Von Wolfram Schrems*
Was eine Lebensbeschreibung eines spanisch-kolumbianischen Bischofs um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert dem heutigen Leser bringen soll, mögen sich manche Leser fragen. Nun: Wer die Biographie und die Hirtenbriefe von Ezequiel Moreno y Díaz gelesen hat, wird die Frage leicht beantworten können. Das Beispiel dieses Hirten zeigt nämlich, daß Amazonassynode, „Inkulturation“ und Befreiungstheologie grandioser Unsinn sind, in Lateinamerika und überall sonst. Bischof Ezequiel zeigt, daß heiligmäßiges Leben und rechtgläubige, tapfere Verkündigung der vollen Wahrheit einem Bischof angemessen sind, seinem Leben Sinn und Glanz verleihen und seinem Tun Früchte zuteil werden lassen. Die Hirtenbriefe offenbaren einen kernigen, hochgebildeten, tapferen und eben heiligen Autor. Der Kontrast zu den gegenwärtigen Bischöfen des deutschen Sprachraums ist geradezu gellend. Wer die Biographie gelesen hat, hat auch automatisch einen neuen Freund gewonnen, den er um Fürsprache bitten kann.
Biographie von Bischof Toribio Minguella und Konstantin Stäbler
Als Grundlage der vorliegenden Biografie dienen das Werk von Bischof Toribio Minguella y Arnedo, einem langjährigen Freund und Mitbruder des Heiligen aus dem Orden der Augustiner-Rekollekten, sowie andere Quellen. Der Verfasser ist Konstantin Stäbler aus Landsberg am Lech, beeideter Übersetzer für Englisch und Spanisch. Er straffte das Material und paßte den blumigen spanischen Stil von Msgr. Minguella dem gegenwärtigen Sprachgefühl an.
Herkunft, Klostereintritt und Mission
Ezequiel Moreno y Díaz wurde als Sohn des einfachen Schusters Félix Moreno und dessen Frau Josefa Díaz im Jahr 1848 im nordspanischen Alfaro in der Provinz La Rioja geboren. Bereits am nächsten Tag, dem 10. April, Fest des heiligen Propheten Ezechiel, wurde er nach altem spanischem Brauch auf den Namen des Tagesheiligen getauft.
Die Kindheit wies keine äußeren Besonderheiten auf. Ezequiel war seinen Eltern gehorsam, gut zu seinen Schwestern, fleißig in der Schule und liebenswürdig im Umgang mit anderen Kindern. Rosenkranz und hl. Messe werden früh im Leben zur fixen Gewohnheit.
Bereits mit 16 Jahren tritt er bei den Augustiner-Rekollekten in Monteagudo (Navarra) ein. Bis 1912 war dieser Orden ein im 16. Jahrhundert entstandener Reformzweig der Augustinereremiten, danach wurde er selbständig. Fray Ezequiel galt als guter Ordensmann und liebte die Zurückgezogenheit. 1871 wurde er in Manila zum Priester geweiht. Nach wenigen Monaten in der Seelsorge wurde er als Kaplan einer militärischen Expedition auf die Insel Palawan, Rückzugsort von mohammedanischen Piraten, geschickt.
Danach wurde er im Mai 1885 zum Rektor des wichtigsten spanischen Rekollektenhauses gewählt, des Kollegs von Monteagudo. Dort kam es zum Ausbruch einer Epidemie (einer wirklichen Epidemie, wie man ergänzen muß), nämlich der Cholera. Damals bat sogar die politische Macht in Person des Bürgermeisters um Abhaltung einer Prozession und Novene mit dem verehrten Gnadenbild der Jungfrau vom Weg, das dazu aus der Klosterkirche geholt wurde. Wie alle Heiligen betrachtete er derartige Epidemien als Strafe Gottes und ordnete darum zur Sühne für die eigenen und fremden Sünden zusätzliche Bußen an.
Kolumbien, katholisches Land nach einer Revolution
P. Ezequiel wurde 1888 nach Kolumbien entsandt, um dort Provinzial seines Ordens zu werden. Dort hatte 1860 eine kirchenfeindliche, freimaurerische Revolution stattgefunden. Einige Indianerstämme waren noch heidnisch, die Katholiken im Glauben oft kaum unterwiesen. Ein weiterer Aufstand der Liberalen wurde 1895 niedergeschlagen.
