Türkische Provokationen: „Auch Papst Franziskus zum ersten islamischen Freitagsgebet in der Hagia Sophia eingeladen“


Am 24. Juli wird die Hagia Sophia, die bedeutendste Kirche der orthodoxen Ostkirche, wieder zur Moschee.
Am 24. Juli wird die Hagia Sophia, die bedeutendste Kirche der orthodoxen Ostkirche, wieder zur Moschee.

(Istan­bul) Die Staats­füh­rung der Tür­kei, unter dem Schutz der NATO wie­der eine Regio­nal­macht im Nahen Osten, setzt ihre Pro­vo­ka­tio­nen fort. Mit dem isla­mi­schen Gebet am kom­men­den Frei­tag wird die Hagia Sophia in Istan­bul wie­der in eine Moschee umge­wan­delt. Der Spre­cher von Staats­prä­si­dent Erdo­gan sag­te: „Alle sind zum Frei­tags­ge­bet am 24. Juli ein­ge­la­den, auch Papst Franziskus“. 

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Recep Tayyip Erdoğan ist seit 2003 der unein­ge­schränk­te Macht­ha­ber in der Tür­kei, eine Posi­ti­on, die er sich suk­zes­si­ve festig­te. Bis 2014 regier­te er als Mini­ster­prä­si­dent, seit­her als Staats­prä­si­dent. Seit 2018 steht er an der Spit­ze eines auf sei­ne Per­son zuge­schnit­te­nen Präsidialsystems.

Zu sei­nem ideo­lo­gi­schen Pro­gramm gehört die Re-Isla­mi­sie­rung der Tür­kei, womit in erster Linie die Über­win­dung des lai­zi­sti­schen Kema­lis­mus gemeint ist. Obwohl Erdo­gan und sei­ne AKP den Kema­lis­mus, die auf Kemal Ata­türk zurück­ge­hen­de Staats­dok­trin der 1923 gegrün­de­ten tür­ki­schen Repu­blik, ver­ach­ten, sieht sich die neue isla­mi­sche Staats­dok­trin als Nutz­nie­ßer der eth­nisch-reli­giö­sen Säu­be­rung, mit denen die Kema­li­sten die Chri­sten des Lan­des, Grie­chen, Arme­ni­er und Chaldä­er, in einem Geno­zid ermor­de­ten oder vertrieben.

Die Grau­sam­keit, die damit gemeint ist, zeigt sich anhand der Zah­len. Heu­te sind nur mehr 0,2 Pro­zent der Bewoh­ner der Tür­kei Chri­sten. Anfang des 20. Jahr­hun­dert waren es noch etwa 25 Pro­zent. In der alten Kai­ser­stadt Kon­stan­ti­no­pel, Sitz des Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen der Ost­kir­che, waren fast die Hälf­te der Ein­woh­ner Chri­sten. 1923 wur­de der größ­ten Stadt der Tür­kei der Sta­tus als Haupt­stadt genom­men und sie 1930 in Istan­bul umbenannt.

Seit Erdo­gans Regie­rungs­an­tritt stand sei­ne Absicht im Raum, die Hand auf die Hagia Sophia zu legen, die 900 Jah­re lang die größ­te und präch­tig­ste Kir­che der Chri­sten­heit war. Nach der isla­mi­schen Erobe­rung von Kon­stan­ti­no­pel wur­de sie 1453 in eine Moschee umge­wan­delt. Ata­türk mach­te sie 1935 zu einem Museum.

Um den Re-Isla­mi­sie­rungs­be­stre­bun­gen ent­ge­gen­zu­wir­ken, schal­te­te sich Ruß­land ein und bemüh­te sich auf diplo­ma­ti­scher Ebe­ne um eine Rück­ga­be der Hagia Sophia an die ortho­do­xe Kir­che. Dage­gen mach­ten ab 2014 isla­mi­sche Grup­pen in der Tür­kei mobil. Aktio­nen, die von der Staats­füh­rung um Erdo­gan gewünscht wur­den, wie Beob­ach­ter ver­mu­te­ten. 2015 wur­de erst­mals, wenn auch im Rah­men einer Aus­stel­lung, wie­der der Koran in der ein­sti­gen Kir­che rezi­tiert. 2016 erfolg­te eine zeit­lich befri­ste­te Nut­zung als Moschee wäh­rend des Rama­dan. 2019 war es schließ­lich soweit: Erdo­gan kün­dig­te die stän­di­ge Umwand­lung in eine Moschee an.

