Eine Hommage an die Mütter schrieb Paola Belletti mit ihrem Text über die Konversion von J. R. R. Tolkiens Mutter zur katholischen Kirche. Ein Schritt, der den weiteren Lebensweg und das Werk des berühmten Schriftstellers tief prägen sollte.
Die Konversion von Tolkiens Mutter zur katholischen Kirche
Von Paola Belletti*
John Ronald Reuel Tolkien, der große englische katholische Schriftsteller, macht uns mit erstaunlichen Enthüllungen von besonderer Schönheit und Tiefe vertraut, die er in den Briefen überliefert hat, die er mit seinem Sohn austauschte. Man denke an seine Worte über die Eucharistie und die Notwendigkeit, unsere persönliche Beziehung zu Christus angesichts des manchmal allzu offensichtlichen Elends der sichtbaren Kirche ständig zu pflegen Ein Vademekum, so aktuell wie eh und je: „Das einzige Heilmittel gegen schwankenden und schwächelnden Glauben ist die Kommunion. […]. Die Häufigkeit garantiert maximale Wirkung. Siebenmal in der Woche ist wirksamer als siebenmal in großen Abständen. Außerdem empfehle ich diese Übung (leider ist es allzu leicht, einen Weg zu finden, sie zu praktizieren): Empfange die Kommunion in einer Umgebung, die auf Dein Empfinden einwirkt. Wähle einen nuschelnden, schniefenden Priester oder einen stolzen, gewöhnlichen Mönch; und eine Kirche, die voll ist mit dem üblichen bürgerlichen Publikum, ungehobelten Kindern… schmutzigen jungen Männern mit aufgeknöpften Hemden, Frauen in Hosen und oft mit zotteligem Haar und ohne Schleier. Geh und empfange mit ihnen die Kommunion (und bete für sie).“
Wer weiß, ob er nicht mit den Augen und dem Herzen von seiner Mutter diese Beharrlichkeit, diese durchdringende Sanftheit übernommen hat, die direkt in Gott eintaucht und, während sie den Schmerz der Härte und des Elends der Menschheit fühlt, nur auf Ihn vertraut. Wiederum in einem Brief an seinen Sohn lesen wir, wie er diesem über dessen Großmutter schreibt. Tolkien beschreibt seine Mutter als „eine mit großer Schönheit und Intelligenz ausgestattete Frau, die von Gott mit Schmerz und Leid bedacht wurde und in ihrer Jugend an einer Krankheit starb, die durch die Verfolgung ihres Glaubens beschleunigt wurde“. Als sie 1904 starb, trauerten nur wenige um sie, aber es gibt viele von uns, die ihr zu Dank verpflichtet sind. Mabel Tolkien war damals eine junge Frau, bereits verwitwet und Mutter von zwei Kindern. Ihr Leben, so kurz es auch war, geprägt von nicht wenigen Sorgen und völlig auf den Kopf gestellt durch ihren Übertritt zum katholischen Glauben, hatte einen enormen Einfluß auf ihre Kinder und auf die ganze Welt, wenn wir daran denken, wie viele Menschen die Werke eines ihrer Söhne gelesen haben und dadurch verändert, inspiriert und getröstet wurden.
Mabel Tolkien
„Ihr Vater, John Suffield, war ein Kaufmann und mit Emily Sparrow verheiratet. Gemeinsam hatten sie sieben Kinder und führten ein Geschäft in Birmingham. Als Mabel erst 18 Jahre alt war, lernte sie den 31jährigen Bankier namens Arthur Tolkien kennen. Die beiden tauschten zahlreiche Briefe aus, während Arthur auf der Suche nach einer lukrativen Karriere im Bankwesen nach Südafrika ging. Nachdem sie zwei Jahre von ihrem Erwählten getrennt war, beschloß sie, sich ihm anzuschließen und nahm die lange Reise mit dem Schiff auf sich, um bei ihm sein zu können.“ Man schrieb das Jahr 1891. Als sie wieder vereint waren, heirateten sie nach anglikanischem Ritus, da sie beide dieser Konfession angehörten. Schließlich war die Zugehörigkeit zur anglikanischen Kirche gleichbedeutend mit der Zugehörigkeit zu England. „Zwei Kinder wurden geboren. Die beiden Jungen hießen John Ronald Reuel und Hilary Arthur Reuel. Nach der Geburt des zweiten Sohnes machte sie sich wegen der Kinder zunehmend Sorgen über Riesenspinnen, die Auswirkungen der großen Hitze und die Gefahren durch wilde Tiere, sodaß sie Südafrika mit den Kindern und dem Versprechen, in naher Zukunft zurückzukehren, in Richtung England verließ.“
