Leo XIII. und das Gebet zum heiligen Erzengel Michael

Dem Vergessen entreißen


Papst Leo XIII. hatte eine Höllenvision und verfaßte darauf das Gebet zum Erzengel Michael, das in der Langfassung Teil des Exorzismusbuches der Kirche ist, in der Kurzfassung bis zur Liturgiereform nach der Heiligen Messe gebetet wurde.
Papst Leo XIII. hatte eine Höllenvision und verfaßte darauf das Gebet zum Erzengel Michael, das in der Langfassung Teil des Exorzismusbuches der Kirche ist, in der Kurzfassung bis zur Liturgiereform nach der Heiligen Messe gebetet wurde.

Am 20. Juli vor 120 Jah­ren ist Leo XIII. gestor­ben. Der Papst von Rer­um Novarum ist unter ande­rem noch heu­te für das berühm­te Gebet an den hei­li­gen Erz­engel Micha­el bekannt, das eine ganz eige­ne Geschich­te hat.

Anzei­ge

Vor genau ein­hun­dert­zwan­zig Jah­ren starb Papst Leo XIII. (1810–1903), der Ver­fas­ser von Rer­um Novarum, der ersten Sozi­al­enzy­kli­ka der Kir­che. Aber Leo XIII. war nicht nur der „sozia­le“ Pon­ti­fex, den uns heu­te die mei­sten Geschichts­bü­cher zu Recht nen­nen. Er war auch der Ver­fas­ser eines beson­de­ren Gebets an den Erz­engel Micha­el, eines wah­ren Exor­zis­mus. Und hin­ter die­sem Gebet ver­birgt sich eine fas­zi­nie­ren­de Geschich­te, die es zu ent­decken und in Erin­ne­rung zu rufen gilt. Die­se fas­zi­nie­ren­de Geschich­te stell­te Anto­nio Tar­al­lo von La Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na zusammen.

Es war der 13. Okto­ber 1884, als Papst Leo XIII. wäh­rend der Fei­er der Hei­li­gen Mes­se in sei­ner Pri­vat­ka­pel­le zwei Stim­men hör­te. Die eine war sanft, die ande­re rau und hart. Die erste Stim­me war die von Jesus, die ande­re die des Satans. Der Dia­log zwi­schen ihnen war sehr leb­haft: Der Böse bat Jesus um mehr Zeit und Macht, um die Kir­che zer­stö­ren zu kön­nen. Die Zeit, die er für die Aus­füh­rung sei­nes Plans benö­tig­te, betrug 75 bis 100 Jah­re: Jesus habe der Bit­te zuge­stimmt, aller­dings mit dem Hin­weis, die Pfor­ten der Höl­le wür­den sicher nicht das letz­te Wort haben.

Die­se mysti­sche Erfah­rung Leos XIII. wur­de durch eine ech­te Visi­on berei­chert. Der Pon­ti­fex selbst beschrieb das, was er gese­hen hat­te, wie folgt:

„Ich sah die Erde in Fin­ster­nis und einen Abgrund gehüllt; ich sah Legio­nen von Dämo­nen her­vor­kom­men, die sich über die Welt aus­brei­te­ten, um die Wer­ke der Kir­che zu zer­stö­ren und die Kir­che selbst anzu­grei­fen, die ich bis zur Erschöp­fung redu­ziert sah. Dann erschien der hei­li­ge Micha­el und trieb die bösen Gei­ster zurück in den Abgrund. Dann sah ich den hei­li­gen Erz­engel Micha­el ein­grei­fen, nicht in die­sem Moment, son­dern viel spä­ter, sobald die Men­schen ihre inbrün­sti­gen Gebe­te zum Erz­engel ver­viel­facht hätten.“

Der Pon­ti­fex war von einem sol­chen apo­ka­lyp­ti­schen Sze­na­rio schwer getrof­fen. Sofort nach dem Erwa­chen ging Papst Leo XIII. in sein Amts­zim­mer zurück und ver­faß­te spon­tan ein Gebet an den Erz­engel Michael.

Das Gebet wur­de spä­ter in sei­ner erwei­ter­ten Form in das offi­zi­el­le Exor­zis­mus­buch der Kir­che auf­ge­nom­men und durf­te als sol­ches in Fäl­len von Beses­sen­heit nur von einem dazu befug­ten Prie­ster vor­ge­tra­gen wer­den. In die­ser Fas­sung ist das Gebet sehr lang, im Gegen­satz zu der bekann­te­ren Kurz­form. Wir zitie­ren nur einen Teil davon:

„[Hei­li­ger Micha­el], eile den Men­schen zu Hil­fe, die von Gott nach Sei­nem Bild und Gleich­nis geschaf­fen und unter gro­ßen Opfern von der Tyran­nei des Teu­fels befreit wur­den. Kämp­fe heu­te die Schlach­ten des Herrn mit dem gan­zen Heer der geseg­ne­ten Engel, wie du gegen den Für­sten des Hoch­muts Luzi­fer und sei­ne abtrün­ni­gen Engel gekämpft hast; und die­se konn­ten nicht tri­um­phie­ren, und nun gibt es kei­nen Platz für sie im Him­mel. Aber die­ser gro­ße Dra­che ist gefal­len, die­se alte Schlan­ge, die man Teu­fel und Satan nennt und die allen Fal­len stellt.“

Dann wur­de auf das Bezug genom­men, was der Pon­ti­fex gese­hen hatte:

„Nun sie­he, die­ser alte Feind, die­ser Mör­der von alters­her, erhebt sich mit neu­em Zorn.“

Es folgt die Bit­te um Hil­fe an den Erz­engel Micha­el, um die Fal­len des Bösen zu bekämpfen.

