Besprechung von Wolfram Schrems*
Der Wiener Diözesanpriester Mag. phil. Dr. theol. Manfred M. Müller ist Rektor der Kapelle der Psychiatrischen Abteilung im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien und Mitgründer von Priester für das Leben. Er ist Chefredakteur von Medizin und Ideologie, dem Mitteilungsblatt der Europäischen Ärzteaktion in den deutschsprachigen Ländern e. V. (Tamsweg/Österreich). Er ist Autor einiger Bücher zum Lebensschutz und zu vorbildlichen Christen. Er betreibt den Blog Et vita.
Heuer legte er eine sehr gut gemachte Sammlung eindrucksvoller Biographien katholischer Ärzte vor. Der Ärztestand hat sich in unseren Breiten durch seine Beteiligung an Abtreibung, Kontrazeption, Euthanasie und Corona- und Impfterror, und sei es durch Schweigen und unterlassene Hilfeleistung, teilweise kompromittiert. Daher ist die Präsentation von Beispielen eines vorbildlichen ärztlichen Ethos wichtig und verdienstvoll.
Der Autor dazu:
„In den Skalen der Beliebtheit steht das Berufsbild des Arztes bezeichnenderweise nach wie vor weit vorne. Im Arzt wird der Helfer gesehen, der Kundige, der Maßhaltende, der Vertrauenswürdige, derjenige, der dem Leben dient und in den Krisen dieses Lebens ‚zum Nutzen der Kranken‘, wie es im berühmten Eid des Hippokrates heißt, sinnvoll beiträgt.“
Hippokrates ist heutzutage praktisch obsolet. Hw. Müller ruft einer apostasierten Gesellschaft in Erinnerung, daß dieser, ein Heide, der vor Christus lebte, überzeitlich Gültiges forderte:
„Die Ärzte, die auf den folgenden Seiten vorgestellt werden, haben die rechten Diagnosen gestellt, sie haben die Seuchen ihrer Zeit erkannt und gegen alle Widerstände und in unermüdlichem Einsatz das entsprechende therapeutische Rüstzeug angewendet. Es erstaunt nicht, dass viele von ihnen das geworden sind, was [Simone] Weil einfordert: Heilige. Heißt es doch im oben genannten Eid des Hippokrates: ‚Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren.‘“
Die Personen
Dr. Müller stellt folgende Ärzte vor (wobei es bei erstgenannter eine Ermessenssache ist, inwieweit man sie als Ärztin im heutigen Sinn bezeichnen kann):
St. Hildegard von Bingen (Äbtissin, Kirchenlehrerin, 1098–1179), Friedrich Joseph Haass (Armen- und Gefangenenarzt in Moskau, 1780–1853), sel. Ladislaus Fürst Batthyány-Strattmann (Augenarzt, Chirurg und Spitalsgründer, Vorbild im Familienleben, 1870–1931), St. Giuseppe Moscati (Wissenschaftler, Beichtkind von Pater Pio, Zölibatär, außerordentliches Charisma der Ferndiagnose, Kritiker von Ernst Haeckel und Charles Darwin, 1880–1927), St. Riccardo Pampuri (Vorbild der Eigeninitiative, Mitglied der Barmherzigen Brüder, 1897–1930), Anna Dengel (Gründerin des Ordens der Missionsärztlichen Schwestern, 1892–1980), Paul Takashi Nagai (Wissenschaftler, Überlebender des Atombombenabwurfs auf Nagasaki, von unzähligen Menschen gesuchter Berater, 1908–1951), St. Gianna Beretta Molla (opferte ihr Leben für ihr ungeborenes Kind, Vorbild der Lebensschutzbewegung, 1922–1962) und der ehrwürdige Diener Gottes Jérôme Lejeune (Genetiker, Initiator der Päpstlichen Akademie für das Leben, 1926–1994).
Angesichts der hervorragenden Persönlichkeiten ist es bedauerlich, nicht alle angemessen würdigen zu können. Daher in Kürze zu drei der Personen in ihrem Bezug zu gegenwärtig besonders brennenden Problemen.
St. Hildegard – Heil an Leib und Seele
Da die Hildegard-Medizin heutzutage von Katholiken und Nicht-Katholiken geschätzt, leider von manchen übereifrigen Esoterikgegnern auch abgelehnt wird, sei hier die innige Verbindung von Glaube und Wissenschaft bei Hildegard, der „Prophetin der Deutschen“ und Beraterin von Päpsten und Herrschern, in Erinnerung gerufen.
Hildegard von Bingen thematisiert den menschlichen Urstand vor dem Sündenfall in poetischer Weise, als „alles Gehorchen der Kreatur nur ein Verlangen nach dem Kusse des Schöpfers“ war.