Gemäß dem ent­spre­chen­den Regie­rungs­be­schluß mach­te der ober­ste Ver­wal­tungs­ge­richts­hof der Tür­kei am 10. Juli den Weg dafür frei. Erdo­gan kün­dig­te dar­auf in einer Rede an die Nati­on an, daß am 24. Juli erst­mals seit 1935 wie­der das isla­mi­sche Frei­tags­ge­bet in dem 1453 ent­christ­lich­ten Got­tes­haus statt­fin­den wird.

Wie die Ortho­dox Times berich­te­te, ver­si­cher­te Erdo­gans Spre­cher gegen­über den Medi­en, daß die Tür­kei auch Papst Fran­zis­kus zu die­sem Anlaß in die Moschee ein­la­de. Alle sei­en zum Frei­tags­ge­bet ein­ge­la­den, auch der Papst.

Am 12. Juli, zwei Tage nach der Ent­schei­dung des ober­sten tür­ki­schen Ver­wal­tungs­ge­richts zugun­sten einer Moschee, hat­te Fran­zis­kus beim Ange­lus auf dem Peters­platz gesagt:

„Und das Meer führt mich in mei­nen Gedan­ken etwas in die Fer­ne: nach Istan­bul. Ich den­ke an die Hagia Sophia, und bin sehr traurig.“

Laut Erdo­gan wer­de für den Besuch der Hagia Sophia kein Ein­tritt mehr zu bezah­len und auch Frem­den der Zugang erlaubt sein. Aller­dings wer­den sie nicht mehr ein Muse­um betre­ten, son­dern eine Moschee. Eine Moschee, an der fast alles an eine Kir­che erinnert.

Die Hagia Sophia wird der Reli­gi­ons­be­hör­de Diya­net unter­stellt, die für die Moscheen der Tür­kei zustän­dig ist. 

Grie­chen­lands Staats­prä­si­den­tin Kate­ri­na Sakel­lar­opou­lou setz­te sich gestern mit Papst Fran­zis­kus in Ver­bin­dung, um mit ihm über die Umwand­lung in eine Moschee zu sprechen.

In einer anschlie­ßend ver­öf­fent­lich­ten Erklä­rung der grie­chi­schen Prä­si­di­al­kanz­lei heißt es, daß die Umwand­lung alle zutiefst schä­di­ge, die die Hagia Sophia als „über­ra­gen­des Sym­bol der Chri­sten­heit, als Welt­kul­tur­er­be und Erbe der Mensch­heit“ betrach­ten. Sakel­lar­opou­lou beklag­te zugleich, daß die Tür­kei sich von den „Wer­ten des säku­la­ren Staa­tes und den Grund­sät­zen der Tole­ranz und des Plu­ra­lis­mus“ entferne.

„Das ist kei­ne inne­re Ange­le­gen­heit der Tür­kei, son­dern von umfas­sen­de­rer Bedeu­tung und muß von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft aus­drück­lich und ein­deu­tig ver­ur­teilt werden.“ 

Sakel­lar­opou­lou dank­te Papst Fran­zis­kus für sei­ne Unter­stüt­zungs­be­kun­dung und ersuch­te ihn, sei­nen gan­zen Ein­fluß zu nut­zen, „um die inter­na­tio­na­le Öffent­lich­keit zu sen­si­bi­li­sie­ren. damit die tür­ki­sche Füh­rung ihre Ent­schei­dung rück­gän­gig macht und die Basi­li­ka der Hagia Sophia wie­der in einen geschütz­ten Sta­tus zurückführt.“

Der Papst stimm­te laut der Erklä­rung  „Sakel­lar­opou­lous Äuße­run­gen zu“. Er habe „die poli­ti­schen Grün­de für Erdo­gans Ent­schei­dung“ erkannt und er „ver­sprach, sei­ne Bemü­hun­gen fortzusetzen“.

Das Kir­chen­ober­haupt lob­te bei die­ser Gele­gen­heit Grie­chen­lands Bemü­hun­gen, „Flücht­lin­ge und Ein­wan­de­rer will­kom­men zu heißen“.

Staats­prä­si­den­tin Sakel­lar­opou­lou lud Fran­zis­kus 2021 ein, Grie­chen­land anläß­lich der Zwei­hun­dert­jahr­fei­ern der grie­chi­schen Revo­lu­ti­on zu besu­chen. Gemeint ist der Beginn des grie­chi­schen Unab­hän­gig­keits­krie­ges gegen die Osma­nen. Der Papst habe die Ein­la­dung ange­nom­men, sofern die Bedin­gun­gen die Rei­se erlau­ben werden.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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