
Von Cristina Siccardi*
Der Augustiner-Papst Leo XIV. hat schon bei seinen ersten Schritten als Pontifex seine Verbundenheit mit der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria gezeigt. Am Abend seiner Wahl, in der Abenddämmerung des 8. Mai, des Hochfests Unserer Lieben Frau von Pompeji, vertraute er von der Segensloggia aus sein Mandat als Nachfolger des heiligen Petrus, die Kirche und die Welt der Muttergottes an: „Heute ist der Tag des Flehens zu Unserer Lieben Frau von Pompeji. Unsere Mutter Maria möchte immer mit uns gehen, uns nahe sein, uns mit ihrer Fürsprache und ihrer Liebe helfen. Deshalb möchte ich gemeinsam mit Ihnen beten. Beten wir gemeinsam für diese neue Mission, für die ganze Kirche, für den Frieden in der Welt, und bitten wir um diese besondere Gnade Marias, unserer Mutter“, und schloß seine erste Ansprache, mit der er sich der Welt präsentierte, mit dem Ave Maria und übergab ihr sein Mandat.
Die Zahl 8 wiederholt sich am Tag der Wahl des neuen Papstes: Der weiße Rauch stieg um 18.08 Uhr am 8. des Marienmonats auf. Der 8. Mai ist der Jahrestag der Erscheinung des Erzengels Michael an den heiligen Lorenzo Maiorano, Bischof von Siponto, in der Höhle am Gargano im Jahr 490; von dort aus verbreitete sich die Michaels-Verehrung in ganz Europa. Der Erzengel wies diese Höhle als Ort der Verehrung aus, und so wurde das Heiligtum des Erzengels Michael, die sogenannte Himmelsbasilika, inmitten des Ortskerns von Monte Sant’Angelo errichtet. Seit dem Mittelalter ist sie das Ziel ununterbrochener Pilgerströme geworden.
Unsere Liebe Frau vom Heiligen Rosenkranz (in Verbindung mit Unserer Lieben Frau von Pompeji und auch mit Unserer Lieben Frau von Fatima, deren Festtag gestern, am 13. Mai, war) und der heilige Erzengel Michael sind hervorragende Vorzeichen für den Beginn des neuen Pontifikats. Am 13. Oktober 1884 hatte Papst Leo XIII. am Ende der Messe eine mystische Vision, in der der Satan die Kirche bedrohte; unmittelbar danach verfaßte er ein Gebet und empfahl, es am Ende jeder Messe zu beten und es in die Sammlung der Exorzismen aufzunehmen. Im Jahr 1886 wurde dieses Gebet in verkürzter Form zusammen mit den Leoninischen Gebeten am Ende der stillen Messen eingefügt. Es wurde bis zum 26. September 1964 praktiziert, als es durch die Liturgiereform im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die Instruktion Inter oecumenici (Nr. 48, § j) abgeschafft wurde. Im Vetus Ordo ist das Gebet zum heiligen Erzengel Michael jedoch weiterhin enthalten.
Am Freitag, dem 9. Mai, vertraute Leo XIV. am Ende seiner Predigt während der ersten Messe auf dem Thron von St. Peter sein petrinisches und missionarisches Mandat erneut der Gottesmutter an und bekräftigte seine Bereitschaft, sich klein zu machen, um nur Jesus Christus im Vordergrund stehen zu lassen: „(…) nach dem berühmten Ausspruch des heiligen Ignatius von Antiochien (vgl. Römerbrief, Anrede). Er, der in Ketten in diese Stadt, den Ort seiner bevorstehenden Opferung, geführt wurde, schrieb an die dortigen Christen: ‚Dann werde ich wahrhaftig ein Jünger Jesu Christi sein, wenn die Welt meinen Leib nicht sieht‘ (Römerbrief, IV, 1). Er bezog sich darauf, von den Tieren im Zirkus verschlungen zu werden – und so geschah es auch –, aber seine Worte erinnern in einem allgemeineren Sinn an eine Verpflichtung, auf die niemand in der Kirche verzichten kann, der ein Amt mit Autorität ausübt: zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht werden kann (vgl. Joh 3,30), sich bis zum Äußersten zu verausgaben, damit niemandem die Möglichkeit fehlt, ihn kennen und lieben zu lernen. Möge Gott mir diese Gnade schenken, heute und immer, mit Hilfe der zärtlichen Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche“.