Sie tritt der zu ihrer Zeit ausbrechenden Irrlehre der Katharer entgegen, „die unter anderem der Materie ihren gottgewollten Rang absprechen, indem sie sie als verachtenswert brandmarken“. Genau diese Verachtung gegenüber der konkreten materiellen Realität ist eine der Wurzeln der gegenwärtigen Idiotie, ein Mensch könne „im falschen Körper“ stecken. Hildegard legt dann auch schon eine vom Autor so genannte „Theologie des Leibes“ vor.
Hildegard stellt den Widerwillen der Natur, der „Elemente“ gegen die Rebellion und Dummheit des Menschen dar: Es ist die Sünde der Menschen, die den wirklichen „Klimawandel“, verursacht, wenn man das so sagen will. Die Klage, die Hildegard den Elementen in den Mund legt, ist herzzerreißend:
„Wir können nicht mehr laufen und unsere Bahn nach unseres Meisters Bestimmung vollenden. Denn die Menschen kehren uns mit ihren schlechten Taten wie in einer Mühle von unterst zu oberst.“
Der göttliche Arzt ist Jesus Christus, der dem reuigen Menschen die „Rückkehr in die verlorene Heimat“ und die „Aufrichtung aus dem autistischen Verkrümmtsein“ anbietet. Innerweltliche Utopien sind zwecklos: Der aktuelle Stand des Menschen ist ein gebrechlicher Zwischenstand (destitutio), nämlich zwischen dem verlorenen schönen Urstand (constitutio) und seinem Ziel der eschatologischen Wiederherstellung (restitutio).
Heilung ist nach Hildegard nicht nur Wiederherstellung kranker Funktionen, sondern ist etwas Umfassenderes, sie setzt den Weg der Bekehrung und Buße zu gehen, „den Weg der Tugend“, voraus. Im Zeitalter einer entweder materialistischen Medizin oder aber esoterisch-spiritualistischen Quacksalberei sollte das dringend gehört werden.
Friedrich Joseph Haass – Vorbild der Nächstenliebe und für das Handeln in Epidemien
Der aus Münstereifel (südwestlich von Bonn) stammende Haass gründete in Rußland Armenspitäler und behandelt Patienten kostenfrei. Er wird vom Zaren in den Adelsstand erhoben und mit 31 Jahren zum Hofrat ernannt. Er wird oberster Arzt der Gefängnisse und setzt sich humanitär und religiös für die Gefangenen ein, die im damaligen Rußland ein sehr hartes Schicksal haben.
Sein Motto ist: „Beeilt euch, das Gute zu tun!“
Haass hat eine sehr indifferente Beziehung zu seinem Eigentum: Bei seinem Tod hinterläßt er fast nichts. Er hilft Patienten aus eigener Tasche und finanziert seinem Ziehsohn Nikolai das Medizinstudium. Er verkauft sein Stadthaus und zieht ins Katharinenspital, dann ins Spital für Obdachlose. Kranke, die im Spital oft keinen Platz mehr fanden, nahm er mit sich nach Hause, um sie dort zu pflegen.
Haass, dem bei so manchem Moskowiter ungeliebten Ausländer, schlug aber auch der Widerstand aus dem Apparat entgegen. Er wird sogar vor Gericht gezerrt und muß neunzehn Jahre prozessieren, bis ihm Recht gegeben wird.
Für unsere Zeit ist Haass wegen seines Verhaltens in einer Choleraepidemie vorbildlich, in der „er als der erfahrene und entscheidende Verantwortliche unerschrocken und unermüdlich im Einsatz“ ist. Er kümmert sich also um die Opfer der Epidemie und sagt ihnen nicht, sie sollen sich isolieren und da oder dort anrufen. Er verdient sich nicht mit gefährlichen Impfungen in kürzester Zeit eine goldene Nase, wie das in den letzten Jahren vorgekommen ist, sondern instruiert die ihm untergebenen Ärzte folgendermaßen:
„Der Arzt darf nicht vergessen, dass das Vertrauen, mit welchem sich die Kranken sozusagen seiner Willkür hingeben, erfordert, dass er sie offenherzig, mit völliger Selbstverleugnung, mit freundlicher Besorgnis um ihre Bedürfnisse mit derselben Gemütsstimmung, welcher der Vater für seine Kinder, der Vormund für seine Mündel empfindet, behandle.“
Zu seiner Beerdigung kamen zwanzigtausend Menschen.
Der Seligsprechungsprozeß ist eingeleitet.
Jérôme Lejeune – Lebensschützer und Opfer von Intrigen
Der Rezensent nahm an einem Kongreß von Human Life International in der Fastenzeit 1993 in den Niederlanden teil. Dort referierte auch Professor Lejeune. Der Rezensent erinnert sich gut an dessen auffallend „helle“ und gewinnende Ausstrahlung. Daß er als Franzose ausgezeichnet Englisch sprach, zeigte dem Zuhörer, daß er seine Verpflichtungen, die sich aus Ausbildung und Beruf ergaben, ernstgenommen hatte.
