Von Cristiana de Magistris
Die Fastenzeit ist die Bußzeit schlechthin, und die Buße schlechthin ist die sakramentale Buße, die allein – im Gegensatz zu anderen Bußpraktiken, wie streng sie auch sein mögen – die Macht hat, die heiligmachende Gnade, d. h. das Leben Gottes, in der Seele eines jeden Getauften wiederherzustellen, wenn er das Pech hatte, sie durch Todsünden zu verlieren.
Abbé Barthe hat kürzlich in einem Artikel die Krise dieses Sakraments seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hervorgehoben und hofft auf eine „Wiederbelebung“ nach dem Gemetzel der vergangenen fünfzig Jahre.
Eine kleine, nicht sehr bekannte Schrift, die der heilige Franz von Sales an seine Priester gerichtet hat, um sie in der Spendung des Bußsakraments zu unterweisen, könnte vielleicht zu dieser Wiederbelebung beitragen.
In dieser Schrift empfiehlt der Heilige – wie in seinem von André Jean-Marie Hamon, dem Kuraten von Saint-Sulpice, verfaßten Leben zu lesen ist, – den Priestern zunächst, stets mit tiefer Reinheit des Gewissens und dem brennenden Wunsch zum heiligen Gericht zu gehen, die Seelen zu retten. Dann fügt er hinzu:
„Denkt daran, daß die armen Büßer euch ihren Vater nennen, und daß ihr deshalb ein ganz väterliches Herz für sie haben müßt, sie mit Sanftmut aufnehmt, mit Geduld ihre Rohheit, ihre Unwissenheit und alle ihre Fehler ertragt, in Nachahmung des Vaters des verlorenen Sohnes, der sich nicht von dem Übelkeit auslösenden Zustand der Nacktheit und Taubheit abstoßen läßt, in dem er seinen Sohn sieht, sondern ihn umarmt, ihn mit einem Anflug von Liebe küßt, weil er ein Vater ist, und das Herz eines Vaters ist zärtlich zu seinen Kindern.“
Auf der Grundlage dieses Prinzips will er jene ermutigen, deren Sünden beschämen und ängstlich machen, indem er ihnen sagt, daß der Priester die menschliche Schwäche zu gut kennt, als daß er sich darüber wundern könnte, daß die Menschen sündigen; daß der Mensch sich durch Reue und Bekennen seiner Fehler mehr ehrt als der, der sich durch seine eigenen Fehler entehrt hat, und daß die Buße eine zweite Unschuld ist. Wenn hingegen die Pönitenten ohne Furcht zu sein scheinen, will er sie daran erinnern, daß sie nicht vor einem Menschen stehen, sondern vor Gott, der sie richten wird; daß es für sie in diesem Augenblick um eine glückliche oder unglückliche Ewigkeit geht und daß sie sich durch ein schlecht gemachtes Bekennen mit einem neuen Verbrechen beflecken würden. Denen, die kein Vertrauen haben, soll man die Barmherzigkeit Gottes nahebringen, die größer ist als unser Elend; die Güte Jesu Christi, der uns im Gebet für seine Henker zu verstehen gibt: Wenn wir ihn auch mit unseren eigenen Händen gekreuzigt hätten, würde er uns dennoch vergeben, wenn er uns reuig sieht; daß die geringste Reue, sofern sie aufrichtig ist und vom Sakrament begleitet wird, vor Gott die Kraft hat, alle Sünden zu tilgen; daß selbst die Verdammten und die Dämonen gerechtfertigt wären, wenn sie mit einem Gefühl der Reue beichten könnten; daß die größten Heiligen oft große Sünder waren, wie David, der heilige Petrus, der heilige Matthäus, die heilige Maria Magdalena, der heilige Augustinus; daß die größte Beleidigung, die man der göttlichen Güte und dem Leiden und Sterben Jesu Christi antun kann, darin besteht, nicht auf die Vergebung der eigenen Fehler zu hoffen; und schließlich, daß der Sündenerlaß ein Glaubensartikel ist.
Der Heilige schlägt dann die heiligen Methoden vor, mit denen man die sehr schwerwiegende Anklage der schändlichen Sünden abwehren und, wie er sagt, die schönen Seelen der Büßer langsam und richtig zu einer guten Beichte führen kann, indem man ihnen hilft, sie sprechen läßt, ohne ihre Ausdrucksweise zu tadeln, und sie mit diesen oder ähnlichen Worten animiert: „Welche große Gnade schenkt dir Gott, gut zu beichten! Ich weiß, daß der Heilige Geist dich dazu bewegt, eine gute Beichte abzulegen. Habt Mut: Sagt es offen… Ihr werdet bald eine große Freude darüber haben, eine gute Beichte abgelegt zu haben, und nichts in dieser Welt wird sich mit dem Glück vergleichen lassen, Euer Gewissen völlig befreit zu haben; welch ein Trost für Euch in der Todesstunde, diese gute Beichte abgelegt zu haben!“
Dann geht der heilige Bischof zu den Fragen über, die den Pönitenten gestellt werden sollen, nachdem sie ihre Selbstanklage beendet haben; die Zahl der Sünden mit den Umständen, die ihre Art verändern, sie verschlimmern oder vermindern und oft sogar in einer einzigen Tat vervielfachen, ebenso zu kennen wie die Sünden der Gedanken und des Verlangens, die oft nicht gebeichtet werden, und auch die, die man dem Nächsten gegenüber begehen will.
Soviel Weisheit, gepaart mit soviel Klugheit, zeigt deutlich, daß das Bußsakrament von den Beichtvätern, die im Akt der Absolution das Blut Christi spenden, einen ganz besonderen Fleiß verlangt. Es muß in aller Klarheit gesagt sein: Es ist ein Gericht, in dem sich ein geständiger Täter (der Büßer) und ein Richter (der Beichtvater) begegnen. Man kann die Beichte nicht auf eine sterile Aufzählung von Fehlern reduzieren, auch nicht auf ein Gespräch, sei es auch noch so geistlich. Das entspricht nicht dem Wesen des Sakraments. Der Beichtvater ist kein Begleiter, geschweige denn ein geistlicher Freund: Im Moment, in dem er die Beichte hört, ist er Vater, vor allem aber Richter und hat daher jedes Recht und manchmal die Pflicht, Fragen zu stellen, bevor er die Absolution erteilt, die er auch verweigern kann, wenn er es für nötig hält.
Der Autor erörtert dann die Regeln für die Absolution und die vorbehaltenen Fälle, dann die aufzuerlegende Buße, die so beschaffen sein soll, daß der Pönitent sie bereitwillig vollzieht und die ein Schutzmittel gegen Rückfälle ist. Schließlich ermahnt er die Beichtväter, den Büßern zu empfehlen, oft zu beichten und zur Kommunion zu gehen, Predigten und Unterweisungen zu besuchen, gute und fromme Bücher zu lesen, schlechte Gesellschaft zu meiden und gute Gesellschaft zu pflegen, oft zu beten, jeden Abend eine Gewissenserforschung zu machen, an die vier Novissima zu denken und ein Kruzifix und Heiligenbilder zu haben, die sie oft küssen sollen.
Dies sind die Regeln, die der heilige Prälat seinem Klerus vorschrieb. Und er war der erste, der sie in die Praxis umsetzte. Im Zuge der Heiligsprechung des Heiligen bezeugten die Priester und Ordensleute von Annecy unter Eid, daß der fromme Bischof ihnen allen befohlen hatte, die Ärmsten und Elendsten zu ihm in den Beichtstuhl zu schicken, ebenso wie jene, die von widerwärtigen und ekelerregenden Krankheiten befallen waren, denn, so sagte er, obwohl sie am bedürftigsten seien, sind sie im allgemeinen am meisten verlassen. Einige Jahre zuvor, 1593, nahm der Heilige in Chablais nach einer Unterweisung einigen Soldaten die Beichte ab, von denen einer, nachdem er seine Predigt über die Schrecken der Sünde gehört hatte, in tiefe Verzweiflung verfiel. Der Heilige ergriff eine besondere Maßnahme, indem er den Soldaten bei sich aufnahm, ihn in seinem Haus beherbergte, mit ihm aß und ihn mehrfach in der Beichte unterwies. Der Heilige, der schließlich von der Reue des Soldaten bewegt war, verlangte von ihm als Buße nur ein Vaterunser und ein Ave Maria. Der Soldat protestierte und meinte, diese Buße stehe in keinem Verhältnis zur Schwere seiner Verbrechen, doch der Heilige antwortete ihm:
„Nein, vertraue auf die göttliche Barmherzigkeit, die weit größer ist als deine Sünden, und was die Buße betrifft, so werde ich den Rest tun.“
Bei dieser Gelegenheit betete der heilige Bischof nicht nur für seinen Pönitenten, sondern trieb seine grenzenlose Nächstenliebe zu einer Art „stellvertretender Genugtuung“, wie es in jüngerer Zeit Pater Pio von Pietrelcina tat. Ein Heldentum, das nicht allen Beichtvätern auferlegt oder abverlangt wird, aber sicherlich lobenswert und empfehlenswert ist.
Aber die kleine Schrift über die Beichte geht noch weiter. Da es nicht selten zu Täuschungen kommt und die Beichtväter Gefahr laufen, in ihren Pönitenten Suggestionen der Eigenliebe für Eingebungen des Heiligen Geistes zu nehmen oder Irreführungen einer übersteigerten Phantasie oder die Einflüsterungen des Geistes der Finsternis aufzunehmen, hielt es der heilige Bischof für notwendig, in seiner Schrift einige Regeln für die Unterscheidung der Geister hinzuzufügen.
Nach diesem erfahrenen Lehrer sind die Kennzeichen des Geistes Gottes:
- die Demut, die den Menschen lehrt, seine eigene Schwäche zu erkennen, vor sich selbst zu zittern, aber zu hoffen, indem er auf Gott schaut;
- die Sanftmut und die Nächstenliebe, die die Fehler des Nächsten dulden;
- die Liebe zum Leiden und die Geduld;
- der Gehorsam, der es liebt, geführt zu werden.
Die Kennzeichen des Geistes der Täuschung sind dagegen:
- die Eigenliebe, die mehr zählt als die Tugend, die ihr eigenes Urteil und ihren eigenen Verstand mehr schätzt, die sich profilieren und zeigen will, die zimperlich ist und sich leicht kränken läßt;
- der bittere Eifer, der kein Mitleid mit den Fehlern der anderen hat;
- die Ungeduld, die in der Not klagt und in Schwierigkeiten entmutigt ist;
- schließlich der Stolz und der Eigensinn, die sich nie zu fügen wissen.
All diese weisen Ratschläge wurden von einem Widmungsbrief begleitet, der es wert ist, zitiert zu werden.
„Meine lieben Brüder, das Amt, das ihr ausübt, ist ein ausgezeichnetes, denn Gott hat euch dazu auserwählt, die Seelen mit einer solchen Autorität zu richten, daß die gerechten Urteile, die ihr auf Erden sprecht, im Himmel bestätigt werden, und eure Lippen sind die Kanäle, durch die der Friede vom Himmel zur Erde über die Menschen guten Willens fließt. Eure Stimmen sind die Trompeten des großen Jesus, die die Mauern der Ungerechtigkeit in diesem mystischen Jericho zum Einsturz bringen lassen. Es ist die höchste Ehre für die Menschen, zu einer Würde erhoben zu werden, zu der selbst die Engel nicht berufen sind, denn zu wem hat Gott jemals gesagt: ‚Wem ihr die Sünden vergebt, dem werden sie vergeben‘? Da ihr also in diesem bewundernswerten Amt im Einsatz seid, müßt ihr euch Tag und Nacht anstrengen, und ich einen großen Teil meiner Zeit.“
Diese Schrift hat nicht nur in Savoyen, sondern auch in Frankreich, in Italien und darüber hinaus viele Früchte getragen. Sie wurde in mehrere Sprachen übersetzt und gelesen, obwohl der Heilige keine Gelegenheit hatte, seine letzte Hand daran zu legen. Seine Lektüre ist nicht nur für Beichtväter, sondern auch für Pönitenten sehr nützlich, bleibt außerordentlich aktuell und könnte wirklich die erhoffte „Wiederbelebung“ des Beichtsakraments fördern, denn sie macht mit der für den heiligen Bischof von Genf typischen Sanftheit und Weisheit deutlich, daß der Beichtstuhl ein Gericht ist und bleibt, das höchste Gericht, in dem sich menschliches Elend und göttliche Barmherzigkeit begegnen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons