Von Cronicas de Papa Francisco
Die Ecclesia militans, die streitende Kirche, verliert einen Lehrer, einen Vater, aber sie verliert nicht, was er gelehrt hat, sein Zeugnis, den Glauben, die Werke, die Doktrin…
Benedikt XVI., geboren als Joseph Aloisius Ratzinger, starb am Morgen des 31. Dezember 2022 um 9:34 Uhr.
Am letzten Tag eines jeden Jahres singt die katholische Kirche den Hymnus Te Deum, um Gott für das vergangene Jahr zu danken und Ihm das neue Jahr anzubieten. So kann man sagen, daß Benedikt Gott für das Geschenk seines ganzen Lebens gedankt hat, eines Lebens, das er – natürlich mit Licht und Schatten – ganz in den Dienst seiner heiligen Kirche gestellt hat.
Während seines irdischen Lebens suchte Joseph-Benedikt stets das Antlitz des lebendigen Gottes, weshalb er sich entschloß, Theologe zu werden, um – auch durch das Studium – Jesus Christus besser kennenzulernen.
Es ist sicher kein Zufall, daß er an dem Tag starb, an dem die Kirche den heiligen Silvester feiert, den 32. Nachfolger des heiligen Petrus, der einer der großen Verteidiger der katholischen Orthodoxie gegen die arianische Häresie war. Es wird also erneut auf die wahre Identität von Jesus Christus hingewiesen.
Die wahre Identität Jesu Christi war für Joseph-Benedikt so grundlegend – und ist es für alle Getauften –, daß er sein päpstliches Lehramt dem richtigen Verhältnis zwischen Glauben und Vernunft widmen und eine theologische Analyse des Lebens Christi in drei Bänden veröffentlichen wollte.
„Mit der Wahl von Benedikt XVI. haben wir deutlich gemacht, daß für uns das erste Problem das des Glaubens ist. Der Glaube soll klar, fest und kompromißlos sein“, erklärte Kardinal Giacomo Biffi (1928–2015) wenige Tage nach der Wahl von Joseph Ratzinger auf den Stuhl Petri.
Für Joseph-Benedikt war die Glaubenslehre, deren „Hüter“ er zunächst als Präfekt und dann als Nachfolger des heiligen Petrus war, das Leuchtfeuer seines Lebens.
Es liegt uns fern, Benedikt XVI. „heiligzusprechen“, denn wir sind uns seiner Fehler in der Amtsführung und seiner theologischen Zweideutigkeiten bewußt – die schwerwiegendste davon ist wohl die Erfindung des Monstrums eines „emeritierten Papstes“ –, aber wir können nicht umhin anzuerkennen, daß er die Glaubenslehre und die Eucharistie selbst wieder in den Mittelpunkt des gesamten Lebens der Kirche, der Gemeinschaften und der einzelnen Seelen stellen wollte. Dafür können wir ihm nur dankbar sein. An dieser Stelle ist es notwendig, daß wir für seine Seele beten, damit er in den Himmel kommt und wirklich für uns und für die synodale Situation in der Kirche betet.
„Ich habe eine große Freude empfunden, eine große, spürbare Freude“, so Kardinal Biffi weiter, als er über die Wahl von Benedikt XVI. berichtete, denn „die, die die Kirche lieben, waren glücklich“.
Alles muß Liebe zur Kirche und zu ihrem Haupt, Bräutigam und Herrn sein: Jesus Christus, der einzige, der die Kirche und die Welt in seinen Händen hält.
Das ist sicherlich die wichtigste Lehre von Benedikt XVI.: Die Kirche gehört nicht uns, sondern einzig und allein Christus Jesus. Vergessen wir nicht die monumentalen Katechesen, die er 1990 in Philadelphia1 und Rimini2 gehalten hat mit der Kernaussage: Die Kirche Christi ist keine politische Partei, und der Märtyrer Christi ist weder Rebell noch Revolutionär, denn:
„Christentum und Märtyrertum gehen Hand in Hand, ja, aber der Märtyrer ist etwas ganz anderes als der Revolutionär. Christus starb als Märtyrer, nicht als Rebell.“
In Rimini sagte er:
„Es kann sein, daß jemand ununterbrochen kirchliche Vereinsaktivitäten ausübt und doch kein Christ ist. Es kann sein, daß jemand nur einfach aus dem Wort und dem Sakrament lebt und die aus dem Glauben kommende Liebe übt, ohne je in kirchlichen Gremien erschienen zu sein, ohne je sich mit kirchenpolitischen Neuigkeiten beschäftigt, ohne Synoden angehört und darin abgestimmt zu haben – und dennoch ist er ein wahrer Christ. Nicht eine menschlichere Kirche brauchen wird, sondern eine göttlichere, dann wird sie auch wahrhaft menschlich werden.“
In den letzten Tagen seines Pontifikats, zwischen dem 11. und 28. Februar 2013, bekräftigte er, daß er die Kirche direkt an ihren göttlichen Gründer zurückgibt, weshalb er seinem noch nicht gewählten Nachfolger in aller Gelassenheit die Treue schwor, noch bevor er wußte, wer es sein würde.
Der Abgang von Benedikt XVI. macht uns natürlich sehr traurig, da er ein Papst war, dem wir so viel Dankbarkeit schulden – ohne zu vergessen, wofür er schwer zu tadeln ist, an erster Stelle sein Verzicht auf das Pontifikat –, aber er beunruhigt uns nicht, da die heilige Mutter Kirche in den Händen unseres Herrn Jesus Christus liegt, nicht in den Händen dieses oder jenes Papstes und noch weniger in den unseren. Wenn wir sagen, daß wir glauben, daß der Herr all das zuläßt, können wir nicht anders, als ebenso anzunehmen, daß Er alles für ein größeres Gutes und sicherlich nicht für das Böse tut… Folglich muß sich die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen in Dankbarkeit gegenüber dem Herrn verwandeln, erstens, weil Er ihn uns gegeben hat, und zweitens, weil Er, als Er ihn wegnahm, wußte, was Er tut – Gott macht keine Fehler! Es liegt an uns, herauszufinden, wie wir vorgehen sollen, indem wir Gottes Willen treu bleiben und nicht unserem eigenen, nicht unseren Gefühlen.
Wir erinnern daran, daß seit Montag, dem 2. Januar 2022, im Petersdom die Trauerkammer für jene geöffnet ist, die Benedikt XVI. die letzte Ehre erweisen wollen, und daß Papst Franziskus am 5. Januar ab 9.30 Uhr im Petersdom die feierliche Beisetzung vornehmen wird. Wir empfehlen allen das Fürbittgebet, insbesondere den Rosenkranz und gute Werke, um diese letzte Reise von Benedikt XVI. zu unterstützen.
Non nobis Domine, non nobis, sed nomini tuo da gloriam.
Die streitende Kirche verliert einen Lehrmeister, einen Vater, aber sie verliert nicht, was er gelehrt hat, sein Zeugnis, den Glauben, die Werke, die Doktrin…
Laßt uns für seine Seele beten, damit bald alle Heiligkeit anerkannt wird, und laßt uns von der Gottesmutter Gnade um Gnade für uns und für die heilige Kirche erflehen.
O Gott, Herrlichkeit der Gläubigen und Leben der Gerechten,
du, der du uns durch deinen Tod gerettet hast
und die Auferstehung deines Sohnes
sei barmherzig zu unserem Bruder Benedikt;
als er unter uns war,
bekannte er sich zum Glauben an die Auferstehung,
und du, gewähre ihm endlose Glückseligkeit.
Durch Christus, unseren Herrn.
Beten wir ein Vaterunser, ein Ave und ein Gloria und, wer kann, widme Benedikt XVI. heute einen Rosenkranz.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Cronicas de Papa Francisco
1 Predigt „Christuspartei oder Kirche Jesu Christi?“ am 3. Sonntag im Jahreskreis (Lj A) zu 1 Kor 1,10– 13.17 im St. Charles Borromeo Seminary (Priesterseminar) zu Philadelphia in den USA am 21. Januar 1990, abgedruckt in deutscher Übersetzung in: Benedikt XVI./Joseph Ratzinger: „Zur Gemeinschaft gerufen“, Neuausgabe, Freiburg 2005, S. 151–158.
2 Rede „Eine Gemeinschaft in steter Erneuerung“ auf dem Meeting für die Freundschaft unter den Völkern der Bewegung Comunione e Liberazione (CL) in Rimini (Italien) am 1. September 1990, abgedruckt in deutscher Übersetzung in: Benedikt XVI./Joseph Ratzinger: „Zur Gemeinschaft gerufen“, Neuausgabe, Freiburg 2005, S. 129–150.