Lejeune entdeckte die Ursache des „Mongolismus“, die seitdem „Trisomie 21“ heißt.
Im Jahr 1969 wird Lejeune der renommierte William Allan Memorial Award für Genetiker verliehen. Er mußte feststellen, „dass man seine genetischen Erkenntnisse zur pränatalen Diagnostik missbraucht, nämlich zur eugenischen Eliminierung von ungeborenen Kindern, die Trisomie 21 aufweisen“.
Bei der Preisverleihung spricht er harte Worte gegen das Töten ungeborener Kinder. Er schlägt vor, den Namen National Institute of Health auf National Institute of Death umzuwandeln, denn dieser Name würde zu dessen Aktivität besser passen. Eisiges Schweigen der Honoratioren folgt.
Die Karriere Lejeunes im Umkreis der Macht ist danach zu Ende. In Frankreich wird die Abtreibung legalisiert. Auf die Mauern der Medizinischen Fakultät und auf Schilder schmieren Anarchisten die Parolen Tod Lejeune und seinen kleinen Monstern! In akademischen Veranstaltungen bedroht ihn ein linker Mob selbst körperlich.
Lejeunes Praxis für die Trisomie21-Kinder ist bald international berühmt. Nicht nur aus Frankreich suchen ihn Eltern auf und bitten ihn um Hilfe für ihre Kinder. Sie treffen auf einen weltberühmten Arzt, der ihren kleinen Sohn oder ihre kleine Tochter auf seine Knie nimmt und liebevoll mit deren Namen anspricht:
„Seine Art, das Kind zu begrüßen, mit Sanftheit und einer unendlichen Wertschätzung, so als habe er einen Prinzen vor sich, ließ die Eltern begreifen, dass ihr Kind einen unendlichen Wert in den Augen Gottes hat.“
Johannes Paul II. hat in Jérôme Lejeune früh den Geistesverwandten erkannt. Als der Papst zu Beginn der Achtzigerjahre eine Päpstliche Akademie für das Leben plant, beauftragt er Lejeune mit deren Vorbereitung und Gründung. Beide mußten deren Verwüstung unter Papst Bergoglio nicht mehr miterleben.
„Am 21. Januar 2021 wurde dem Diener Gottes Jérôme Lejeune der heroische Tugendgrad zuerkannt. Er ist damit als verehrungswürdig proklamiert.“
Resümee
Hochwürden Müller hat kurze und aussagekräftige Beschreibungen des Lebens und Vermächtnisses bedeutender christlicher Ärzte vorgelegt. Die Sprache ist klar und verständlich. Die Literaturliste ist eindrucksvoll.
Eine gute Idee war es, jeweils am Ende einer jeden Biographie eine Zitatensammlung anzufügen. Inhaltlich wichtig ist der wiederholte Hinweis, daß sich große, heroische Entscheidungen am Ende eines christlichen Lebens durch eine opferbereite Lebenshaltung und viele kleine Tugendübungen vorbereiten. Genannt wird als Vorbild dafür St. Maximilian Kolbe (mit dem etwa Takashi Nagai persönlich bekannt war). –
Ein kleiner Kritikpunkt in einer Nebensache: In der Biographie von Fürst Batthyány-Strattmann finden sich einige Unschärfen in Geographie (Kittsee war niemals in „Nordungarn“, eine „slowakische Grenze“ und ein „Bratislava“ gab es in den 1870er Jahren nicht, Körmend ist auch heute noch auf ungarischem Staatsgebiet und nicht im Burgenland, Feldbár ist in der heutigen Slowakei und heißt demgemäß anders) und Orthographie (Ladislaus ist auf Ungarisch László, nicht Laśzló). –
Dem Autor und dem Verlag ist für diese wunderbare Publikation zu danken. Möge sie besonders Ärzten Vorbilder und Fürsprecher vermitteln.
Wenn sich der Leser am Schluß der Lektüre denkt, es hätte gerne noch mehr sein können, dann hat der Autor seine Sache gut gemacht.
Manfred M. Müller, Beeindruckende Glaubenszeugnisse christlicher Ärzte, Media Maria, Illertissen 2023, 192 Seiten
*Wolfram Schrems, Wien, Mag. theol., Mag. phil., kirchlich gesendeter Katechist, Pro-Lifer, dankt zahlreichen Ärzten für ihre Hilfe und warnt vor Heilsversprechungen der „Schulmedizin“ und ihrer pharmazeutischen Finanziers genauso wie vor denen der esoterischen „Alternativmedizin“.