Ohne die Wiederherstellung der Sakramentenordnung wird es keinen Frieden im Herzen der katholischen Kirche geben

Die überlieferte Sakramentenordnung stellt einen wesentlichen Schutz dar


Ehelehre

Von Chri­sti­an Spaemann*

Anzei­ge

Es gibt ein eher­nes Prin­zip in der katho­li­schen Kir­che, wel­ches besagt, dass sich ihre Leh­re bei allen neu­en Per­spek­ti­ven, die sich im Lau­fe der Geschich­te auf sie erge­ben, immer naht­los und ohne Wider­spruch an die Über­lie­fe­rung anfü­gen muss. Hier­bei geht es um die Ein­heit von Glau­be und Ver­nunft. Da Gott die Ver­nunft schlecht­hin ist, wür­de das Akzep­tie­ren von Brü­chen und Wider­sprü­chen die Auf­ga­be des Anspruchs auf inne­re Kon­si­stenz des kirch­li­chen Lehr­zu­sam­men­han­ges bedeu­ten. Die Teil­ha­be der Kir­che an der ewi­gen Wahr­heit Got­tes wür­de in Fra­ge gestellt und die Bedeu­tung der Inkar­na­ti­on des ewi­gen Wor­tes Got­tes in Jesus Chri­stus rela­ti­viert. Kurz, Gott wür­de in wei­te Fer­ne gerückt und die hei­li­ge Leh­re mehr und mehr zur Fra­ge der Macht kirch­li­cher Grup­pen, eine Ent­wick­lung, wie wir sie infol­ge der Refor­ma­ti­on bei den pro­te­stan­ti­schen Deno­mi­na­tio­nen zurück­ver­fol­gen kön­nen. Für vie­le Gläu­bi­ge ent­stün­de damit der Ein­druck einer Art Mach­bar­keit in Sachen Glau­be, Moral und Pasto­ral, was natür­lich dem Rela­ti­vis­mus Vor­schub leistet.

Der sichtbaren Kirche eine tiefe Wunde geschlagen

Mit dem Nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia (AL) hat das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus hier der sicht­ba­ren Kir­che eine tie­fe Wun­de geschla­gen, die geheilt wer­den muss, wenn sie zu inne­rer Ein­heit und Frie­den zurück­keh­ren will. In die­sem Schrei­ben wird die Mög­lich­keit der Sakra­men­ten­spen­dung für Men­schen, die in soge­nann­ten „irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen“ leben, geöff­net (AL 301–308, Anm. 351). Sämt­li­che in die­sem Zusam­men­hang in AL auf­ge­führ­ten, vor allem pasto­ra­len Argu­men­te für solch eine Öff­nung wur­den bereits seit Jahr­zehn­ten dis­ku­tiert. Johan­nes Paul II. hat die­se Argu­men­te in sei­nem Nach­syn­oda­len Schrei­ben Fami­lia­ris con­sor­tio (FC) und der Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor (VS) durch­aus berück­sich­tigt, deren Schluss auf eine Auf­wei­chung der Sakra­men­ten­ord­nung aller­dings in Über­ein­stim­mung mit der Lehr­tra­di­ti­on der Kir­che defi­ni­tiv zurück­ge­wie­sen (FC 84). Die­se kla­re Grenz­zie­hung wur­de in nach­fol­gen­den Doku­men­ten des Lehr­am­tes u. a. im Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che (KKK 1650) und in dem nach­syn­oda­len Schrei­ben Bene­dikts XVI. Sacra­men­tum cari­ta­tis (29) aus­drück­lich bekräf­tigt. Somit ist für jeden red­li­chen Geist in Amo­ris lae­ti­tia genau jene Wider­sprüch­lich­keit in der Leh­re der Kir­che zu erken­nen, die es nach eben die­ser Leh­re nicht geben darf.

Es gibt näm­lich Kern­be­rei­che der Moral, die mit der Natur des Men­schen und sei­ner Wür­de so eng ver­knüpft sind, dass deren Ver­let­zung ohne Aus­nah­me eine objek­tiv schwe­re Sün­de dar­stellt. Wir haben es hier mit dem soge­nann­ten „actus intrin­sice malus“, der „in sich schlech­ten Hand­lung“ zu tun. Die­se Leh­re ist ein­deu­tig beleg­bar in der Hei­li­gen Schrift ent­hal­ten, sie war in der durch­ge­hen­den Über­lie­fe­rung der Kir­che zumin­dest impli­zit immer gegen­wär­tig, wur­de von Augu­sti­nus klar for­mu­liert, von Tho­mas von Aquin syste­ma­ti­siert (vgl. Sum. Theol. I‑II q. 18,4), von Paul VI in sei­ner Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae (14) dezi­diert aus­ge­führt und zuletzt von Johan­nes Paul II aus­drück­lich als ver­bind­li­che Leh­re der Kir­che bestä­tigt (vgl. VS 79–81). Nach ihm kön­nen „die Umstän­de oder die Absich­ten nie­mals einen bereits in sich durch sein Objekt unsitt­li­chen Akt in einen […] sitt­li­chen […] ver­wan­deln“ (VS 81). Ohne einen Akt der Abkehr von dem sünd­haf­ten Ver­hal­ten ist somit ein Emp­fang der Sakra­men­te nicht mög­lich (vgl. FC 84). Die Ände­rung in der Pra­xis der Sakra­men­ten­spen­dung stellt daher nicht, wie immer wie­der behaup­tet, eine Wei­ter­ent­wick­lung von Fami­lia­ris con­sor­tio, son­dern stellt einen Bruch mit ihrer wesent­li­chen anthro­po­lo­gi­schen und theo­lo­gi­schen Leh­re über die mensch­li­che Ehe und Sexua­li­tät dar und kann sich schon gar nicht auf Tho­mas von Aquin berufen.

Wo eine Einzelfallentscheidung nicht möglich ist

Chri­sti­an Spaemann

Zu die­sem Kern­be­reich der Moral gehört die mensch­li­che Sexua­li­tät. Gegen­über dem heu­te, vor allem in der west­li­chen Welt gän­gi­gen Ver­ständ­nis von Sexua­li­tät als einem Kon­sum­gut geht es um eine Sicht­wei­se, nach der mensch­li­che Sexua­li­tät Aus­druck der sich gegen­sei­tig ergän­zen­den Gemein­schaft zwi­schen Mann und Frau auf leib­li­cher, see­li­scher und per­so­na­ler Ebe­ne ist, „[…] ein Real­sym­bol für die Hin­ga­be der gan­zen Per­son“ (FC 80). Die Zeit­lich­keit gehört wesent­lich zum Men­schen, sodass das Ja zur ande­ren Per­son immer auch ein Ja zu sei­ner Ver­gan­gen­heit und Zukunft beinhal­tet, wie es im Ja der Ehe­schlie­ßung zum Aus­druck kommt. Es wird daher ver­ständ­lich, wenn Johan­nes Paul II. davon spricht, dass es in der Sexua­li­tät um Per­so­nen geht, „deren Wür­de ver­langt, dass sie für immer und aus­schließ­lich das Ziel lie­ben­der Hin­ga­be sind, ohne jeg­li­che zeit­li­che oder son­sti­ge Begren­zung“ (FC 80). Die sexu­el­le Ver­ei­ni­gung ist so gese­hen Spra­che des Lei­bes mit Bedeu­tung. Eine Bedeu­tung, die es sinn­voll erschei­nen lässt, jede sexu­el­le Ver­ei­ni­gung als eine Erneue­rung des Ehe­ver­spre­chens zu ver­ste­hen. Die Lie­be zwi­schen Mann und Frau ist die Grund­la­ge für Ehe und Fami­lie und so Eck­stein für das Gefü­ge des gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­den mensch­li­chen Lebens. Vor die­sem Hin­ter­grund wird nach­voll­zieh­bar, dass die Kir­che jede Form sexu­el­ler Akti­vi­tät außer­halb der beschrie­be­nen, auf Lebens­zeit ange­leg­ten Kon­stel­la­ti­on von Mann und Frau objek­tiv als eine Ver­let­zung der mensch­li­chen Wür­de und somit als Sün­de ansieht. Dazu gehö­ren unter ande­rem Selbst­be­frie­di­gung, vor- und außer­ehe­li­cher Geschlechts­ver­kehr, die Ver­wen­dung von Ver­hü­tungs­mit­teln, bei denen sich die Part­ner gegen­sei­tig immer irgend­wie zum Objekt machen, oder auch homo­se­xu­el­le Ver­hal­tens­wei­sen. Die Spra­che des Lei­bes in der Sexua­li­tät kann also nicht ein­fach durch mil­dern­de Umstän­de und sub­jek­tiv als gut emp­fun­de­ne Inten­tio­nen über­gan­gen und eine objek­tiv schwer­wie­gend sünd­haf­te Situa­ti­on durch die Spen­dung der Sakra­men­te legi­ti­miert wer­den. Eine Ein­zel­fall­ent­schei­dung ist in die­sen Fäl­len eben nicht mög­lich, da die Natur des Men­schen in sei­nen ein­zel­nen sexu­el­len Ver­hal­tens­wei­sen immer gegen­wär­tig ist.

