Appell an die wahren Eliten gegen die Mittelmäßigkeit

Der Weg aus der Krise


Miles Christi – Der wahre Adel ist in der schweren politischen und kirchlichen Krise gefordert.
Miles Christi – Der wahre Adel ist in der schweren politischen und kirchlichen Krise gefordert.

Von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Gibt es einen Zusam­men­hang zwi­schen dem Virus, das in den letz­ten zehn Mona­ten zwei Mil­li­ar­den Men­schen ange­grif­fen hat, und der Pan­de­mie von Irr­tü­mern, die die Welt seit Jahr­zehn­ten infi­ziert haben? In bei­den Fäl­len sind wir mit Krank­heits­er­re­gern kon­fron­tiert, die den sozia­len Orga­nis­mus angreifen.

Im ersten Fall ist der Angrei­fer ein Virus, das den Kör­per angreift und wel­ches nur das Mikro­skop iden­ti­fi­zie­ren kann. Im zwei­ten Fall ist es ein Keim, der die See­len infi­ziert und kor­rum­piert. Des­sen Iden­ti­tät wur­de uns durch den Him­mel offen­bart, als die Mut­ter­got­tes in Fati­ma 1917 ver­kün­de­te: Soll­te sich die Mensch­heit nicht bekeh­ren, wür­de Ruß­land sei­ne Irr­tü­mer ver­brei­ten und die Fol­gen wür­den Krie­ge, Revo­lu­tio­nen und die Ver­nich­tung gan­zer Natio­nen sein.

Die aller­se­lig­ste Jung­frau Maria hat­te nicht nur zwei beäng­sti­gen­de Welt­krie­ge und die Hun­der­ten Mil­lio­nen Opfer des kom­mu­ni­sti­schen und natio­nal­so­zia­li­sti­schen Tota­li­ta­ris­mus vor Augen, son­dern auch die Gesund­heits­kri­se, die die Welt heu­te durch­macht, mit all den poli­ti­schen und sozia­len Kon­se­quen­zen, die sich bereits klar abzeich­nen. Der Hori­zont ist nicht die sozia­le Kon­trol­le durch eine Gesund­heits­dik­ta­tur, wie vie­le mei­nen, son­dern im Gegen­teil der sozia­le und mehr noch der psy­cho­lo­gi­sche Zusam­men­bruch der moder­nen Gesell­schaft, die durch ihre Abwen­dung von Gott den Weg der eige­nen Selbst­auf­lö­sung ein­ge­schla­gen hat.

Die­ses tra­gi­sche Sze­na­rio scheint irrever­si­bel, weil zur Unein­sich­tig­keit der Mensch­heit noch die Apo­sta­sie der Kir­chen­füh­rer hin­zu­ge­kom­men ist, die nicht mehr die Not­wen­dig­keit von Gebet, Buße und Bekeh­rung zur einen Kir­che Chri­sti pre­di­gen, son­dern ein neu­es öko­lo­gi­sches, öku­me­ni­sches und glo­ba­li­sti­sches Evan­ge­li­um ver­kün­den. Wie kann die Stra­fe abge­wen­det wer­den, die von Unse­rer Lie­ben Frau in Fati­ma ange­kün­digt wur­de, ange­sichts von Kir­chen­män­nern wie dem neu­en Kar­di­nal Ranie­ro Can­tal­am­es­sa, der seit Jah­ren wie­der­holt und dar­auf beharrt, daß Kata­stro­phen nie­mals eine Stra­fe Got­tes sind?1

Deus non irri­de­tur! Gott läßt Sei­ner nicht spot­ten (Gal 6,7).

Can­tal­am­es­sa ist wie vie­le ande­re Prä­la­ten ein wür­di­ger Sohn des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils. Aber selbst jene, die eine Ver­ant­wor­tung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils zurück­wei­sen, kön­nen die Exi­stenz einer bei­spiel­lo­sen Wer­te­kri­se nicht leug­nen, die sich im Ver­lust der Vor­stel­lung von Gut und Böse, im Rela­ti­vis­mus und im prak­ti­schen Athe­is­mus aus­drückt, in dem die Mensch­heit lebt und statt­des­sen, nach­dem sie auf­ge­hört hat, an Gott zu glau­ben, sich zum Glau­ben an Göt­zen wie die Mut­ter Erde bekennt.

Die Ver­keh­rung von Prin­zi­pi­en in ihr Gegen­teil, die sich durch den recht­li­chen und sozia­len Schutz der Homo­se­xua­li­tät zeigt, ist ein bezeich­nen­der und dra­ma­ti­scher Aus­druck des statt­fin­den­den mora­li­schen Ver­falls­pro­zes­ses. Aber noch schwer­wie­gen­der ist die Zustim­mung oder zumin­dest Nach­gie­big­keit, die die höch­sten Auto­ri­tä­ten der Kir­che für die­se Ent­ar­tung der Gesell­schaft zu zei­gen scheinen.

Die Her­de ist ohne reli­giö­se und poli­ti­sche Füh­rer, hat aber letzt­lich die Hir­ten, die sie ver­dient. Der Pro­test gegen die öffent­li­che Auto­ri­tät, ob reli­giö­se oder poli­ti­sche, reicht nicht, wenn man nicht damit beginnt, vor allem sich selbst, die eige­nen Lebens­ge­wohn­hei­ten, die eige­ne Denk­wei­se zu erneu­ern und mit jedem Kom­pro­miß mit die­ser moder­nen Welt zu bre­chen, die der tie­fe­re Grund der Kri­se ist.