Dann gibt es noch die kür­ze­re Fas­sung, die heu­te sehr bekannt ist und von vie­len Gläu­bi­gen gebe­tet wird, obwohl die Kir­che die­ses Gebet fast ganz auf­ge­ge­ben hat. Papst Leo XIII. ord­ne­te an, daß es in allen Kir­chen der Welt am Ende der Hei­li­gen Mes­se im Rah­men der soge­nann­ten Pre­ces Leo­nia­nae, der Leo­ni­schen oder Leo­ni­ni­schen Gebe­te, einer Rei­he von fei­er­li­chen Gebe­ten und Anru­fun­gen an Gott und die Jung­frau Maria, die bereits seit 1859 in Gebrauch sind, rezi­tiert wer­den soll­te. Das von Leo XIII. ver­faß­te und in das römi­sche Ritu­al ein­ge­führ­te Gebet lau­te­te in der Kurz­form wie folgt (in einer deut­schen Übersetzung):

„Im Namen des Vaters, des Soh­nes und des Hei­li­gen Gei­stes.
Hei­li­ger Erz­engel Micha­el,
schir­me uns im Strei­te,
gegen die Bos­heit und die Arg­list des Teu­fels sei du unser Schutz.
Gott gebie­te ihm,
so bit­ten wir fle­hent­lich;
du aber, Fürst der himm­li­schen Heer­scha­ren,
stür­ze den Satan und die ande­ren bösen Gei­ster,
die zum Ver­der­ben der See­len die Welt durch­schwei­fen,
in der Kraft Got­tes hin­ab in die Höl­le. Amen.“

Mit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil und der Abschaf­fung der Leo­ni­ni­schen Gebe­te fand eine erste dra­sti­sche Ein­schrän­kung des von Leo XIII. ver­faß­ten Gebets statt. Die­ser Reform folg­ten im Lau­fe der Jah­re wei­te­re Ein­schrän­kun­gen, bis das so macht­vol­le Gebet fast in Ver­ges­sen­heit geriet.

Johan­nes Paul II. erin­ner­te 1994 die Gläu­bi­gen an die wert­vol­len Wor­te von Papst Leo XIII.:

„Das Gebet möge uns stär­ken für jenen geist­li­chen Kampf, von dem der Ephe­ser­brief spricht: ‚Schöpft Kraft aus dem Herrn und aus der Stär­ke sei­ner Macht‘ (Eph 6,10). Auf die­sen Kampf bezieht sich auch das Buch der Offen­ba­rung, das uns das Bild des Erz­engels Micha­el vor Augen führt (vgl. Offb 12,7). Papst Leo XIII. hat­te die­se Sze­ne sicher­lich vor Augen, als er Ende des letz­ten Jahr­hun­derts in der gan­zen Kir­che ein beson­de­res Gebet zum hei­li­gen Micha­el ein­führ­te“ (Regi­na Coeli, 24. April 1994).

Am 29. Sep­tem­ber 2018, dem Erz­engel­fest, erin­ner­te uner­war­tet auch Papst Fran­zis­kus das Volk Got­tes in einer Pres­se­mit­tei­lung des Hei­li­gen Stuhls an das berühm­te Gebet:

„Der Hei­li­ge Vater hat beschlos­sen, alle Gläu­bi­gen aus der gan­zen Welt ein­zu­la­den, wäh­rend des gesam­ten Mari­en­mo­nats Okto­ber täg­lich den Rosen­kranz zu beten und so in Gemein­schaft und Buße als Volk Got­tes die hei­li­ge Mut­ter Got­tes und den hei­li­gen Erz­engel Micha­el zu bit­ten, die Kir­che vor dem Teu­fel zu schüt­zen, der immer ver­sucht, uns von Gott und von­ein­an­der zu tren­nen. […] Der Hei­li­ge Vater bat auch dar­um, daß das Rosen­kranz­ge­bet im Okto­ber mit dem von Leo XIII. ver­faß­ten Gebet abge­schlos­sen wird.“

Bedau­er­li­cher­wei­se bete­te er das Erz­engel-Micha­el-Gebet bis­her nicht öffent­lich. Es fehlt damit das päpst­li­che Vor­bild, um die­ses macht­vol­le Gebet in den Got­tes­dienst zurückzubringen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: NBQ

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!