Ezequiel wurde zum apostolischen Vikar von Casanare ernannt, nach kurzer Zeit, im März 1896, aber schon Bischof von Pasto (im Südwesten des Landes):
‚Die Nähe zur Republik Ecuador brachte besondere Herausforderungen mit sich. Im Jahr 1895 gelangte in der „Republik des heiligsten Herzens“, dem sie vom frommen ecuadorianischen Präsidenten García Moreno einige Jahrzehnte zuvor geweiht wurde, der liberale General Eloy Alfaro an die Macht, der in seinem Exil in Costa Rica der Freimaurerei beigetreten war und als Präsident von Ecuador die Kirche und ihre treuen Diener gnadenlos verfolgen ließ‘ (56).
Als Bischof bekämpfte er die Ideologie des Liberalismus, die eine Emanzipation von Gott und der Wahrheit bedeutet. „Liberalismus“ war also in der Praxis Vorwand und Selbstermächtigung einer revolutionären Gruppe, die gegen Kirche und Christentum kämpfte und selbst die Macht an sich reißen wollte.1
Bürgerkrieg, politisches Wirken, Heilige Liga
1899 lösten liberale Revolutionäre wieder einen Bürgerkrieg aus („Krieg der Tausend Tage“). Es bestand kein Zweifel, daß „im Fall eines liberalen Sieges den Katholiken und dem Klerus Kolumbiens eine ähnliche Verfolgung drohen würde wie im benachbarten Ecuador“ (71).
Der heiligmäßige Bischof erkannte dessen tiefere Bedeutung:
„Für ihn war dieser Konflikt auch nicht ein bloßes Aufbegehren von Revolutionären gegen die weltliche Ordnung, er sah darin vielmehr ein göttliches Strafgericht, durch das Gott in seiner Barmherzigkeit die Besserung der Menschen bewirken wollte, vor allem in Hinblick auf die öffentlichen Ärgernisse wie die wilden Ehen, die Trunksucht und die indifferente oder versöhnliche Einstellung der Katholiken gegenüber dem Liberalismus und seinen Irrtümern. Darum forderte er seine Gläubigen zur Umkehr, zur Wiedergutmachung durch gute Werke und zum Gebet für die Soldaten der Regierung auf“ (72).
Die Spaltung der kolumbianischen Gesellschaft zeigt sich bis auf den heutigen Tag in Form des Guerillakrieges der FARC-Terroristen gegen die Regierung.
In brenzligen Situationen betätigte sich der Bischof erfolgreich als Vermittler (meuternde Soldaten, Kampf um das Branntweinmonopol, Lebensmittelsteuer).
Für unsere heutige Mentalität ist die von Bischof Ezequiel und dem belgischen Jesuiten und Seminarregens P. Detroux gegründete „Heilige Liga“ schwer verständlich. Das war eine geistliche Bruderschaft, „wobei die Mitglieder, zu denen Priester, Ordensleute und Laien gehören konnten, sich verpflichteten, im Geist der Sühne Kreuze und Krankheiten auf sich zu nehmen oder gar zu erbitten. Genauer bestand die Heilige Liga aus zwei Stufen, der ersten Stufe, auf der die Mitglieder ihre Arbeiten und von Gott gesendeten Prüfungen geduldig ertragen und nach dem Erlangen der zweiten Stufe streben sollten, auf der man mit aller Gleichförmigkeit und Großzügigkeit jegliche Art von Arbeiten, Widerwärtigkeiten, Krankheiten und Verfolgungen von Gott erbitten sollte, um sich dem gekreuzigten Heiland gleichförmiger zu machen“ (84).
Letzter Kampf: schwere Krankheit
Im Jahr 1905 setzten Nasenblutungen ein, die sich als Folgen eines Tumors herausstellen sollten. Zunehmende Schmerzen machten die Arbeit und bald auch die Nachtruhe unmöglich. Bischof Ezequiel schickte sich bald in das Unvermeidliche:
„Das mit der Nase ist immer noch schlimm, trotz der vielen Gebete und Kommunionen, die man verrichtet hat, damit der Herr mich gesund macht. Ich wünsche die Gesundheit nicht, weise sie aber auch gleichzeitig nicht zurück; ich bin sehr gleichförmig mit dem, was der liebe Gott wünscht, und da so viel gebetet wird, muss man in dem ruhen, was Er zu tun wünscht. Wie tröstlich ist das! Diejenigen, die verzweifeln, kennen diese Lehre nicht“ (98).
