(Rom) Kardinalgroßpönitentiar Mauro Piacenza machte auf einen Mißbrauch aufmerksam, der mit dem Coronavirus begründet wird, aber auch auf ein Mißverständnis in diesem Zusammenhang. Beichten, die auf Entfernung am Telefon oder über Internet abgelegt werden, sind ungültig. Die persönliche Anwesenheit bei der Beichte sei eine unabdingbare Voraussetzung für eine gültige Absolution, so der Kardinal. Das Mißverständnis betrifft den gebotenen Meßbesuch.
Die Corona-Maßnahmen treiben seit Februar ein buntes Eigenleben und so manche Blüte, die unter den neuen Begriff „Corona-Logik“ zusammengefaßt werden können. Gemeint sind irrationale, überflüssige, sinnlose oder sinnwidrige Maßnahmen.
Ein Bischof erlaubte den Priestern seines Bistums offiziell, die Beichte über Telefon abzunehmen. Ähnliche Fälle wurden aus verschiedenen Diözesen gemeldet. Auch die Internet-Beichte gehört dazu. Weitere Seltsamkeiten sind Vorschriften der „sozialen Distanzierung“ in der Beichte. Dabei wurden Fälle bekannt, wo von den Gläubigen die Einhaltung eines Abstandes zum Priester von mehreren Metern verlangt wurde. Die Praxis der Ohrenbeichte sei damit natürlich nicht mehr zu gewährleisten.
Dazu wurde nun von Kardinalgroßpönitentiar Mauro Piacenza eine Klarstellung verlautbart. Am Samstag nahm der Kardinal dazu auch im Osservatore Romano Stellung. Er bekräftigte, daß die Beichte bei Abwesenheit des Büßers oder auch einem verlangten Abstand, der die Ohrenbeichte unmöglich macht, ungültig ist. Ebenso stellte er klar, daß Radio‑, Fernseh- oder Internetübertragungen kein Ersatz für den Besuch der Heiligen Messe sind, auch nicht in Corona-Zeiten.
Das Interview, das der Kardinal der „Tageszeitung des Papstes“ gab, befaßte sich insgesamt mit der Sakramentenspendung und den Ablässen „in Zeiten der Pandemie“. Die Kirche sei „denen nahe, die leiden“, weshalb gerade wegen des Coronavirus besondere geistliche Mittel gewährt wurden. Dazu gehörte, daß den ganzen November hindurch täglich ein vollkommener Ablaß gewonnen werden konnte. Allerdings, so der Kardinal, seien bestimmte Voraussetzungen zu dessen Gewinnung immer einzuhalten.
Osservatore Romano: Können Smartphones oder andere Kommunikationsmittel genutzt werden, um zu beichten?
Kardinal Piacenza: Wir können die wahrscheinliche Ungültigkeit der über diese Kanäle gewährten Absolution feststellen. Es fehlt nämlich die reale Anwesenheit des Beichtenden und es erfolgt keine wirkliche Übermittlung der Absolutionsworte. Es handelt sich nur um elektrische Schwingungen, die das menschliche Wort wiedergeben.
Osservatore Romano: Erfüllen angesichts der schweren gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Situation jene, die nicht die Heilige Messe besuchen können, das Sonntagsgebot, indem sie die Zelebration im Radio, als Stream oder im Fernsehen hören?
Kardinal Piacenza: Nichts kann die anwesende Teilnahme an der Heiligen Messe ersetzen. In den vorgesehenen Situationen, in denen es nicht möglich ist, die gebotene Heilige Messe zu besuchen, ist die Verpflichtung erlassen, ohne daß es dafür einen Ersatz braucht. Gewiß setzt aber jemand, der aus einem gültigen Grund verhindert ist und beispielsweise über Fernsehen einer Zelebration beiwohnt, eine fromme und geistlich nützliche Tat.
Während er im ersten Teil die Ungültigkeit der Beichte feststellt, wenn diese mit Hilfe technischer Kommunikationsmittel auf Distanz erfolgt, erfolgt im zweiten Teil die Klarstellung, daß die Kirche im Zusammenhang mit dem Sonntagsgebot nur zwei Formen kennt. Wer die Heilige Messe besuchen kann, ist dazu unter Sünde verpflichtet. Wer aus einem von der Kirche anerkannten, legitimen Grund dieser Pflicht nicht nachkommen kann, ist vom Sonntagsgebot dispensiert, also freigestellt. Die betreffende Person muß in diesem Fall keinen Ersatz leisten, indem sie eine Meßübertragung über Radio, Fernsehen oder Internet hört. Das sei wohl eine fromme Übung, spiele aber im Zusammenhang mit der Heiligen Messe keine Rolle, weil sie keine legitime Form des Meßbesuchs oder der Mitfeier darstellt.
Kardinal Piacenza, ein Schüler von Kardinal Giuseppe Siri, wurde 2010 von Papst Benedikt XVI. zum Präfekten der römischen Kleruskongregation ernannt. Er ersetzte Kardinal Claudio Hummes, nachdem dieser sich der von Benedikt XVI. für 2010 beabsichtigten Erhebung des heiligen Pfarrers von Ars, Johannes Maria Vianney, zum Patron der Priester, nicht nur widersetzt, sondern diese hintertrieben hatte.
Zu den ersten Vergeltungsmaßnahmen nach der Wahl von Papst Franziskus, einem Freund von Kardinal Hummes, gehörte die Entlassung Piacenzas, die durch seine Wegbeförderung zum Großpönitentiar der Heiligen Kirche erfolgte. Seit 2013 leitet er damit die Apostolische Pönitentiarie, die auch als Apostolischer Gnadenhof bezeichnet wird, weil er Gnadenerweise und Ablässe gewährt sowie Dispensen und Strafnachlässe sowie auch die Absolutionen, die das Forum internum betreffen.
Die Pönitentiarie sorgt auch dafür, daß in den vier römischen Patriarchalbasiliken stets jeweils ein Pönitentiar anwesend ist, der die Befugnis besitzt, in besonders schweren Fällen der Sünde, deren Lossprechung der Apostolischen Pönitentiarie vorbehalten ist, weil sie die Tatstrafe der Exkommunikation nach sich ziehen, die Beichte zu hören und die Absolution zu erteilen. Das gilt beispielsweise bei einem Sakrileg gegen die eucharistischen Gestalten oder bei der Verletzung des Beichtgeheimnisses.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)