Als „Sohn des heiligen Augustinus“ pflegt Papst Leo XIV. eine besondere Verehrung für die Heilige Jungfrau, die Patronin des Augustinerordens ist und von den Brüdern traditionell mit den Titeln „Unsere Liebe Frau der Gnade, des Trostes, des Guten Rates und der Immerwährenden Hilfe“ angerufen wird. Vergessen wir nicht, daß bei den Augustinern auch die heilige Monika, der heilige Ambrosius, der heilige Possidius, der heilige Alipius und Fulgentius von Ruspe besonders verehrt werden. Zu den heiliggesprochenen Einsiedlern des heiligen Augustinus gehören Nikolaus von Tolentino, Johannes von San Facondo, Thomas von Villanova und die heilige Rita von Cascia. Erwähnenswert sind auch die Gestalten des seligen Simon Fidati und der Mutter Teresa Fasce.
Als Überraschung besuchte Leo XIV. am Samstag, dem 10. Mai, das Heiligtum Unserer Lieben Frau vom Guten Rat in Genazzano (das sogenannte „Loreto von Latium“) in der Nähe von Rom, das von den Augustinerpatres betreut wird und das der Heilige Vater in der Vergangenheit bereits mehrmals besucht hatte. Im 15. Jahrhundert wurde dieser Marienort zu einem Wallfahrtsziel, weil sich der Überlieferung zufolge ein Bild der Madonna mit dem Jesuskind während der Belagerung durch die Osmanen auf wundersame Weise von einer Wand der Kathedrale des Heiligen Stephanus in der albanischen Stadt Shkodra löste und in das heutige Heiligtum von Genazzano gebracht wurde. Am 17. März 1903 wurde es von Papst Leo XIII. in den Rang einer Basilika minor erhoben, und heute begibt sich Leo XIV. als Verehrer dieses Bildnisses dorthin, um dort zu beten.
Am 14. Mai 2023 zelebrierte der damalige Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe die Sonntagsmesse anläßlich der Visita della Madonna di San Luca, des Besuchs der Muttergottes des hl. Lukas in der Stadt Bologna1, in der dortigen Peterskathedrale, ein jährliches Ereignis, das von den Gläubigen mit Spannung erwartet wird. Es ist eine Tradition, daß die Ikone der Madonna des hl. Lukas in der Woche von Christi Himmelfahrt von der Wallfahrtskirche herabsteigt und die Stadt durchquert. Die Wallfahrtskirche zum heiligen Lukas, die sich auf dem Colle della Guardia befindet, ist seit Jahrhunderten ein Symbol von Bologna: Sie ist mit dem Stadtzentrum durch eine Straße verbunden, die von der Porta Saragozza ausgeht und sich über vier Kilometer durch einen Säulengang mit über 600 Bögen schlängelt. Es ist der längste Bogengang der Welt.
Es war der 9. Dezember 2023, als Kardinal Prevost in das Heilige Haus von Loreto einzog und die historische Nachstellung der Translation des Heiligen Hauses in der päpstlichen Basilika mit der Segnung des Feuers auf dem Platz vor dem Heiligtum stattfand. Zu diesem Anlaß wurden die Gläubigen eingeladen, eine Kerze in ihrem Fenster anzuzünden und dabei ein Ave Maria oder die Lauretanische Litanei zu rezitieren. Sie schlossen sich damit dem traditionellen Anzünden von Freudenfeuern auf dem Land an, die seit dem 17. Jahrhundert an die Flucht des Hauses Mariens erinnern, das in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember 1294 aus Nazareth auf die Hügel von Loreto kam. Es ist zu betonen, daß das Heiligtum von Loreto eingeladen hat, in diesem Heiligen Jahr das Kardinalskollegium bei der Wahl des Papstes mit dem Gebet zu begleiten.