Die Entscheidung fällt, in Spanien medizinische Behandlung zu suchen. Die Reise mit dem Überseedampfer ist eine Tortur. Bischof Ezequiel gewinnt durch seine Tugenden jedoch die Herzen der Passagiere und der Besatzung.
In Madrid unterzieht er sich den notwendigen Operationen. Der Krebs machte die Entfernung des Gaumens notwendig. Er beeinträchtigte das Gehör und befiel ein Auge. Schwester Apolonia Costero, die zu der Kongregation gehörte, die die Kranken betreute, beschreibt den Eindruck, den der Prälat angesichts ausbleibender Wirkung der Narkose auf sie machte:
‚Ich kann ernsthaft sagen, dass ich beim Betreten des Operationssaals den Eindruck hatte, einen Heiligen zu sehen, der gerne das Martyrium erduldete, denn er sollte es wirklich erdulden. Sobald er auf dem Operationstisch lag, erhob er seine Augen zum Himmel, bis man ihm das Chloroform verabreichte. Nachdem man es ihm nicht mehr gab, tat er dies wieder; er war nämlich häufig bei Bewusstsein. Sowohl der behandelnde Arzt als auch die Helfer bewunderten ihn und sagten: „Dieser Herr ist ein Heiliger, denn niemand kann das ertragen als er mit seiner großen Tugend“‘(101).
Der Kampf gegen den Krebs scheitert jedoch. Gegen Ende seines Lebens erhält Bischof Ezequiel zweimal den apostolischen Segen von Papst Pius X., der bekanntlich selbst heiliggesprochen werden sollte.
Am 19. August 1906 gibt er seine Seele dem Schöpfer zurück.
Nachrufe und Kanonisation
Die Reaktionen durch liberale Medien reichen von offenem Haß bis zu kritischen bzw. „heuchlerischen Nachrufen“ (107).
Einer der bedeutendsten Generäle Kolumbiens schrieb über den verewigten Apostelnachfolger diese bewegenden Zeilen:
„Msgr. Moreno! Was für eine große Seele! Was für kraftvolle Gedanken! Was für ein kraftvolles Herz! … Als Apostel des Herrn erfüllte er seine apostolische Mission mit einem beneidenswerten Mut, als christlicher Priester predigte er mit seinem Wort und dem Beispiel seines makellosen Lebens die Religion des Gekreuzigten, des Gottmenschen, des erhabensten Märtyrers in allen Zonen der Erde; als Sohn aller Breitengrade überquerte er die Meere, bestieg die Berge und durchkreuzte die unwirtlichen Pampas auf der Suche nach Seelen, die nach der Wahrheit dürsten und die er mit dem Licht des Evangeliums sättigen könnte. Er stieg ins Grab ohne einen Gewissensbiss; seine Seele wies keinen Makel auf und sein unsterblicher Geist nahm durch die Wolken den Flug in das ewige Reich, wo er lebt und immer leben wird“ (108).
Bei einer ersten Exhumierung 1915 fand man den Leichnam unverwest. Bischof Ezequiel wurde 1975 von Paul VI. seliggesprochen und von Johannes Paul II. am 11. Oktober 1992, am Vorabend der 500-Jahrfeier der Entdeckung Amerikas, heiliggesprochen.2
Anhänge an die Lebensbeschreibung
Der eigentlichen Biographie sind Anhänge beigegeben. So wird untersucht und in einigen Anekdoten illustriert, in welcher Weise der Verewigte die Tugenden in seinem Leben umsetzte. Für einen Bischof ist beispielsweise auch die Beziehung zur staatlichen Autorität wichtig. Er war loyal und rief „zum einen zum Gehorsam gegen die rechtmäßige Obrigkeit in gerechten Dingen [auf], [betonte aber gleichzeitig], wie diesem Gehorsam durch die höheren übernatürlichen Werte Schranken gesetzt sind“ (124).
Die Sorge um die Seelen beschäftigte ihn, er dachte ganz übernatürlich. Seine Haltung übernatürlicher Liebe hatte sich inmitten großer Feindseligkeiten und angesichts mindestens eines Mordversuchs zu bewähren.
