinischen Kirchenväter, dessen Regel dem Augustinerorden zugrunde liegt, dem Leo XIV. bis zu seiner Wahl angehörte.
Bekannt ist, daß der neue Papst anläßlich des 1700-Jahr-Gedenkens an das Konzil von Nicäa den Austragungsort jenes denkwürdigen ersten ökumenischen Konzils der Kirchengeschichte besuchen möchte, das sich in der heutigen Türkei befindet. Der November war dafür anvisiert worden, doch ein genauer Termin wurde noch nicht bestätigt.
Allein aus zeitlichen Gründen erscheint es daher eher unwahrscheinlich, daß Leo XIV. seine „erste Auslandsreise“ nach Algerien unternehmen könnte. Dennoch wäre es ein Paukenschlag, denn Augustinus und seine Diözese Hippo erinnern an eine Zeit, als der Norden Afrikas noch christlich war. Der Besuch in einem heute mehrheitlich islamischen Land würde an die Bemühungen seiner Vorgänger anknüpfen, in einen Dialog mit dieser nachchristlichen Religion zu treten.
Augustinus bleibt bis heute ein mächtiger Glaubenszeuge, während die Ruinen seiner Bischofskirche in Hippo Regius, nahe dem heutigen Annaba, ein stummer Zeuge der christlichen Vergangenheit Nordafrikas sind. Diese würde durch einen Papstbesuch wieder in den Fokus gerückt. Selbst viele Christen wissen nicht, daß Ägypten, Libyen und der Maghreb, insgesamt große Teile des berberischen und arabischen Raums, einst christlich waren. Augustinus’ Bischofsstadt wurde in der Spätantike von den germanischen Vandalen erobert, die ein Mittelmeerreich errichteten. Während dieser Belagerung im Jahre 430 verstarb der Kirchenvater. Seine Stadt blieb erhalten und wurde später Teil des Byzantinischen Reiches. Im Zuge der islamischen Eroberung wurde sie jedoch 647 von muslimischen Truppen völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut.
Die nahegelegene Hafenstadt Annaba ist eine erst im 11. Jahrhundert erfolgte Neugründung, die in keiner Kontinuität mit Hippo steht. Erst im Zuge der französischen Kolonialpolitik wurde Annaba, von den Franzosen Bône genannt, zur Stadt und hatte um 1900 eine europäische Bevölkerungsmehrheit.
Die Gebeine des heiligen Augustinus wurden nach der islamischen Eroberung nach Sardinien in Sicherheit gebracht und von dort im Auftrag des Langobardenkönigs Liutprand nach Pavia übergeführt. In der ab 1881 inmitten der Ruinen von Hippo errichteten katholischen Basilika Saint Augustine wird eine Reliquie des Kirchenvaters aufbewahrt, die bereits 1842 aus Pavia nach Annaba gebracht worden war. Archäologen konnten Ruinen der Bischofskirche und des Bischofspalastes der Stadt freilegen, die auch dem heiligen Augustinus gedient hatten.
Die seit Johannes Paul II. unternommenen Versuche, mit dem Islam in einen Dialog zu treten, waren von sehr unterschiedlicher Qualität und auch von einigen Pannen begleitet, wie etwa dem Korankuß des polnischen Papstes oder den Fußwaschungen und möglicherweise auch Kommunionspendungen an muslimische Gefangene bei den berüchtigten Gründonnerstagsbesuchen von Franziskus. Der argentinische Papst unterzeichnete sogar zusammen mit dem Großimam der Al-Azhar-Moschee in Kairo das im Vatikan formulierte Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen, auch als Abu-Dhabi-Dokument bekannt, das eine eindeutig häretische Passage enthält. Dahinter steht das zweifelhafte Projekt einer Zusammenführung der sogenannten abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum, Islam), ein sehr neuer Begriff, der zwar schon im 19. Jahrhundert im wissenschaftlichen Diskurs auftauchte, aber erst langsam eingeführt wurde und erst in den letzten Jahren im öffentlichen Diskurs an Bedeutung gewann.
Benedikt XVI. hinterließ hingegen mit seiner historischen Regensburger Rede klar formulierte Koordinaten, die im Widerspruch zur Gestenpolitik seines Vorgängers und Nachfolgers standen – und dem deutschen Papst große Anfeindungen einbrachten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons