Vatikan wirft „rebellische“ Ordensfrauen raus

Papst Franziskus akzeptiert Schenkung und statuiert ein Exempel


Die "rebellischen" Klarissen verlassen das Kloster von Ravello.
Die "rebellischen" Klarissen verlassen das Kloster von Ravello.

(Rom) Sie haben lan­ge Wider­stand gelei­stet: Nun haben die „rebel­li­schen“ Ordens­frau­en Mas­si­mi­lia­na Pan­za und Ange­la Maria Pun­nacka das Klo­ster San­ta Chia­ra in Ravel­lo ver­las­sen, nach­dem Papst Fran­zis­kus an ihnen ein Exem­pel sta­tu­iert hatte.

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Die Stadt Ravel­lo liegt in der bezau­bern­den Land­schaft der amal­fi­ta­ni­schen Küste in der süd­ita­lie­ni­schen Regi­on Kam­pa­ni­en. Die Stadt mit dem groß­ar­ti­ge Pan­ora­ma­blick konn­te sich lan­ge als byzan­ti­ni­sches Gebiet hal­ten. Erst im 11. Jahr­hun­dert kam es kurz­zei­tig unter lan­go­bar­di­sche Herr­schaft, die bereits 1073 von den Nor­man­nen abge­löst wur­de. Die Nor­man­nen waren es auch, die Ravel­lo zum Bischofs­sitz machten.

Ende des 13. Jahr­hun­derts ent­stand am Stadt­rand ein Kla­ris­sen­klo­ster. Seit­her leben dort Klau­sur­schwe­stern, deren Cha­ris­ma die Anbe­tung ist. Die klei­ne drei­schif­fi­ge Kir­che und das Klo­ster erhiel­ten 1722 ihr heu­ti­ges Aus­se­hen. Der Hoch­al­tar ist der Auf­nah­me Mari­ens in den Him­mel gewid­met und zeigt Dar­stel­lun­gen des hei­li­gen Fran­zis­kus und der hei­li­gen Kla­ra. Das älte­ste Fres­ko, ein seg­nen­der Chri­stus, stammt noch aus dem mut­maß­li­chen Grün­dungs­jahr 1297 oder kurz davor. Im rech­ten Sei­ten­schiff erlaubt eine Tür mit einem Git­ter das Gespräch mit den Ordens­frau­en, die bis zuletzt die stren­ge Klau­sur ein­hiel­ten, wes­halb das Klo­ster auch nicht besich­tigt wer­den kann. Für vie­le der meist von Eile getrie­be­nen Tou­ri­sten unse­rer Tage wäre ein Besuch an einem sol­chen Ort ohne­hin nichts. Es zieht sie mehr zur berühm­ten Vil­la Cim­bro­ne, die gleich west­lich an das Klo­ster anschließt.

Der Blick von Ravel­lo auf die Amal­fi­kü­ste und den Golf von Salerno

„Wir wer­fen einen dis­kre­ten Blick hin­ter die­se Mau­ern, in denen die Stil­le hei­lig ist“, schrieb der in Ravel­lo gebo­re­ne Mino­rit, Histo­ri­ker und Archäo­lo­ge P. Ore­ste Maria Casa­bu­ro in sei­ner Beschrei­bung von Klo­ster und Kir­che. Als er 1942 in das Ordens­no­vi­zi­at sei­ner Hei­mat­stadt ein­trat, war das Leben und die Kul­tur­land­schaft an der Amal­fi­kü­ste noch etwas anders dekli­niert, das Leben im Kla­ris­sen­klo­ster von Ravel­lo aber ver­än­der­te sich kaum. Der Platz vor der Kir­che ist wie eh und je son­nen­ge­flu­tet. Die Klo­ster­an­la­ge auf dem Grat bie­tet einen traum­haf­ten Blick über den Golf von Saler­no und in den Vallo­ne del Dra­go­ne, das Dra­chen­tal, im Nordwesten.

Seit mehr als 700 Jah­ren leben die Kla­ris­sen auf die­sem Berg und haben alle Angrif­fe, Wir­ren und Natur­ka­ta­stro­phen über­stan­den. Das Klo­ster gehört damit zu den älte­sten durch­ge­hend bewohn­ten Klö­stern des Lan­des. In sei­ner Blü­te 1577 leb­ten hier 41 Schwe­stern, drei Novi­zin­nen und zwei Con­ver­sen. Der gro­ße Schlaf­saal befand sich damals über dem Kirchenschiff.

Als im 17. Jahr­hun­dert die triden­ti­ni­sche Kir­chen­re­form umge­setzt wur­de, sind in Ravel­lo die Klö­ster der Augu­sti­ner-Ere­mi­ten und der Mino­ri­ten geschlos­sen wor­den. Die Klö­ster der Bene­dik­ti­ner und der Kla­ris­sen aber blie­ben bestehen. Das Kla­ris­sen­klo­ster über­stand auch die klo­ster­feind­li­chen napo­leo­ni­schen Wir­ren, weil sich damals mehr als zwölf Schwe­stern im Klo­ster befan­den, die von den fran­zö­si­schen Macht­ha­bern als Min­dest­an­zahl vor­ge­schrie­ben waren. Als spä­ter im 19. Jahr­hun­dert unter kir­chen­feind­li­chem Vor­zei­chen die ita­lie­ni­sche Eini­gung voll­zo­gen und das König­reich Bei­der Sizi­li­en 1861 dem neu­en König­reich Ita­li­en ein­ver­leibt wur­de, schien im Zuge der gro­ßen Klo­ster­auf­he­bung auch die Stun­de für das Kla­ris­sen­klo­ster von Ravel­lo geschla­gen zu haben. Das Auf­he­bungs­de­kret war von den neu­en Macht­ha­bern bereits unter­zeich­net, doch es kam nie zu des­sen Umset­zung, weil auch jetzt die Zahl der Schwe­stern trotz Auf­nah­me­ver­bots nie unter die Min­dest­gren­ze sank, die ihre Aus­wei­sung erlaubt hätte.

Nun, 150 Jah­re spä­ter, weht unter Papst Fran­zis­kus in der Kir­che ein Wind, der den Klau­sur­klö­stern wenig freund­lich gesinnt ist. Wie die „Auf­klä­rer“ des spä­ten 18. Jahr­hun­derts scheint man in San­ta Mar­ta kei­nen „Nut­zen“ in welt­ab­ge­wand­ten Anbe­tungs­schwe­stern zu sehen.

Drei Kla­ris­sen leb­ten zuletzt noch in Ravel­lo. Zu weni­ge, sag­te die römi­sche Ordens­kon­gre­ga­ti­on, um den Fort­be­stand des Klo­sters „zu recht­fer­ti­gen“, und dekre­tier­te im ver­gan­ge­nen Jahr die Auf­he­bung des Kon­ven­tes und die Auf­tei­lung der drei Ordens­frau­en auf drei ande­re Klö­ster. Um ihr Klo­ster zu ret­ten, wider­setz­ten sich die bei­den jün­ge­ren Schwe­stern Mas­si­mi­lia­na Pan­za und Ange­la Maria Pun­nacka und ihre 97jährige pfle­ge­be­dürf­ti­ge Mit­schwe­ster Maria Cri­sti­na Fio­re, die seit 1955 im Klo­ster lebt. Die Bür­ger von Ravel­lo grün­de­ten ein Komi­tee, um die Schwe­stern zu unter­stüt­zen. Ver­hand­lun­gen mit den kirch­li­chen Behör­den blie­ben jedoch ergeb­nis­los. In der Diö­ze­se und im Orden wur­de auf römi­sche Vor­ga­ben verwiesen.

Der Ein­gang zum Kla­ris­sen­klo­ster von Ravello

Um den Kon­vent zu ret­ten und um zu ver­hin­dern, daß das Klo­ster zum Objekt einer Immo­bi­li­en­spe­ku­la­ti­on wird, schenk­ten die Schwe­stern die gesam­te Anla­ge, deren Wert wegen der traum­haf­ten Lage auf 50 bis 60 Mil­lio­nen Euro geschätzt wird, Papst Fran­zis­kus. In einem Bitt­brief an den Papst teil­ten sie die Schen­kung mit und baten ihn um sei­nen Schutz. Was in der Ver­zweif­lung als ret­ten­der Anker gedacht war, erwies sich jedoch als Gegen­teil. Papst Fran­zis­kus dach­te nicht dar­an, die Ordens­frau­en unter sei­nen Schutz zu neh­men. Die Schen­kung wur­de von ihm aller­dings akzep­tiert und macht ihn zum Eigen­tü­mer eines beacht­li­chen Ver­mö­gens. Kaum war die Eigen­tums­über­tra­gung voll­zo­gen, wur­de der Wider­stand der Ordens­frau­en von Rom als „Rebel­li­on“ ein­ge­stuft und mit maxi­ma­ler Här­te beantwortet.

Am 3. Febru­ar ver­lie­ßen die bei­den jün­ge­ren Schwe­stern nun doch das Klo­ster, weil der Hei­li­ge Stuhl ein har­tes Exem­pel an ihnen sta­tu­ier­te. Bei­de wur­den wegen ihres „Unge­hor­sams“ von ihren Gelüb­den ent­bun­den und aus dem Ordens­stand ent­las­sen. Das Straf­de­kret wur­de von Papst Fran­zis­kus per­sön­lich unterzeichnet.

Als den Schwe­stern ver­gan­ge­ne Woche die Unter­schrift des Pap­stes unter dem Dekret gezeigt wur­de, brach für sie eine Welt zusam­men. Papst Fran­zis­kus unter­sag­te den Schwe­stern aus­drück­lich, Ein­spruch gegen die Ent­schei­dung ein­le­gen zu kön­nen. Dar­auf kapi­tu­lier­ten sie. Die 46jährige Sr. Mas­si­mi­lia­na, die 18 Jah­re im Klo­ster in Ravel­lo leb­te, kehr­te zu ihrer Fami­lie zurück. Dort beher­bergt sie vor­erst auch ihre jün­ge­re Mit­schwe­ster Ange­la Maria.

Von ihrer 97jährigen Mit­schwe­ster ver­ab­schie­de­ten sich die bei­den am Frei­tag vor­mit­tag nur kurz. Um ihr eine Auf­re­gung zu erspa­ren, sag­ten sie ihr nichts von ihrer per­sön­li­chen Tra­gö­die. Sr. Maria Cri­sti­na darf wegen ihres hohen Alters laut vati­ka­ni­schem Dekret näm­lich im Klo­ster blei­ben. Das Absur­de: Für ihre Pfle­ge wur­den von der Ordens­kon­gre­ga­ti­on zwei ande­re Ordens­frau­en nach Ravel­lo ver­setzt, womit wei­ter­hin drei Schwe­stern im Klo­ster leben.

„Es ist ein Stück der Geschich­te von Ravel­lo. Obwohl nur noch drei Ordens­frau­en übrig waren, ist es wich­tig, das Klo­ster zu erhal­ten (…) Wir sind ent­täuscht und ver­wirrt von der Ent­schei­dung des Vati­kans, vor allem, nach­dem sie die­se bei­den Schwe­stern hin­aus­ge­wor­fen haben, nur um zwei ande­re ein­zie­hen zu las­sen“, sag­te Gino Schia­vo, der dem Bür­ger­ko­mi­tee zur Ret­tung des Klo­sters vor­steht, gegen­über der Presse.

Eine Grup­pe von Per­so­nen ver­ab­schie­de­te die nun­mehr ehe­ma­li­gen Schwe­stern auf dem kur­zen Weg vom Klo­ster zum Auto, das sie weg­brach­te. „Wir ver­spre­chen ihnen, wei­ter für den Erhalt des Klo­sters zu kämp­fen“, sag­te Gino Schia­vo zu den bei­den Frau­en und über­reich­te ihnen eine Kera­mik­schüs­sel mit einem Dank und einer Widmung.

Sr. Mas­si­mi­lia­na klär­te die Anwe­sen­den auf, daß sie nicht ver­setzt, son­dern ent­las­sen wur­den, und ver­ab­schie­de­te sich mit den Worten:

„Wir sind mit nichts gekom­men und gehen ohne nichts. Wir wol­len nichts für uns. Wir sind mit dem Ordens­ein­tritt fran­zis­ka­nisch arm gebo­ren und wol­len auch so sterben.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​Wikicommons/​SalernoNews (Screen­shots)

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