Thomas von Aquin irreführend zitiert

Nach Paul VI ist es „nie­mals erlaubt – auch aus noch so ern­sten Grün­den nicht – […] etwas zu wol­len, was sei­ner Natur nach die sitt­li­che Ord­nung ver­letzt und des­halb als des Men­schen unwür­dig gel­ten muss […] auch, wenn dies mit der Absicht geschieht, das Wohl des ein­zel­nen, der Fami­lie oder der mensch­li­chen Gesell­schaft zu schüt­zen oder zu för­dern (HV 14)“. Tho­mas von Aquin wird im Zusam­men­hang mit die­sem Pro­blem in Amo­ris lae­ti­tia völ­lig unpas­send und irre­füh­rend zitiert (vgl. AL 304 u. Anm. 347), sei­ne Leh­re vom „actus intrin­sice malus“ hin­ge­gen ignoriert.

In Amo­ris lae­ti­tia heißt es in Bezug auf die soge­nann­ten „irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen“, dass die „Kir­che […] im Besitz einer soli­den Refle­xi­on über die mil­dern­den Bedin­gun­gen und Umstän­de“ sei und es daher „nicht mehr mög­lich [sei], zu behaup­ten, dass alle, die in irgend­ei­ner soge­nann­ten ‚irre­gu­lä­ren´ Situa­ti­on leben, sich in einem Zustand der Tod­sün­de befin­den und die hei­lig­ma­chen­de Gna­de ver­lo­ren haben“ (AL 301). Hier­bei stellt sich die Fra­ge, wer denn so etwas behaup­tet? Mir zumin­dest ist bis­her kein noch so kon­ser­va­ti­ver Prie­ster begeg­net, der dies behaup­ten wür­de. Nach dem Kate­chis­mus der katho­li­schen Kir­che (KKK 1857) kann eine Tat erst dann eine Tod­sün­de sein, wenn die drei Kri­te­ri­en, objek­tiv „schwer­wie­gen­de Mate­rie“, sub­jek­tiv „vol­les Bewusst­sein“ und „bedach­te Zustim­mung“ gege­ben sind. Was in Amo­ris lae­ti­tia über­gan­gen wird, ist dass auch ohne Erfül­lung der sub­jek­ti­ven Kri­te­ri­en für eine schwe­re Sün­de die objek­tiv „schwer­wie­gen­de Mate­rie“ allein aus­reicht, um für das Sakra­ment der Beich­te und den Emp­fang der hei­li­gen Kom­mu­ni­on eine Abwen­dung vom sünd­haf­ten Gebrauch der Sexua­li­tät zu ver­lan­gen. Auch die in die­sem Zusam­men­hang (AL 302) ange­führ­te, auf die Wil­lens­frei­heit bezo­ge­ne, all­ge­mei­ne Aus­sa­ge des Kate­chis­mus, wonach die „Anre­chen­bar­keit einer Tat und die Ver­ant­wor­tung für sie […] durch […] psy­chi­sche oder gesell­schaft­li­che Fak­to­ren ver­min­dert, ja sogar auf­ge­ho­ben sein“ kön­nen (KKK 1735), führt hier nicht wei­ter. Wann kann so etwas über eine geschäfts­fä­hi­ge Per­son sicher behaup­tet wer­den? Wann kann eine Per­son dies über sich selbst sicher behaupten?