Doch damit nicht genug: In der Novene für das Heilige Kollegium, das sich zum Konklave versammelt hat, um den Papst zu wählen, zu der Kardinal Raymond Burke alle eingeladen hat, wird die Muttergottes von Guadalupe angerufen „für die Kirche in einer Zeit großer Prüfungen und Gefahren für sie. So wie du der Kirche auf Tepeyac 1531 zu Hilfe kamst, bitte für das Heilige Kardinalskollegium, das in Rom versammelt ist, um den Nachfolger des heiligen Petrus, den Stellvertreter Christi, den Hirten der Weltkirche, zu wählen. In dieser stürmischen Zeit für die Kirche und die Welt, bitte Deinen göttlichen Sohn, daß die Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche, Seines Mystischen Leibs, demütig den Eingebungen des Heiligen Geistes gehorchen. Mögen sie auf Deine Fürsprache den Mann wählen, der am würdigsten ist, der Stellvertreter Christi auf Erden zu sein.“
Auf dem Petersplatz schwenkten die Gläubigen die Fahnen Unserer Lieben Frau von Guadalupe, während der Rauch aus dem Schornstein stieg. Im Norden Perus, wo Pater Robert Francis Prevost als Missionsbischof tätig war, der auch zu Pferd durch die Straßen reiste, gibt es eine besondere Verehrung der Muttergottes von Guadalupe, die sich von der mexikanischen unterscheidet. Historisch gesehen ist die Gründung des Bezirks Guadalupe (einer der fünf Bezirke der Provinz Pacasmayo mit Guadalupe als Hauptstadt) das Werk des spanischen Kapitäns Francisco Pérez de Lezcano im Jahr 1550, der während einer Reise nach Spanien nach der Möglichkeit einer Wiederbelebung des Kults fragte, nachdem er zum Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe in Mexiko, auf dem Tepeyac-Hügel, nördlich von Mexiko-Stadt (La Villa de Guadalupe) gepilgert war. Im Jahr 1560 fanden die ersten Feierlichkeiten und Pilgerfahrten statt. Einige Jahre später wurde das aus Spanien mitgebrachte Bildnis der Madonna von Guadalupe den Augustinerpatres geschenkt, die sich für die Errichtung eines Schreins zu ihren Ehren einsetzten. Im Jahr 1954 wurde dieses Bildnis Unserer Lieben Frau von Guadalupe von Papst Pius XII. gekrönt und erhielt den Titel der Patronin der Völker des Nordens und Königin von Peru.
Ebenfalls am 11. Sonntag wandte sich der Papst auf dem Regina Coeli vor 150.000 Menschen an die Gottesmutter, zunächst für die Berufungen, indem er die jungen Menschen aufforderte, sich nicht zu scheuen, der Einladung der Kirche und Christi, des Herrn, zu folgen und zu ihr zu beten, die „allesamt eine Antwort auf den Ruf des Herrn war“, damit „sie uns immer in der Nachfolge Jesu begleiten möge“, und dann die Königin des Friedens mit ihrer meisterhaften Rolle der Fürsprache zu betrauen, „um für uns das Wunder des Friedens zu erlangen“.
Eines steht bereits fest: Im Vokabular Leos XIV. mit seinem evangelisierenden Geist wird Jesus Christus und der Mutter Gottes ein Ehrenplatz eingeräumt, wie andererseits sein päpstliches Wappen zeigt, das an das bischöfliche Wappen angelehnt ist, nämlich ein Schild, der diagonal in zwei Sektoren geteilt ist: Oben links, auf blauem Grund, ist eine weiße Lilie abgebildet, die Reinheit und Jungfräulichkeit symbolisiert, mit unmittelbarem Bezug zur Gottesmutter. Rechts unten, auf hellem Hintergrund, befindet sich das Logo der Augustiner: ein von einem Pfeil durchbohrtes Herz über einem Buch, das an die Bekehrung des Vaters und Doktors der Kirche erinnert: „Vulnerasti cor meum verbo tuo“ („Du hast mein Herz mit deinem Wort durchbohrt“). Unter den Symbolen steht der Leitspruch „In Illo Uno unum“ („In Ihm, der eins ist, sind wir eins“), der aus der Auslegung von Psalm 127 durch den heiligen Augustinus stammt.
*Cristina Siccardi, Historikerin und Publizistin, zu ihren jüngsten Buchpublikationen gehören „L’inverno della Chiesa dopo il Concilio Vaticano II“ (Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Veränderungen und Ursachen, 2013); „San Pio X“ („Der heilige Pius X. Das Leben des Papstes, der die Kirche geordnet und erneuert hat“, 2014), „San Francesco“ („Heiliger Franziskus. Eine der am meisten verzerrten Gestalten der Geschichte“, 2019), „Quella messa così martoriata e perseguitata, eppur così viva!“ „Diese so geschlagene und verfolgte und dennoch so lebendige Messe“ zusammen mit P. Davide Pagliarani, 2021), „Santa Chiara senza filtri“ („Die heilige Klara ungefiltert. Ihre Worte, ihre Handlungen, ihr Blick“, 2024),
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire (Screenshot)
1 Die „Visita della Madonna di San Luca“ ist eine jährliche Prozession in Bologna, bei der das Gnadenbild der Gottesmutter, das der Überlieferung nach vom Evangelisten Lukas gemalt wurde, vom Heiligtum auf dem Colle della Guardia in die Stadt gebracht wird. Diese Tradition geht auf das Jahr 1433 zurück und symbolisiert den Schutz der Stadt durch die Jungfrau Maria. Im Jahr 2024 wurde sie am 4. Mai in die Stadt gebracht und am 12. Mai wieder in das Heiligtum auf den Berg zurückgeführt. Da Christi Himmelfahrt 2025 auf den 29. Mai fällt, wird die Prozession am 24. Mai stattfinden.