Kurze Zeit später erkrankte ihr Mann jedoch und starb. Die junge Frau und Mutter zweier Kinder, nun verwitwet, beschloß, aufs Land zu ziehen, um die Kinder in einer schönen und harmonischen Umgebung zu erziehen. Viele behaupten, daß dies die Phantasie von J. R. R. Tolkien beflügelt hat, als er das Auenland und die ergreifende einfache Schönheit beschrieb, die es so begehrenswert macht. Doch der Einfluß seiner Mutter auf die beiden Jungen hörte damit nicht auf: „Es war Mabel, die ihre Kinder lehrte, Sprache, Literatur und Kunst zu lieben. Mabel gab auch ihre Liebe zu Christus weiter. Im Jahr 1900 traten Mabel und ihre beiden Söhne in die katholische Kirche ein. Das war sicher keine leichte Entscheidung, denn zu dieser Zeit herrschte in England eine heftige antikatholische Stimmung. Katholisch zu sein, bedeutete nicht britisch zu sein.“
Nemo propheta in patria
Die Verfolgung mit ihren grausamen Stacheln der Mißbilligung und Ausgrenzung traf Mabel auf besonders schmerzhafte Weise durch ihre Familie. Nicht alle, denn auch ihre Schwester May konvertierte und schloß sich mit ihr der katholischen Kirche an, erlag aber leider kurz darauf dem harten Druck ihres Mannes, der sie überredete, dem soeben angenommenen Glauben abzuschwören, was dazu führte, daß sie sich schließlich dem Spiritismus zuwandte: „Mabel aber gab ihren neuen Glauben nie auf, nicht einmal angesichts der persönlichen und finanziellen Ächtung. Die Familie, sowohl ihre eigene als auch die ihres Mannes, hat die junge Witwe, deren Gesundheitszustand sich immer mehr verschlechterte, im Grunde genommen verstoßen, aber sie hat mit Hilfe eines Priesters, Pater Francis Xavier Morgan, der für die Kinder zur Vaterfigur wurde, durchgehalten.
Sie war erst 34 Jahre alt, als sie an Diabetes starb. Ihr Sohn John Ronald Reuel, damals 12 Jahre alt, erinnert sich voller Dankbarkeit an seine Mutter, die so viel für seine menschliche und geistige Entwicklung bedeutete und die zweifellos einen sonst undenkbaren Weg für sein literarisches Werk vorgezeichnet hat. Er selbst bezieht sich in einem Brief an seinen Sohn Michael Hilary darauf, in dem er jene bereits zitierte Stelle schrieb: „(…) eine mit großer Schönheit und Intelligenz ausgestattete Frau, die von Gott mit Schmerz und Leid bedacht wurde und in ihrer Jugend (im Alter von 34 Jahren) an einer Krankheit starb, die durch die Verfolgung ihres Glaubens beschleunigt wurde.“
Ihr Glaube war so zentral für ihre Existenz, daß er ihre Gedanken und Sorgen in den letzten Momenten ihres irdischen Lebens beherrschte. Tolkien schrieb darüber: „Als sie im Sterben lag, machte sie sich nicht so sehr Sorgen um ihren eigenen Tod, sondern um ihre Kinder und deren Glauben. Sie war so besorgt, daß die Jungen von ihrer eigenen Familie oder von den Tolkiens gezwungen werden könnten, ihrem katholischen Glauben abzuschwören, daß sie Pater Francis Xavier Morgan zum Vormund der Jungen ernannte.“
Wie richtig diese Entscheidung war, bezeugte ihr Sohn J. R. R. Tolkien, der seinen Sohn John Francis nannte: John, weil dieser Name in der Familie Tolkien von Generation zu Generation weitergeben wurde; Francis zu Ehren von Pater Morgan.
Wenn sich so viele Generationen an der belebenden und hoffnungsvollen Schönheit von Tolkiens brillanten Werken erfreuen können, verdanken wir das vor allem ihr, Mabel: Was sie mit ihrem mutigen Glauben bezeugte und an ihre Kinder weitergab, webt jenes erstaunliche Gewebe seiner berühmtesten Geschichten, vom Hobbit bis zum Herrn der Ringe, und durch sie nährt sie den Glauben vieler mit Mut und Inspiration.
*Paola Belletti, freie Publizistin, studierte Philosophie an der Universität Bologna und ist Mutter von vier Kindern. Die Erstveröffentlichung erfolgte am 6. Juni in der Monatszeitschrift Il Timone.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Ardapedia