Katholisches.info ist eine Art Beobachtungsposten, der die Entwicklung in der Kirche dokumentiert. Wir sind weder von irgendeiner außerkirchlichen Gruppe abhängig noch einer innerkirchlichen Gruppe verpflichtet. Diese Unabhängigkeit haben wir uns stets bewahrt. Diese Unabhängigkeit erlaubt es uns, ohne Zögern eine Stellungnahme wie die folgende zu veröffentlichen, weil sie uns im Gesamtkontext von Bedeutung scheint. Es handelt sich um einen Leserbrief, der gestern, am 12. Dezember, dem Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe, in der Tagespost erschienen ist. Aufgrund der angesprochenen Fragen, die auch schon an uns gerichtet wurden und die immer wieder Menschen bewegen und noch immer teils zu heftigen Polemiken und Meinungsverschiedenheiten führen, dokumentieren wir diese Stellungnahme, weil sie wesentliche Orientierung geben kann. Hier der vollständige Wortlaut nicht zur Polemik, sondern als Anstoß zur Meinungsbildung:
Von Rom getrennte Pius-Bruderschaft
Ein „Notstand“ als Rechtfertigung
Von Hans Jakob Bürger
Als Entgegnung auf den Leserbrief „Ihnen fehlt die Einheit des Altares“ von Pfarrer Franz Prosinger (DT vom 5. Dezember): Prosinger beharrt darauf, dass die Priester der Piusbruderschaft „im Auftrag eines Bischofs zelebrieren“ müssten, „der im ‚Annuario Pontificio‘ als Bischof der katholischen Kirche verzeichnet ist und vor der Bischofsweihe die professio fidei abgelegt hat“.
Als Prosinger selbst 1981 für die Piusbruderschaft geweiht wurde, dürfte ihn diese Position noch nicht überzeugt haben. 1988 verließ er die Piusbruderschaft aufgrund der unerlaubten Bischofsweihen durch Erzbischof Lefebvre. Die Motivation kann man aus damaliger Sicht verstehen: Durch die Weihe von Bischöfen bahnt sich ein Schisma an und dadurch wird eine Art parallele Kirche aufgebaut. Aber nach mehr als 35 Jahren ist klar, dass dies nicht der Fall ist. Wenn man mit Handlungen einverstanden ist (oder war), die nicht den Buchstaben des Kirchenrechts entsprechen – und dazu gehörte die Priesterweihe von 1981 aufgrund der Suspension von Lefebvre seit 1976 –, muss man das Notstands-Argument akzeptieren, das die Piusbruderschaft vorbringt. Entweder gibt es in der gegenwärtigen Kirchenkrise einen Notstand, den man dann auch mit allen Konsequenzen tragen müsste, oder es gibt ihn eben nicht. Im letzteren Fall könnte man dann aber problemlos auch (zumindest prinzipiell) die neue Messe feiern, wenn der Papst es vorschreibt. In jedem Fall mutet ein stupides Beharren auf dem Buchstaben des Kirchenrechts merkwürdig an.
Eine Analogie mag helfen. Ein Mann fährt mit seiner schwangeren Ehefrau mit Tempo 90 durch die 30er Zone, weil sie schwer blutet. Der Mann will so schnell wie möglich ins Krankenhaus, um Frau und Kind zu retten. Welcher normale Mensch würde hier sagen: Eigentlich sollte man ihm den Führerschein einziehen, weil er zu schnell gefahren ist? Nun könnte man sagen, dass es gar keinen Notstand gibt – dass zwar Blut fließt, aber Frau und Kind auch bei normaler Fahrt überleben würden. Aber auch dann müsste man sagen: Der Mann handelt aus seiner Perspektive korrekt, denn er schätzt die Situation so ein, dass die schnelle Fahrt zum Krankenhaus notwendig ist, um zwei Leben zu retten. Wer würde ihm das absprechen wollen?
Bild: MiL