Als Tolkiens Mutter katholisch wurde

Ihr früher Tod wurde "durch die Verfolgung ihres Glaubens beschleunigt"


Der junge J. R. R. Tolkien mit seinen Eltern Mabel (sitzend) und Arthur Tolkien 1892 in Bloemfontain im burischen Oranje Freistaat.
Der junge J. R. R. Tolkien mit seinen Eltern Mabel (sitzend) und Arthur Tolkien 1892 in Bloemfontain im burischen Oranje Freistaat.

Eine Hom­mage an die Müt­ter schrieb Pao­la Bel­let­ti mit ihrem Text über die Kon­ver­si­on von J. R. R. Tol­ki­ens Mut­ter zur katho­li­schen Kir­che. Ein Schritt, der den wei­te­ren Lebens­weg und das Werk des berühm­ten Schrift­stel­lers tief prä­gen sollte.

Die Konversion von Tolkiens Mutter zur katholischen Kirche

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Von Pao­la Belletti*

John Ronald Reu­el Tol­ki­en, der gro­ße eng­li­sche katho­li­sche Schrift­stel­ler, macht uns mit erstaun­li­chen Ent­hül­lun­gen von beson­de­rer Schön­heit und Tie­fe ver­traut, die er in den Brie­fen über­lie­fert hat, die er mit sei­nem Sohn aus­tausch­te. Man den­ke an sei­ne Wor­te über die Eucha­ri­stie und die Not­wen­dig­keit, unse­re per­sön­li­che Bezie­hung zu Chri­stus ange­sichts des manch­mal all­zu offen­sicht­li­chen Elends der sicht­ba­ren Kir­che stän­dig zu pfle­gen Ein Vade­me­kum, so aktu­ell wie eh und je: „Das ein­zi­ge Heil­mit­tel gegen schwan­ken­den und schwä­cheln­den Glau­ben ist die Kom­mu­ni­on. […]. Die Häu­fig­keit garan­tiert maxi­ma­le Wir­kung. Sie­ben­mal in der Woche ist wirk­sa­mer als sie­ben­mal in gro­ßen Abstän­den. Außer­dem emp­feh­le ich die­se Übung (lei­der ist es all­zu leicht, einen Weg zu fin­den, sie zu prak­ti­zie­ren): Emp­fan­ge die Kom­mu­ni­on in einer Umge­bung, die auf Dein Emp­fin­den ein­wirkt. Wäh­le einen nuscheln­den, schnie­fen­den Prie­ster oder einen stol­zen, gewöhn­li­chen Mönch; und eine Kir­che, die voll ist mit dem übli­chen bür­ger­li­chen Publi­kum, unge­ho­bel­ten Kin­dern… schmut­zi­gen jun­gen Män­nern mit auf­ge­knöpf­ten Hem­den, Frau­en in Hosen und oft mit zot­te­li­gem Haar und ohne Schlei­er. Geh und emp­fan­ge mit ihnen die Kom­mu­ni­on (und bete für sie).“

Wer weiß, ob er nicht mit den Augen und dem Her­zen von sei­ner Mut­ter die­se Beharr­lich­keit, die­se durch­drin­gen­de Sanft­heit über­nom­men hat, die direkt in Gott ein­taucht und, wäh­rend sie den Schmerz der Här­te und des Elends der Mensch­heit fühlt, nur auf Ihn ver­traut. Wie­der­um in einem Brief an sei­nen Sohn lesen wir, wie er die­sem über des­sen Groß­mutter schreibt. Tol­ki­en beschreibt sei­ne Mut­ter als „eine mit gro­ßer Schön­heit und Intel­li­genz aus­ge­stat­te­te Frau, die von Gott mit Schmerz und Leid bedacht wur­de und in ihrer Jugend an einer Krank­heit starb, die durch die Ver­fol­gung ihres Glau­bens beschleu­nigt wur­de“. Als sie 1904 starb, trau­er­ten nur weni­ge um sie, aber es gibt vie­le von uns, die ihr zu Dank ver­pflich­tet sind. Mabel Tol­ki­en war damals eine jun­ge Frau, bereits ver­wit­wet und Mut­ter von zwei Kin­dern. Ihr Leben, so kurz es auch war, geprägt von nicht weni­gen Sor­gen und völ­lig auf den Kopf gestellt durch ihren Über­tritt zum katho­li­schen Glau­ben, hat­te einen enor­men Ein­fluß auf ihre Kin­der und auf die gan­ze Welt, wenn wir dar­an den­ken, wie vie­le Men­schen die Wer­ke eines ihrer Söh­ne gele­sen haben und dadurch ver­än­dert, inspi­riert und getrö­stet wurden.

