(London) „Das derzeitige Gesetz ist unfair. Ich habe das Gefühl, ich sollte nicht existieren.“ Eine junge Britin mit Down-Syndrom stellt das Abtreibungsgesetz in Frage, das es erlaubt hätte, sie bis unmittelbar vor ihrer Geburt durch Abtreibung zu töten.
Heidi Crowter, eine 24 Jahre alte Engländerin mit Down-Syndrom, wurde das Recht zugesprochen, das derzeitige Abtreibungsgesetz vor dem Obersten Gerichtshof anzufechten. Ihre Klage wurde vom Gericht zugelassen.
Heidi und ihre Unterstützerin Máire Lea-Wilson, kämpfen gegen ein Abtreibungsgesetz, das ungeborene Kinder mit Down-Syndrom oder einer anderen Behinderung diskriminiert.
England war das erste westliche Land, das die Abtreibung legalisierte. Das war im Jahr 1967. Die Tötung ungeborener Kinder wurde bis zur 24. Schwangerschaftswoche erlaubt, während gleichzeitig die Todesstrafe abgeschafft wurde. Doch jede Abtreibung ist die Hinrichtung eines Kindes.
Bei ungeborenen Kindern mit „schwerer lebenseinschränkender Krankheit“ ist ihre Tötung sogar bis zur Geburt erlaubt. Dazu wird auch das Down-Syndrom gezählt.
Heidi Crowter aus Coventry kam mit dem Down-Syndrom zur Welt. Sie hat sich mit Cheryl Bilsborrow aus Preston zusammengetan, der Mutter des zweijährigen Hector, der ebenfalls das Down-Syndrom hat. Die Ärzte wollten sie dazu bringen, ihr Kind töten zu lassen, als die Diagnose feststand. Das empört die Mutter bis heute.
Gemeinsam streben Crowter und Bilsborrow ein richtungsweisendes Verfahren gegen die britische Regierung an, um das derzeitige Abtreibungsgesetz zu kippen, das eine Gruppe von Menschen bis zur Geburt für vogelfrei erklärt. Mehr noch: Die Geburt von Menschen mit Down-Syndrom gilt generell als unerwünscht. Die Regierung bringt das durch die Tötungsfreigabe für die gesamte Zeit der Geburt zum Ausdruck. Entsprechend wenige Kinder mit Down-Syndrom werden nur mehr geboren.
„Besser, wenn ich tot wäre?“
Nach der Geburt werden Betroffene durch eine Reihe von staatlichen Hilfe und Unterstützungen, aber auch eigenen Einrichtungen gefördert und umsorgt. Bis zur Geburt sollten sie in Wirklichkeit aber getötet werden. Dafür werde Druck auf die Mütter ausgeübt, so Bilsborrow. Gegen diese vom Staat unterstützte Heuchelei, die in den meisten Fällen für die Betroffenen tödlich ist, wollen sie ankämpfen.
Die erste Schlacht ist bereits gewonnen. Die Anfechtung des Gesetzes wurde vom Gericht für zulässig erklärt.
„Im Moment können Babys in Großbritannien bis zur Geburt abgetrieben werden, wenn sie als schwerbehindert gelten. Sie schließen mich in diese Definition, schwerbehindert zu sein, mit sein, nur weil ich ein Chromosom mehr habe. Was sie mir damit sagen, ist, daß mein Leben nicht so wertvoll ist wie das anderer, und ich denke nicht, daß das stimmt. Ich denke auch, daß das nicht richtig ist. Und ich denke, es ist, offen gesagt, Diskriminierung.“
Im Gespräch mit dem Sunday Telegraph sagte Heidi:
„Das derzeitige Gesetz ist unfair. Ich habe das Gefühl, ich sollte nicht existieren. In den Augen des Gesetzes wäre ich dann besser dran. Die Richtlinie besagt, daß es grundsätzlich normal ist, daß ein Baby mit Down-Syndrom bis kurz vor der Geburt eliminiert wird.“
Das aber halte sie für falsch und inakzeptabel. Deshalb findet sie es „großartig“, daß der Fall vor dem Obersten Gerichtshof verhandelt werden wird.
Paul Conrathe, der Anwalt, der die beiden Frauen vertritt, sagte dazu:
„Dieser Fall befaßt sich mit einem grundsätzlich beleidigenden und diskriminierenden Problem, daß ungeborene Babys mit einer Behinderung, in diesem Fall dem Down-Syndrom, bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden können.“
Makabre Statistiken
Conrathe will vor dem Obersten Gerichtshof auch vorbringen, daß die Kann-Bestimmung in Wirklichkeit fast einem faktischen Muß gleichkommt.
Dazu verweist er auf Statistiken des englischen Gesundheits- und Sozialministeriums. Allein zwischen Januar und Juni 2020 gab es auf 339 Abtreibungsmeldungen zur statistischen Erfassung den Vermerk „Down-Syndrom“.
In Großbritannien werden rund 92 Prozent der ungeborenen Kinder, denen vorgeburtlich ein Down-Syndrom diagnostiziert wird, abgetrieben. Die wenigen Ausnahmen, die die ersten neun Monate überleben und geboren werden, bestätigen die Regel, daß das erklärte Ziel die faktische Eliminierung der behinderten Kinder sei.
Großbritanniens größter Abtreiber, der 1968 gegründete British Pregnancy Advisory Service (BPAS), will von Heidi Crowters Initiative nichts wissen. Man lehne jede Einmischung in das Entscheidungsrecht der Frauen und dessen Einschränkung ab, ob diese eine Schwangerschaft fortsetzen wollen oder nicht.
93 Prozent der Abtreibungen werden in Großbritannien vom staatlichen Gesundheitsdienst National Health Service bezahlt. Ein weiterer Beleg für Crowter und Bilsborrow, daß die Tötung behinderter Kinder ein unausgesprochenes Staatsziel ist.
Die South London Clinic des BPAS wurde 2009 vom britischen Gesundheitsministerium mit dem You’re Welcome Award für „jugendfreundliche Qualitätsstandards“ ausgezeichnet, die vom Abtreibungskonzern geboten würden. Gemeint sind damit Abtreibung, Sterilisation, „Notfall-Verhütung“ und Vasektomie.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoCatolico/LifeInstitute (Screenshots)