Wer dennoch zu den Sakramenten geht, maßt sich ein Urteil selbst an

Selbst­ver­ständ­lich gibt es aus christ­li­cher Sicht zahl­lo­se irre­gu­lä­re Situa­ti­on, die auch gläu­bi­ge Men­schen betref­fen und die mensch­lich nach­voll­zieh­bar sind. Zu den­ken ist an Men­schen, die von ihrem Part­ner ver­las­sen wur­den, unver­hofft allein daste­hen und nie die Beru­fung zu einem zöli­ba­t­ä­ren Leben ver­spürt haben, an man­geln­de Abgren­zungs­fä­hig­keit des gläu­bi­gen Part­ners gegen­über dem nicht gläu­bi­gen in der vor­ehe­li­chen Situa­ti­on, an Men­schen, die aus wel­chen Grün­den auch immer in sexu­el­len Ver­wir­run­gen leben und über eine irre­gu­lä­re sexu­el­le Bezie­hung zu see­li­scher Sta­bi­li­tät fin­den, an auf irre­gu­lä­rem Weg ent­stan­de­ne Fami­li­en mit Kin­dern, deren Sta­bi­li­tät durch das Insi­stie­ren auf sexu­el­le Ent­halt­sam­keit gefähr­det wür­de, an Homo­se­xu­el­le, die über eine feste Bezie­hung zumin­dest zeit­wei­se aus dem Cha­os gefähr­li­cher Pro­mis­kui­tät her­aus­fin­den usw. Die Rei­he kann belie­big fort­ge­setzt wer­den, jeder Seel­sor­ger kennt sie zur Genü­ge. Nie­mand, der nur halb­wegs Ein­sicht in die eige­nen Schwä­chen hat, wür­de mit dem Fin­ger auf die Betrof­fe­nen zei­gen. Johan­nes Paul II. hat in sei­nem Nach­syn­oda­len Schrei­ben Fami­lia­ris con­sor­tio an den ent­schei­den­den, die Sakra­men­ten­ord­nung betref­fen­den Stel­len den Begriff der Tod­sün­de oder des fort­ge­setz­ten Ehe­bruchs nicht gebraucht. Den­noch ist es ein gro­ßer Unter­schied, ob die Betrof­fe­nen in Demut gegen­über der Hei­lig­keit sei­ner Gebo­te auf die Barm­her­zig­keit Got­tes hof­fen oder ob sie sich ange­sichts ihrer den Gebo­ten wider­spre­chen­den Lebens­si­tua­ti­on das Urteil im gewis­sen Sin­ne sel­ber anma­ßen, indem sie zu den Sakra­men­ten gehen. Was die Rol­le des Prie­sters anbe­langt, so ist fest­zu­hal­ten, dass es ihm nicht zusteht, sein Kon­sta­tie­ren „mil­dern­der Umstän­de“ über die objek­tiv irre­gu­lä­re Lebens­si­tua­ti­on der Betrof­fe­nen zu stel­len und die Sakra­men­te zu spen­den. Wenn es ent­spre­chend den Kri­te­ri­en für schwe­re Sün­den um eine „schwer­wie­gen­de Mate­rie“ geht, hat die Kir­che hier­für kei­ne Voll­macht. Die Gna­de Got­tes ist nicht an die Sakra­men­te gebun­den, aber nur ihm steht in die­sen Fäl­len das Urteil zu und das ken­nen wir nicht. Die Dar­rei­chung der Eucha­ri­stie ist ein objek­ti­ver Akt, bei dem sich Gott in gewis­sem Sin­ne „zwin­gen“ lässt. Man kann die Barm­her­zig­keit Got­tes aber nicht dekre­tie­ren. Zudem wird mit der Spen­dung der Sakra­men­te in die­sen Situa­tio­nen jeder Anreiz, an der Situa­ti­on etwas zu ändern und sich spi­ri­tu­ell wei­ter­zu­ent­wickeln, genom­men. Pasto­ra­le Wär­me darf nicht zu Käl­te gegen­über Gott und sei­nen Gebo­ten führen.

