
Von Giuseppe Brienza*
Die katholische Kirche stellte in allen Ländern Mittel- und Osteuropas, die im 20. Jahrhundert unter das sowjetische Joch geraten waren, die einzige unabhängige gesellschaftliche Organisation dar – und wurde von den kommunistischen Machthabern von Anfang an bekämpft. Als Folge der fünfzigjährigen Verfolgung, die ununterbrochen bis zum Fall der Berliner Mauer im Herbst 1989 andauerte, entstand eine lange Reihe von Märtyrern und Heiligen, die seit Johannes Paul II. zur Ehre der Altäre erhoben wurden.
Auch Leo XIV. bildet hier keine Ausnahme: Bereits im ersten Monat seines Pontifikats genehmigte er die Seligsprechung von Priestern und Ordensleuten, die diesseits des Eisernen Vorhangs als Märtyrer des Glaubens gestorben sind. Am 2. Juni feierte er zudem einen bedeutsamen „Gedenkakt“ in der Sixtinischen Kapelle zu Ehren des seligen Kardinals Iuliu Hossu (1885–1970), griechisch-katholischer Bischof von Cluj-Gherla (Klausenburg und Neuschloß), Hirte und Märtyrer während der kommunistischen Verfolgung in Rumänien.
Bei dieser Gelegenheit bezeichnete Leo XIV. das Zeugnis des rumänischen Bischofs – der 1969 von Paul VI. in pectore zum Kardinal ernannt wurde, während er wegen seiner Treue zur Kirche Roms im Gefängnis saß – als „ein Zeugnis des gelebten Glaubens bis zum Äußersten, im Gebet und in der Hingabe an den Nächsten“ (Leo XIV.: Apostel der Hoffnung, um jeder Gewalt zu widersagen, L’Osservatore Romano, 3. Juni 2025, S. 2). An der Zeremonie, die im Rahmen des vom rumänischen Parlament ausgerufenen „Nationalen Jahres des Kardinals Iuliu Hossu“ zum 140. Geburtstag des Seligen stattfand, nahmen sowohl Bischof Cristian Crișan von der griechisch-katholischen Kirche Rumäniens als auch Silviu Vexler, Vorsitzender der Föderation der Jüdischen Gemeinden in Rumänien, teil. Denn wie der Papst erinnerte, habe Hossu „dazu beigetragen, Tausende von Juden aus dem nördlichen Siebenbürgen vor dem Tod zu retten“, indem er deren Deportation in Vernichtungslager verhinderte.
Zwei Tage vor der Gedenkfeier im Vatikan für den rumänischen Seligen wurde am 31. Mai im ostpreußischen Braunsberg (heute Braniewo in Polen) Schwester Cristophora Klomfass und vierzehn Mitschwestern der Kongregation der Schwestern von der heiligen Jungfrau und Märtyrin Katharina seliggesprochen. Sie waren 1945 in den heute zu Polen gehörenden Gebieten von Soldaten der Roten Armee ermordet worden. Am Ende des Regina Caeli am 1. Juni ehrte Leo XIV. vom Vorplatz der Petersbasilika aus diese standhaften Ordensfrauen mit leidenschaftlichen Worten:
„Trotz des Klimas des Hasses und des Terrors gegen den katholischen Glauben, setzten sie [die fünfzehn Schwestern] ihren Dienst an Kranken und Waisen fort. Der Fürsprache der neuen seligen Märtyrerinnen vertrauen wir alle Ordensfrauen an, die sich weltweit großzügig für das Reich Gottes einsetzen“ (Leo XIV.: Das „Regina Caeli“ zum Abschluß der Eucharistiefeier, L’Osservatore Romano, 2. Juni 2025, S. 3).
Am 24. Mai 2025 wurde ebenfalls in Polen – in Posen – ein weiterer Märtyrerpriester des Kommunismus zur Ehre der Altäre erhoben: Stanisław Streich (1902–1938). In dem vom Heiligen Vater zur Seligsprechung verfaßten apostolischen Schreiben wurde er als „unermüdlicher Seelsorger, fruchtbarer Diener der Nächstenliebe und treuer Zeuge des Evangeliums bis zum Vergießen des Blutes“ gewürdigt (Dem Bösen mit dem Guten der Nächstenliebe begegnen, L’Osservatore Romano, 24. Mai 2025, S. 3).
Die letzte Seligsprechung eines polnischen Märtyrers während des Pontifikats von Papst Franziskus betraf Michał Rapacz (1904–1946), einen Diözesanpriester, der aus Haß auf den Glauben von Kommunisten im kleinpolnischen Płoki, wo er Pfarrer war, ermordet wurde. Die Feier fand am 15. Juni 2024 im Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau statt. Kardinal Marcello Semeraro, Präfekt des Dikasteriums für die Heiligsprechungen, leitete die Zeremonie im Namen von Papst Franziskus. Unter den Anwesenden waren auch zwei Großneffen des Seligen. Der Kardinal erinnerte daran, daß für den jungen Pfarrer (er war erst 41 Jahre alt, als er in einer Nacht aus seinem Pfarrhaus geholt und in einem nahen Wald getötet wurde) „die Verbreitung der Liebe zu Christus das einzige wirksame Gegenmittel gegen Atheismus, Materialismus und alle weltanschaulichen Konzepte war, die die Würde des Menschen bedrohen“ (Ein Zeichen des Trostes in einer vom Krieg verwundeten Zeit, L’Osservatore Romano, 15. Juni 2024, S. 11).
Rapacz und alle anderen Märtyrer, die in odio fidei (aus Haß gegen den Glauben) unter den kommunistischen Regimen Europas getötet wurden, seien, so Kardinal Semeraro, „ein Zeichen des Trostes von Gott in einer Zeit, die weiterhin von Gewalt und Krieg gezeichnet ist – auch in unserer Nähe“ (gemeint ist: die Ukraine).
Die sterblichen Überreste des Seligen werden im Seitenaltar der Pfarrkirche von Płoki aufbewahrt. Am 15. Juni dieses Jahres, zum ersten Jahrestag seiner Seligsprechung, wurde dort unter der Leitung von Pfarrer Tadeusz Tylka gemeinsam mit weiteren Klerikern und Jugendlichen eine Litanei zu Ehren des Märtyrerpriesters gebetet, um seine Fürsprache für die Gabe des Friedens bei Gott zu erflehen.
*Giuseppe Brienza, Journalist, und Publizist, Studium der Politikwissenschaften an der Sapienza in Rom, schreibt für Fides Catholica, Il Borghese, Corrispondenza Romana, Il Corriere del Sud, Autor mehrerer Bücher u. a. In der Reihe „St. Petersburger Abende heute“:. „56 konterrevolutionäre Pfeile“ (2021), Vorschläge, Autoren, Ideen und Schlachten gegen gegnerische Kulturen (2025), aber auch Biographien über Evita Perón, Nelson Mandela und andere mehr.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana
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