Mabel Tolkien

„Ihr Vater, John Suf­field, war ein Kauf­mann und mit Emi­ly Spar­row ver­hei­ra­tet. Gemein­sam hat­ten sie sie­ben Kin­der und führ­ten ein Geschäft in Bir­ming­ham. Als Mabel erst 18 Jah­re alt war, lern­te sie den 31jährigen Ban­kier namens Arthur Tol­ki­en ken­nen. Die bei­den tausch­ten zahl­rei­che Brie­fe aus, wäh­rend Arthur auf der Suche nach einer lukra­ti­ven Kar­rie­re im Bank­we­sen nach Süd­afri­ka ging. Nach­dem sie zwei Jah­re von ihrem Erwähl­ten getrennt war, beschloß sie, sich ihm anzu­schlie­ßen und nahm die lan­ge Rei­se mit dem Schiff auf sich, um bei ihm sein zu kön­nen.“ Man schrieb das Jahr 1891. Als sie wie­der ver­eint waren, hei­ra­te­ten sie nach angli­ka­ni­schem Ritus, da sie bei­de die­ser Kon­fes­si­on ange­hör­ten. Schließ­lich war die Zuge­hö­rig­keit zur angli­ka­ni­schen Kir­che gleich­be­deu­tend mit der Zuge­hö­rig­keit zu Eng­land. „Zwei Kin­der wur­den gebo­ren. Die bei­den Jun­gen hie­ßen John Ronald Reu­el und Hila­ry Arthur Reu­el. Nach der Geburt des zwei­ten Soh­nes mach­te sie sich wegen der Kin­der zuneh­mend Sor­gen über Rie­sen­spin­nen, die Aus­wir­kun­gen der gro­ßen Hit­ze und die Gefah­ren durch wil­de Tie­re, sodaß sie Süd­afri­ka mit den Kin­dern und dem Ver­spre­chen, in naher Zukunft zurück­zu­keh­ren, in Rich­tung Eng­land verließ.“

Kur­ze Zeit spä­ter erkrank­te ihr Mann jedoch und starb. Die jun­ge Frau und Mut­ter zwei­er Kin­der, nun ver­wit­wet, beschloß, aufs Land zu zie­hen, um die Kin­der in einer schö­nen und har­mo­ni­schen Umge­bung zu erzie­hen. Vie­le behaup­ten, daß dies die Phan­ta­sie von J. R. R. Tol­ki­en beflü­gelt hat, als er das Auen­land und die ergrei­fen­de ein­fa­che Schön­heit beschrieb, die es so begeh­rens­wert macht. Doch der Ein­fluß sei­ner Mut­ter auf die bei­den Jun­gen hör­te damit nicht auf: „Es war Mabel, die ihre Kin­der lehr­te, Spra­che, Lite­ra­tur und Kunst zu lie­ben. Mabel gab auch ihre Lie­be zu Chri­stus wei­ter. Im Jahr 1900 tra­ten Mabel und ihre bei­den Söh­ne in die katho­li­sche Kir­che ein. Das war sicher kei­ne leich­te Ent­schei­dung, denn zu die­ser Zeit herrsch­te in Eng­land eine hef­ti­ge anti­ka­tho­li­sche Stim­mung. Katho­lisch zu sein, bedeu­te­te nicht bri­tisch zu sein.“