Große Nähe zur LGBTQ- und Genderbewegung

Unzäh­li­ge Prie­ster in der katho­li­schen Kir­che bemü­hen sich, mit Lie­be, Fein­füh­lig­keit, Geduld und Demut Men­schen in irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen zu beglei­ten und mit Gott in Kon­takt zu hal­ten. Sie sehen sich im Nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia dem Vor­wurf aus­ge­setzt, zu denen zu gehö­ren, die „nur mora­li­sche Geset­ze [anwen­den], als sei­en es Fels­blöcke, die man auf das Leben von Men­schen wirft“ und sich mit „ver­schlos­se­nen Her­zen […] hin­ter der Leh­re der Kir­che zu ver­stecken […] um sich auf den Stuhl des Mose zu set­zen und […] über die schwie­ri­gen Fäl­le und die ver­letz­ten Fami­li­en zu rich­ten“ (AL 305).

Bemer­kens­wert ist, dass an den ent­schei­den­den Stel­len von Amo­ris lae­ti­tia nicht von wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, son­dern all­ge­mein von „irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen“ die Rede ist. Dies wur­de über all die Jah­re seit dem Erschei­nen die­ses Schrei­bens kaum öffent­lich wahr­ge­nom­men. Mit „irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen“ kön­nen alle Situa­tio­nen außer­halb der christ­li­chen Lebens­ord­nung gemeint sein, auch homo­se­xu­el­le Bezie­hun­gen. Die Erklä­rung „Fidu­cia sup­pli­cans“, die es ermög­li­chen soll, gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re zu seg­nen, steht somit in enger Bezie­hung zu Amo­ris lae­ti­tia. Hier wird der Boden des Natur­rechts end­gül­tig ver­las­sen und Ver­bin­dun­gen außer­halb der Kon­stel­la­ti­on Mann-Frau gleich­sam sakra­men­tal legi­ti­miert. Bis­her kaum bemerkt fin­det sich hier eine gro­ße Nähe zur LGBTQ- und Gen­der­be­we­gung. Für die­se bedeu­tet Sexua­li­tät eine Art Ver­satz­stück für belie­bi­ge Lebens­for­men, die alle­samt als gleich­wer­tig und leicht för­de­rungs­wür­dig gel­ten. Auch muss im Auge behal­ten wer­den, dass der Kle­rus der katho­li­schen Kir­che ein Pro­blem mit homo­se­xu­el­len Netz­wer­ken hat. 80 % des sexu­el­len Miss­brauchs an Min­der­jäh­ri­gen durch katho­li­sche Kle­ri­ker war homo­se­xu­el­ler Miss­brauch. Die­ses Pro­blem wur­de bei der Auf­ar­bei­tung der Miss­bräu­che durch die Kir­che in den ver­gan­ge­nen Jah­ren syste­ma­tisch igno­riert. Für vie­le Gläu­bi­ge ent­steht hier der fata­le Ein­druck, dass sich mit Amo­ris lae­ti­tia der Kle­rus selbst einen bil­li­gen Aus­weg geschaf­fen hat, ohne Umkehr und Beich­te vor den Altar tre­ten zu können.

