von Vittorio Messori
Pater Rinaldo Falsini, der auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil an der Ausarbeitung der Liturgiekonstitution mitgewirkt hat, gehört zwar ausdrücklich zum progressiven Flügel, räumt aber ein, daß bei der Liturgiereform Teile der Heiligen Schrift, insbesondere die Psalmen, die für die moderne Mentalität als anstößig gelten, verstümmelt wurden.
Die politische Korrektheit hat auch in der offiziellen Liturgie der Kirche Einzug gehalten. Das ist bedauerlich, aber wir sollten uns dessen bewußt sein. Lassen wir einen völlig unverdächtigen Zeugen zu Wort kommen, den Franziskaner Rinaldo Falsini, der vor kurzem verstorben ist: Er war Professor für Liturgie an der Katholischen Universität Mailand und gehörte zu der Gruppe junger Fachleute, die die Entwürfe für die Dokumente ausarbeiteten, die den Konzilsvätern auf dem Zweiten Vaticanum vorgelegt werden sollten.
Danach arbeitete er an Sacrosanctum Concilium, der Konstitution über die Liturgie, mit und wurde nach dem Konzil in die Kommission berufen, die die vieldiskutierte Liturgiereform vorbereitete, die heute zunehmend im Mittelpunkt der Spaltung in der katholischen Welt steht. Pater Falsini war stets ein glühender und polemischer Verfechter der Reform, der sich ohne Zögern auf die Seite der „progressiven“ Gruppen stellte und sich mit jenen duellierte, die wehmütig an die Würde und Heiligkeit der Liturgie dachten, manche sogar an die lateinische Sprache, an den nach Osten gerichteten Altar, an die Gregorianik und so weiter.
Es ist daher von Bedeutung, was er kurz vor seinem Tod in einem Interview mit einer Fachzeitschrift verriet. Falsini, der die Ereignisse von innen und auch hinter den Kulissen miterlebt hat, sagte:
„Um der Wahrheit willen muß man sagen, daß die Liturgiereform, die ich in ihrer Struktur und ihren Absichten immer verteidigt habe, auch zu Verstümmelungen geführt hat, die mir nicht richtig erschienen und erscheinen. Im Offizium und in der Liturgie werden die Psalmen nun in einer bereinigten Fassung verwendet. Tatsächlich wurden Verse, die für die moderne Mentalität anstößig sind, wie z. B. solche, die Rache und Krieg zum Ausdruck bringen, gestrichen. Auf einer Vollversammlung der Reformkommission, der ich angehörte, hielt der angesehene Benediktinerabt Pater Salmon1 im April 1963 eine denkwürdige Rede, in der er sich für die Wahrung der Integrität des Psalters in der Liturgie einsetzte. Doch dann wurde diese Verpflichtung zur Treue gegenüber der Heiligen Schrift aufgegeben. Die gegenteilige Meinung von Bibel- und Liturgiewissenschaftlern und sogar von Paul VI. wurde nicht berücksichtigt, und die Säuberung wurde mit sehr wenig Respekt vor dem Wort Gottes durchgeführt.“
Wir wissen, wie viele „erwachsene“ Theologen, die auch an katholischen Universitäten lehren, aufgrund einer späten protestantischen Verunreinigung nicht die Eucharistie, sondern die Heilige Schrift in den Mittelpunkt des Glaubens stellen wollen. Sie würden das Fleisch und Blut Christi gerne durch Papier ersetzen. Aber nur durch das politisch korrekte, jenes, das die Heucheleien und die Zensur der hegemonialen Ideologie von heute respektiert. Die Heilige Schrift, ja, natürlich, aber nur, wenn sie bestimmte empfindliche klerikale Ohren nicht stört.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Google Maps (Screenshot)
1 Dom Pierre Salmon (1896–1982), ein französischer Benediktiner, 1924 zum Priester geweiht, war von 1935 bis 1965 Abt der 1933 von Pius XI. errichteten Päpstlichen Abtei San Girolamo in Urbe (St. Hieronymus in der Stadt). Die meisten Mönche kamen aus der luxemburgischen Benediktinerabtei St. Mauritius und St. Maurus in Clerf. Die Päpstliche Abtei war errichtet worden, um eine kritische Ausgabe der Vulgata zu erstellen. 1964 wurde Dom Salmon von Paul VI. zum Titularbischof von Iucundiana (Numidien) ernannt, was es dem Abt ermöglichte, als Konzilsvater an der Dritten und Vierten Session des Zweiten Vatikanischen Konzils teilzunehmen. 1984 wurde die Abtei wieder aufgehoben. Seither befindet sich in ihren Gebäuden das Päpstliche Institut für Kirchenmusik.