Ein persönlicher Nachruf auf Benedikt XVI.

Ein Lehrer und Vater der Menschheit


Benedikt XVI. (1927–2022), er regierte die heilige Kirche von 2005 bis 2013.
Benedikt XVI. (1927–2022), er regierte die heilige Kirche von 2005 bis 2013.

Von Cro­ni­cas de Papa Francisco

Anzei­ge

Die Eccle­sia mili­tans, die strei­ten­de Kir­che, ver­liert einen Leh­rer, einen Vater, aber sie ver­liert nicht, was er gelehrt hat, sein Zeug­nis, den Glau­ben, die Wer­ke, die Doktrin…

Bene­dikt XVI., gebo­ren als Joseph Aloi­si­us Ratz­in­ger, starb am Mor­gen des 31. Dezem­ber 2022 um 9:34 Uhr.

Am letz­ten Tag eines jeden Jah­res singt die katho­li­sche Kir­che den Hym­nus Te Deum, um Gott für das ver­gan­ge­ne Jahr zu dan­ken und Ihm das neue Jahr anzu­bie­ten. So kann man sagen, daß Bene­dikt Gott für das Geschenk sei­nes gan­zen Lebens gedankt hat, eines Lebens, das er – natür­lich mit Licht und Schat­ten – ganz in den Dienst sei­ner hei­li­gen Kir­che gestellt hat.

Wäh­rend sei­nes irdi­schen Lebens such­te Joseph-Bene­dikt stets das Ant­litz des leben­di­gen Got­tes, wes­halb er sich ent­schloß, Theo­lo­ge zu wer­den, um – auch durch das Stu­di­um – Jesus Chri­stus bes­ser kennenzulernen.

Es ist sicher kein Zufall, daß er an dem Tag starb, an dem die Kir­che den hei­li­gen Sil­ve­ster fei­ert, den 32. Nach­fol­ger des hei­li­gen Petrus, der einer der gro­ßen Ver­tei­di­ger der katho­li­schen Ortho­do­xie gegen die aria­ni­sche Häre­sie war. Es wird also erneut auf die wah­re Iden­ti­tät von Jesus Chri­stus hingewiesen.

Die wah­re Iden­ti­tät Jesu Chri­sti war für Joseph-Bene­dikt so grund­le­gend – und ist es für alle Getauf­ten –, daß er sein päpst­li­ches Lehr­amt dem rich­ti­gen Ver­hält­nis zwi­schen Glau­ben und Ver­nunft wid­men und eine theo­lo­gi­sche Ana­ly­se des Lebens Chri­sti in drei Bän­den ver­öf­fent­li­chen wollte.

„Mit der Wahl von Bene­dikt XVI. haben wir deut­lich gemacht, daß für uns das erste Pro­blem das des Glau­bens ist. Der Glau­be soll klar, fest und kom­pro­miß­los sein“, erklär­te Kar­di­nal Gia­co­mo Bif­fi (1928–2015) weni­ge Tage nach der Wahl von Joseph Ratz­in­ger auf den Stuhl Petri.

Für Joseph-Bene­dikt war die Glau­bens­leh­re, deren „Hüter“ er zunächst als Prä­fekt und dann als Nach­fol­ger des hei­li­gen Petrus war, das Leucht­feu­er sei­nes Lebens.

Es liegt uns fern, Bene­dikt XVI. „hei­lig­zu­spre­chen“, denn wir sind uns sei­ner Feh­ler in der Amts­füh­rung und sei­ner theo­lo­gi­schen Zwei­deu­tig­kei­ten bewußt – die schwer­wie­gend­ste davon ist wohl die Erfin­dung des Mon­strums eines „eme­ri­tier­ten Pap­stes“ –, aber wir kön­nen nicht umhin anzu­er­ken­nen, daß er die Glau­bens­leh­re und die Eucha­ri­stie selbst wie­der in den Mit­tel­punkt des gesam­ten Lebens der Kir­che, der Gemein­schaf­ten und der ein­zel­nen See­len stel­len woll­te. Dafür kön­nen wir ihm nur dank­bar sein. An die­ser Stel­le ist es not­wen­dig, daß wir für sei­ne See­le beten, damit er in den Him­mel kommt und wirk­lich für uns und für die syn­oda­le Situa­ti­on in der Kir­che betet.

„Ich habe eine gro­ße Freu­de emp­fun­den, eine gro­ße, spür­ba­re Freu­de“, so Kar­di­nal Bif­fi wei­ter, als er über die Wahl von Bene­dikt XVI. berich­te­te, denn „die, die die Kir­che lie­ben, waren glücklich“.

Alles muß Lie­be zur Kir­che und zu ihrem Haupt, Bräu­ti­gam und Herrn sein: Jesus Chri­stus, der ein­zi­ge, der die Kir­che und die Welt in sei­nen Hän­den hält.

Das ist sicher­lich die wich­tig­ste Leh­re von Bene­dikt XVI.: Die Kir­che gehört nicht uns, son­dern ein­zig und allein Chri­stus Jesus. Ver­ges­sen wir nicht die monu­men­ta­len Kate­che­sen, die er 1990 in Phil­adel­phia1 und Rimi­ni2 gehal­ten hat mit der Kern­aus­sa­ge: Die Kir­che Chri­sti ist kei­ne poli­ti­sche Par­tei, und der Mär­ty­rer Chri­sti ist weder Rebell noch Revo­lu­tio­när, denn:

„Chri­sten­tum und Mär­ty­rer­tum gehen Hand in Hand, ja, aber der Mär­ty­rer ist etwas ganz ande­res als der Revo­lu­tio­när. Chri­stus starb als Mär­ty­rer, nicht als Rebell.“

In Rimi­ni sag­te er:

„Es kann sein, daß jemand unun­ter­bro­chen kirch­li­che Ver­eins­ak­ti­vi­tä­ten aus­übt und doch kein Christ ist. Es kann sein, daß jemand nur ein­fach aus dem Wort und dem Sakra­ment lebt und die aus dem Glau­ben kom­men­de Lie­be übt, ohne je in kirch­li­chen Gre­mi­en erschie­nen zu sein, ohne je sich mit kir­chen­po­li­ti­schen Neu­ig­kei­ten beschäf­tigt, ohne Syn­oden ange­hört und dar­in abge­stimmt zu haben – und den­noch ist er ein wah­rer Christ. Nicht eine mensch­li­che­re Kir­che brau­chen wird, son­dern eine gött­li­che­re, dann wird sie auch wahr­haft mensch­lich werden.“

In den letz­ten Tagen sei­nes Pon­ti­fi­kats, zwi­schen dem 11. und 28. Febru­ar 2013, bekräf­tig­te er, daß er die Kir­che direkt an ihren gött­li­chen Grün­der zurück­gibt, wes­halb er sei­nem noch nicht gewähl­ten Nach­fol­ger in aller Gelas­sen­heit die Treue schwor, noch bevor er wuß­te, wer es sein würde.

Der Abgang von Bene­dikt XVI. macht uns natür­lich sehr trau­rig, da er ein Papst war, dem wir so viel Dank­bar­keit schul­den – ohne zu ver­ges­sen, wofür er schwer zu tadeln ist, an erster Stel­le sein Ver­zicht auf das Pon­ti­fi­kat –, aber er beun­ru­higt uns nicht, da die hei­li­ge Mut­ter Kir­che in den Hän­den unse­res Herrn Jesus Chri­stus liegt, nicht in den Hän­den die­ses oder jenes Pap­stes und noch weni­ger in den unse­ren. Wenn wir sagen, daß wir glau­ben, daß der Herr all das zuläßt, kön­nen wir nicht anders, als eben­so anzu­neh­men, daß Er alles für ein grö­ße­res Gutes und sicher­lich nicht für das Böse tut… Folg­lich muß sich die Trau­er über den Ver­lust eines gelieb­ten Men­schen in Dank­bar­keit gegen­über dem Herrn ver­wan­deln, erstens, weil Er ihn uns gege­ben hat, und zwei­tens, weil Er, als Er ihn weg­nahm, wuß­te, was Er tut – Gott macht kei­ne Feh­ler! Es liegt an uns, her­aus­zu­fin­den, wie wir vor­ge­hen sol­len, indem wir Got­tes Wil­len treu blei­ben und nicht unse­rem eige­nen, nicht unse­ren Gefühlen.

Wir erin­nern dar­an, daß seit Mon­tag, dem 2. Janu­ar 2022, im Peters­dom die Trau­er­kam­mer für jene geöff­net ist, die Bene­dikt XVI. die letz­te Ehre erwei­sen wol­len, und daß Papst Fran­zis­kus am 5. Janu­ar ab 9.30 Uhr im Peters­dom die fei­er­li­che Bei­set­zung vor­neh­men wird. Wir emp­feh­len allen das Für­bitt­ge­bet, ins­be­son­de­re den Rosen­kranz und gute Wer­ke, um die­se letz­te Rei­se von Bene­dikt XVI. zu unterstützen.

Non nobis Domi­ne, non nobis, sed nomi­ni tuo da gloriam.

Die strei­ten­de Kir­che ver­liert einen Lehr­mei­ster, einen Vater, aber sie ver­liert nicht, was er gelehrt hat, sein Zeug­nis, den Glau­ben, die Wer­ke, die Dok­trin…
Laßt uns für sei­ne See­le beten, damit bald alle Hei­lig­keit aner­kannt wird, und laßt uns von der Got­tes­mut­ter Gna­de um Gna­de für uns und für die hei­li­ge Kir­che erflehen.

O Gott, Herr­lich­keit der Gläu­bi­gen und Leben der Gerech­ten,
du, der du uns durch dei­nen Tod geret­tet hast
und die Auf­er­ste­hung dei­nes Soh­nes
sei barm­her­zig zu unse­rem Bru­der Bene­dikt;
als er unter uns war,
bekann­te er sich zum Glau­ben an die Auf­er­ste­hung,
und du, gewäh­re ihm end­lo­se Glück­se­lig­keit.
Durch Chri­stus, unse­ren Herrn.

Beten wir ein Vater­un­ser, ein Ave und ein Glo­ria und, wer kann, wid­me Bene­dikt XVI. heu­te einen Rosenkranz.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cro­ni­cas de Papa Francisco


1 Pre­digt „Chri­stus­par­tei oder Kir­che Jesu Chri­sti?“ am 3. Sonn­tag im Jah­res­kreis (Lj A) zu 1 Kor 1,10– 13.17 im St. Charles Bor­ro­meo Semi­na­ry (Prie­ster­se­mi­nar) zu Phil­adel­phia in den USA am 21. Janu­ar 1990, abge­druckt in deut­scher Über­set­zung in: Bene­dikt XVI./Joseph Ratz­in­ger: „Zur Gemein­schaft geru­fen“, Neu­aus­ga­be, Frei­burg 2005, S. 151–158.

2 Rede „Eine Gemein­schaft in ste­ter Erneue­rung“ auf dem Mee­ting für die Freund­schaft unter den Völ­kern der Bewe­gung Comu­nio­ne e Libe­ra­zio­ne (CL) in Rimi­ni (Ita­li­en) am 1. Sep­tem­ber 1990, abge­druckt in deut­scher Über­set­zung in: Bene­dikt XVI./Joseph Ratz­in­ger: „Zur Gemein­schaft geru­fen“, Neu­aus­ga­be, Frei­burg 2005, S. 129–150.

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