Gegenüber der Lehrtradition ein disruptiver Akt

Zusam­men­ge­fasst sei fest­ge­hal­ten, dass die Auf­wei­chung der Sakra­men­ten­ord­nung im Nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia einen gegen­über dem bibli­schen Befund und der Lehr­tra­di­ti­on der Kir­che dis­rup­ti­ven Akt dar­stellt, bei dem ein ern­stes Bemü­hen um Kom­pa­ti­bi­li­tät mit der Tra­di­ti­on nicht zu erken­nen ist, hin­ge­gen Tho­mas von Aquin irre­füh­rend her­an­ge­zo­gen und nicht vor Pole­mik und Unter­stel­lun­gen zurück­ge­schreckt wird. Da die schwe­re Sün­de das ein­zi­ge Aus­schluss­kri­te­ri­um für den Emp­fang der Sakra­men­te ist, stellt sich die Fra­ge, wel­che objek­ti­ven Aus­schluss­kri­te­ri­en es hin­fort noch geben soll. Hier­auf gibt Amo­ris lae­ti­tia kei­ne Ant­wort. Die­ser dis­rup­ti­ve Akt fußt auf einer kon­se­quen­tia­li­sti­schen Moral­theo­lo­gie, die das Ziel eines gelun­ge­nen Lebens ein­sei­tig zum Maß­stab nimmt, dabei das Natur­recht ver­lässt, Beden­ken gegen­über unhei­li­gen Mit­teln aus dem Weg räumt und so den Bezug zur Hei­lig­keit und Herr­schaft Got­tes unter den Men­schen ver­lo­ren hat. Die­se Rich­tung der Moral­theo­lo­gie wur­de zuletzt von Johan­nes Paul II. in sei­ner Enzy­kli­ka Veri­ta­tis sple­ndor als mit der Leh­re der Kir­che nicht über­ein­stim­mend zurückgewiesen.

Ohne Über­win­dung der Wider­sprü­che des der­zei­ti­gen kirch­li­chen Lehr­am­tes mit der Tra­di­ti­on der Kir­che und ohne Wie­der­her­stel­lung der in sich kon­si­sten­ten Sakra­men­ten­ord­nung, kurz gesagt, ohne Hei­lung der tie­fen Wun­de, die mit dem Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia der sicht­ba­ren Kir­che Got­tes geschla­gen wur­de, wird es kei­ne Über­win­dung der Spal­tung und kei­nen Frie­den im Her­zen der katho­li­schen Kir­che geben. Hin­ge­gen wür­den ihre Ent­fal­tung in der Gegen­wart, ihr spi­ri­tu­el­les Wachs­tum und ihre Früch­te von der kirch­li­chen Hier­ar­chie aus wei­ter gehemmt werden.

Die über­lie­fer­te Sakra­men­ten­ord­nung stellt einen wesent­li­chen Schutz für Gläu­bi­ge und Seel­sor­ger im Umgang mit irre­gu­lä­ren Situa­tio­nen dar. Ohne zu ver­ur­tei­len, erin­nert sie die Gläu­bi­gen an ihre Lebens­rea­li­tät und schützt sie vor Ver­mes­sen­heit im Umgang mit dem Hei­li­gen. Den Seel­sor­gern ermög­licht sie, sich einer­seits ganz auf die Lebens­si­tua­ti­on der Betref­fen­den ein­zu­las­sen, die­se zu beglei­ten, ggf. sogar zu unter­stüt­zen ohne sich ande­rer­seits anzu­ma­ßen, dabei die gött­li­che Per­spek­ti­ve genau zu ken­nen und sich gedrängt zu füh­len, die Lebens­for­men, mit denen sie es zu tun haben, sakra­men­tal bestä­ti­gen zu müssen. 

*Chri­sti­an Spae­mann, Fach­arzt für Psych­ia­trie und Psy­cho­the­ra­pie mit dem Schwer­punkt Verhaltenstherapie

Die Erst­ver­öf­fent­li­chung erfolg­te heu­te in der Tages­post. Der Autor stell­te sie uns dan­kens­wer­ter­wei­se eben­falls zur Ver­fü­gung. Die Zwi­schen­über­schrif­ten wur­den aus der Tages­post über­nom­men.

Bild: Pix­a­bay

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