Ein weiterer Anhang im Buch ist eine Abhandlung des Bischofs über die Unvereinbarkeit von katholischem Glauben und Liberalismus. Sie ist eine Reaktion auf ein Schreiben des Priesters Baltasar Vélez, der sich für eine „Versöhnung“ beider einsetzte.
Diese Abhandlung soll gemeinsam mit den kräftigen und klugen Hirtenbriefen des Heiligen, die in einem eigenen Band veröffentlicht wurden, in einer eigenen Besprechung vorgestellt werden.
Resümee
Dem Autor und Verleger ist ein hochinteressantes und erbauliches Werk gelungen. So fremd uns der spanische und lateinamerikanische Kulturraum sein wird, so vertraut muß uns doch die Seele von Ezequiel Moreno vorkommen. Der katholische Glaube verbindet nun einmal Menschen aller Kulturen. Der katholische Gläubige erkennt in St. Ezequiel ein Abbild des Guten Hirten. Er stellt mit Schmerz fest, wie schreiend der Kontrast zu den (meisten) deutschsprachigen Bischöfen der Gegenwart ist. Ezequiel Moreno war aber wohl auch zu seiner Zeit eine Ausnahmeerscheinung, der Tumor des Unglaubens und der Saumseligkeit hatte sich weit vorangefressen.
In unserer heutigen Mentalität muß der starke Glaube von Bischof Ezequiel als Fundamentalismus erscheinen, sein Kampf gegen den Liberalismus als Fanatismus, seine Leidensbereitschaft als Psychopathologie. Aber sein Leben brachte reiche Früchte für den Himmel. Es ist also, wie eingangs gesagt: Inkulturation (wie sie heute meist praktiziert wird), Pachamama und Befreiungstheologie bringen keine Früchte, sondern nur Verwüstung. Nur der überlieferte Glaube bringt Früchte. Ezequiel Moreno ist ein hervorragendes Vorbild auch für unsere Zeit: Er wußte unter anderem, wie die Kirche auf Pandemien und Katastrophen richtig reagieren muß, nämlich vor allem übernatürlich, und er wußte, daß ein Kirchenmann auch gegebenenfalls einem übergriffigen Staat entgegentreten muß.
Möge er auch im deutschen Sprachraum bekannt werden.
Heiliger Bischof Ezequiel, bitte für uns!
Der heilige Bischof aus den Anden, Nach der Biografie des heiligen Ezequiel Moreno y Díaz O.A.R., geschrieben von Msgr. Toribio Minguella y Arnedo O.A.R., Bischof von Sigüenza. Für die deutsche Sprache überarbeitet von Konstantin Stäbler. BoD – Books on Demand, Norderstedt, 2021, ISBN: 9783753420042, 194 S., Vertrieb über Renovamen-Verlag bzw. Falkmedien.
*Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro Lifer, seit 2013 auf dieser Seite Kritiker der staatshörigen österreichischen Kirchenpolitik.
Bild: InfoCatolica/arzobispadocastrense.com/Wikicommons (Screenshots)
1 Dieser Kampf führte auch zu einem Konflikt mit einem Ex-Ordensmann, der eine regelrecht antikatholische Schule in Ecuador gegründet hatte und wohin kolumbianische Eltern ihre Kinder schickten. Der Streit lief sogar über den Heiligen Stuhl (und ging zunächst ungünstig für Fray Ezequiel aus).
2 Traditionsorientierte Katholiken wissen um die Probleme mit dem neuen Prozedere von Selig- und Heiligsprechungen seit 1983. Bekanntlich kam es danach zu einer Flut von neuen Heiligen, manches bleibt zweifelhaft. In höchstem Grade suspekt sind besonders die rasch durchgezogenen Heiligsprechungen der Konzilspäpste. Traditionell wurde für die Heiligsprechung eine breite Verehrung im gläubigen Volk verlangt. Diese existierte bei Johannes XXIII. und Paul VI. jedoch niemals. Der sensus fidei wird aber etwa bei den Kanonisationen so vieler Märtyrer des roten Terrors im spanischen Bürgerkrieg durch Johannes Paul II. und natürlich auch von Bischof Ezequiel Moreno nichts Anstößiges erkennen können.