Nemo propheta in patria

Die Ver­fol­gung mit ihren grau­sa­men Sta­cheln der Miß­bil­li­gung und Aus­gren­zung traf Mabel auf beson­ders schmerz­haf­te Wei­se durch ihre Fami­lie. Nicht alle, denn auch ihre Schwe­ster May kon­ver­tier­te und schloß sich mit ihr der katho­li­schen Kir­che an, erlag aber lei­der kurz dar­auf dem har­ten Druck ihres Man­nes, der sie über­re­de­te, dem soeben ange­nom­me­nen Glau­ben abzu­schwö­ren, was dazu führ­te, daß sie sich schließ­lich dem Spi­ri­tis­mus zuwand­te: „Mabel aber gab ihren neu­en Glau­ben nie auf, nicht ein­mal ange­sichts der per­sön­li­chen und finan­zi­el­len Äch­tung. Die Fami­lie, sowohl ihre eige­ne als auch die ihres Man­nes, hat die jun­ge Wit­we, deren Gesund­heits­zu­stand sich immer mehr ver­schlech­ter­te, im Grun­de genom­men ver­sto­ßen, aber sie hat mit Hil­fe eines Prie­sters, Pater Fran­cis Xavier Mor­gan, der für die Kin­der zur Vater­fi­gur wur­de, durchgehalten.

Sie war erst 34 Jah­re alt, als sie an Dia­be­tes starb. Ihr Sohn John Ronald Reu­el, damals 12 Jah­re alt, erin­nert sich vol­ler Dank­bar­keit an sei­ne Mut­ter, die so viel für sei­ne mensch­li­che und gei­sti­ge Ent­wick­lung bedeu­te­te und die zwei­fel­los einen sonst undenk­ba­ren Weg für sein lite­ra­ri­sches Werk vor­ge­zeich­net hat. Er selbst bezieht sich in einem Brief an sei­nen Sohn Micha­el Hila­ry dar­auf, in dem er jene bereits zitier­te Stel­le schrieb: „(…) eine mit gro­ßer Schön­heit und Intel­li­genz aus­ge­stat­te­te Frau, die von Gott mit Schmerz und Leid bedacht wur­de und in ihrer Jugend (im Alter von 34 Jah­ren) an einer Krank­heit starb, die durch die Ver­fol­gung ihres Glau­bens beschleu­nigt wurde.“

Ihr Glau­be war so zen­tral für ihre Exi­stenz, daß er ihre Gedan­ken und Sor­gen in den letz­ten Momen­ten ihres irdi­schen Lebens beherrsch­te. Tol­ki­en schrieb dar­über: „Als sie im Ster­ben lag, mach­te sie sich nicht so sehr Sor­gen um ihren eige­nen Tod, son­dern um ihre Kin­der und deren Glau­ben. Sie war so besorgt, daß die Jun­gen von ihrer eige­nen Fami­lie oder von den Tol­ki­ens gezwun­gen wer­den könn­ten, ihrem katho­li­schen Glau­ben abzu­schwö­ren, daß sie Pater Fran­cis Xavier Mor­gan zum Vor­mund der Jun­gen ernannte.“

Wie rich­tig die­se Ent­schei­dung war, bezeug­te ihr Sohn J. R. R. Tol­ki­en, der sei­nen Sohn John Fran­cis nann­te: John, weil die­ser Name in der Fami­lie Tol­ki­en von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on wei­ter­ge­ben wur­de; Fran­cis zu Ehren von Pater Morgan.

Wenn sich so vie­le Gene­ra­tio­nen an der bele­ben­den und hoff­nungs­vol­len Schön­heit von Tol­ki­ens bril­lan­ten Wer­ken erfreu­en kön­nen, ver­dan­ken wir das vor allem ihr, Mabel: Was sie mit ihrem muti­gen Glau­ben bezeug­te und an ihre Kin­der wei­ter­gab, webt jenes erstaun­li­che Gewe­be sei­ner berühm­te­sten Geschich­ten, vom Hob­bit bis zum Herrn der Rin­ge, und durch sie nährt sie den Glau­ben vie­ler mit Mut und Inspiration.

*Pao­la Bel­let­ti, freie Publi­zi­stin, stu­dier­te Phi­lo­so­phie an der Uni­ver­si­tät Bolo­gna und ist Mut­ter von vier Kin­dern. Die Erst­ver­öf­fent­li­chung erfolg­te am 6. Juni in der Monats­zeit­schrift Il Timo­ne.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Ard­ape­dia

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