Das vor­herr­schen­de Merk­mal scheint heu­te die Mit­tel­mä­ßig­keit zu sein, d. h. die Ableh­nung von Grö­ße und Über­le­gen­heit des Gei­stes, die durch die Suche nach Erfolg und durch die eige­nen Inter­es­sen ersetzt wer­den. Der Skan­dal, der in die­sen Tagen das vati­ka­ni­sche Staats­se­kre­ta­ri­at erschüt­tert, bringt eine vul­gä­re und uti­li­ta­ri­sti­sche Art ans Licht, der Kir­che zu die­nen, in der theo­lo­gi­sche und mora­li­sche Irr­tü­mer ihren natür­li­chen Nähr­bo­den finden.

Erne­sto Gal­li del­la Log­gia liegt nicht falsch, wenn er in sei­nem Arti­kel mit dem Titel „Die katho­li­sche Kir­che und das ver­schwun­de­ne Ita­li­en“ im Cor­rie­re del­la Sera vom 17. Okto­ber 2020 unter Hin­weis auf die kata­stro­pha­le Ver­wal­tung der vati­ka­ni­schen Finan­zen fest­stellt, daß „ein bestimm­tes katho­li­sches Ita­li­en von ari­sto­kra­ti­schem und bür­ger­li­chem Stil ver­schwun­den ist, des­sen Dien­ste sich die Kir­che bis vor nicht all­zu fer­ner Zeit auf ver­schie­de­ne Wei­se bedient und das der Kir­che und dem Schick­sal der Katho­li­zi­tät unter dem Ban­ner eines star­ken ethi­schen Enga­ge­ments und der Ent­sa­gung an per­sön­li­chen Inter­es­sen gedient hat. […] Der Man­gel an ech­ten Kom­pe­ten­zen nicht­re­li­giö­ser Natur und die gleich­zei­ti­ge Unmög­lich­keit, auf die Fähig­kei­ten einer nicht mehr exi­stie­ren­den oder abwe­sen­den katho­li­schen Zivil­ge­sell­schaft zu zäh­len, zwin­gen nicht nur die Finanz­ver­wal­tung des Hei­li­gen Stuhls, son­dern all­ge­mein alle sei­ne Bezie­hun­gen zur Welt, auf gefähr­li­che Wei­se immer am Ran­de des Betrugs oder der Ille­ga­li­tät oder besten­falls einer ent­mu­ti­gen­den Unge­schick­lich­keit zu leben.

Am 30. Okto­ber 1993 fand in Rom im Palaz­zo Pal­la­vici­ni eine inter­na­tio­na­le Kon­fe­renz statt anläss­lich der Ver­öf­fent­li­chung des Buches von Prof. Pli­nio Cor­rêa de Oli­vei­ra „Nobil­tà ed éli­tes tra­di­zio­na­li ana­log­he nel­le allo­cu­zi­o­ni di Pio XII al patri­zia­to e alla nobil­tà roma­na“ (Ari­sto­kra­tie und ver­gleich­ba­re tra­di­tio­nel­le Eli­ten in den Anspra­chen von Pius XII. an das Patri­zi­at und den Adel von Rom, Marz­o­ra­ti, Mai­land 1993). Kar­di­nal Alfons Maria Stick­ler appel­lier­te an die tra­di­tio­nel­len Eli­ten für einen muti­gen Kampf zur Ver­tei­di­gung mensch­li­cher und christ­li­cher Wer­te.2 Nur weni­ge nah­men den Appell auf, aber der Wider­stand die­ser weni­gen, die wei­ter­kämp­fen, weist einen Weg für die mora­li­sche Wie­der­ge­burt Euro­pas: heu­te die Eli­ten von mor­gen for­men, wah­re Eli­ten, vor allem gei­sti­ge, aber auch poli­ti­sche und sozia­le, eine Ari­sto­kra­tie der See­le, des Den­kens, der Bil­dung, die das Ban­ner der katho­li­schen Gegen-Revo­lu­ti­on hoch­hält, wäh­rend die Fun­da­men­te der Gesell­schaft von unten erschüt­tert wer­den. Das ist der Weg, dem wir fol­gen und den wir jenen auf­zei­gen, die nicht in den Stru­deln des Sump­fes ver­sin­ken wol­len, vor dem wir stehen.

*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt in deut­scher Über­set­zung: Ver­tei­di­gung der Tra­di­ti­on: Die unüber­wind­ba­re Wahr­heit Chri­sti, mit einem Vor­wort von Mar­tin Mose­bach, Alt­öt­ting 2017 und Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil. Eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, 2. erw. Aus­ga­be, Bobingen2011.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


1 Vgl. Avve­ni­re, 23. April 2011, und jüngst Cor­rie­re del­la Sera, 10. April 2020.

2 Vgl. Tom­ma­so Mon­fe­li: Cat­to­li­ci sen­za com­pro­mes­si (Katho­li­ken ohne Kom­pro­mis­se), Fidu­cia 2019, S. 137–138).

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