Russisch-orthodoxe Kirche bricht mit Alexandria und setzt zum Sprung nach Afrika an

Orthodoxie


Der orthodoxe Patriarch Theodoros II. von Alexandria.
Der orthodoxe Patriarch Theodoros II. von Alexandria und ganz Afrika.

(Mos­kau) Die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che erhöht ihren Druck auf die ande­ren ortho­do­xen Kir­chen wegen der Ukrai­ne-Fra­ge und setzt zur Aus­wei­tung ihrer Aus­lands­ak­ti­vi­tä­ten an.

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Inner­halb der ortho­do­xen Ost­kir­che gibt es meh­re­re selbst­ver­wal­te­te Kir­chen, die unter­ein­an­der Kir­chen­ge­mein­schaft haben und gemein­sam die Ortho­do­xie bil­den. Die­ser Kir­chen­ge­mein­schaft gehö­ren der­zeit vier­zehn auto­ke­pha­le Kir­chen, deren größ­te die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che ist, und fünf auto­no­me Kir­chen, deren klein­ste das Katha­ri­nen­klo­ster auf dem Sinai ist. Hin­zu kom­men wei­te­re Kir­chen, deren Auto­ke­pha­lie nicht all­ge­mein aner­kannt ist. Haupt­streit­punkt ist die ukrai­nisch-ortho­do­xe Kir­che, die sich im Zuge der Wie­der­erlan­gung der ukrai­ni­schen Sou­ve­rä­ni­tät vom Mos­kau­er Patri­ar­chat abspal­te­te. Der Öku­me­ni­sche Patri­arch von Kon­stan­ti­no­pel, der den Ehren­rang in der Kir­chen­ge­mein­schaft ein­nimmt, erkann­te die Ortho­do­xe Kir­che der Ukrai­ne als auto­ke­phal an, wäh­rend der Patri­arch von Mos­kau dies ablehnt. Mos­kau been­de­te des­halb die Kir­chen­ge­mein­schaft mit Kiew und mit Kon­stan­ti­no­pel. Nun kam es auch zum Bruch mit Alexandrien.

Das ortho­do­xe Patri­ar­chat von Alex­an­dria und ganz Ägyp­ten wird seit 2004 von Theo­do­ros II. gelei­tet, der dem Rang nach gleich hin­ter dem Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen gereiht ist. Er erkann­te im Novem­ber 2019 die Ortho­do­xe Kir­che in der Ukrai­ne als auto­ke­phal an. Das Mos­kau­er Patri­ar­chat reagier­te noch im sel­ben Monat mit der Schlie­ßung der „ägyp­ti­schen“ Kir­che in Moskau. 

Am 29. Dezem­ber erfolg­te nun der offi­zi­el­le Bruch der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che mit Alex­an­dri­en. Im Dani­low-Klo­ster, dem Amts­sitz des Mos­kau­er Patri­ar­chen und Tagungs­ort des Hei­li­gen Syn­ods, ver­sam­mel­te Patri­arch Kyrill zum Jah­res­en­de den Ober­sten Kir­chen­rat. Die­ses Gre­mi­um, in dem nicht nur die Bischö­fe, son­dern auch die Prie­ster und Lai­en ver­tre­ten sind, tag­te erst­mals wie­der seit hun­dert Jah­ren. Zuletzt war es 1920 ein­be­ru­fen worden.

Beschlos­sen wur­de die Errich­tung neu­er Bis­tü­mer, um die Gläu­bi­gen auch in den ent­le­gen­sten Win­keln der Welt zu errei­chen. Ein­her ging die­ser Schritt mit dem Ende der Kir­chen­ge­mein­schaft mit Patri­arch Theo­do­ros II. von Alex­an­dria. In einer ver­öf­fent­lich­ten Erklä­rung ist von den „Schis­ma­ti­kern“ in der Ukrai­ne und „ihren Freun­den“ die Rede. Da kano­ni­sche Kir­chen der Ortho­do­xie das Ter­ri­to­ri­al­prin­zip ach­ten, kann es in jedem Teil der Erde nur eine ortho­do­xe Kir­che geben. Der Bruch mit Alex­an­dria ermög­licht es dem Mos­kau­er Patri­ar­chat in ganz Afri­ka eige­ne Pfar­rei­en und Bis­tü­mer zu errich­ten, was auch beschlos­sen wur­de. Ent­spre­chen­de Ankün­di­gun­gen hat­te Metro­po­lit Hila­ri­on, der „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats, bereits im Vor­feld gemacht.

Die russisch-orthodoxe Kirche beendete die Kirchengemeinschaft mit dem orthodoxen Patriarchat von Alexandria und will nun selbst in Afrika aktiv werden.
Die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che been­de­te die Kir­chen­ge­mein­schaft mit Alex­an­dria und will selbst in Afri­ka aktiv werden.

Bruch mit ausgestreckter Hand

Bereits bis­her erfolg­te die Betreu­ung der rus­si­schen Gläu­bi­gen in Afri­ka durch rus­si­sche Prie­ster, die sich im Ein­ver­neh­men zwi­schen den Patri­ar­cha­ten von Mos­kau und Alex­an­dri­en aber für die Zeit ihres Wir­kens auf dem Kon­ti­nent for­mal der „ägyp­ti­schen“ Kir­che unter­stell­ten. Nun geht Mos­kau direk­te Wege.

Die Hand bleibt aber aus­ge­streckt. Der Ober­ste Kir­chen­rat faß­te den Beschluß, daß für alle Prie­ster und Bischö­fe des Patri­ar­chats von Alex­an­dria, die der Aner­ken­nung der ukrai­ni­schen „Schis­ma­ti­ker“ durch Patri­arch Theo­do­ros II. nicht fol­gen, die Kir­chen­ge­mein­schaft unver­än­dert gelte.

Die­sel­be Hal­tung nimmt Mos­kau bereits gegen­über der Ortho­do­xen Kir­che von Grie­chen­land ein. Deren Erz­bi­schof Hie­ro­ny­mos II. hat­te eben­falls die Auto­ke­pha­lie der von Mos­kau abge­spal­te­nen ukrai­nisch-ortho­do­xen Kir­che aner­kannt. Dar­auf kün­dig­te Mos­kau die Kir­chen­ge­mein­schaft mit Hie­ro­ny­mos II. auf, erklär­te aber, sie gegen­über allen auf­recht­zu­er­hal­ten, die sich ihm in die­sem Punkt nicht anschließen. 

Mit die­ser Vor­ge­hens­wei­se ver­sucht Mos­kau Druck inner­halb der genann­ten kano­ni­schen Kir­chen auf­zu­bau­en. Nicht ganz ohne Erfolg: In Kenia, Tan­sa­nia, Sam­bia und ande­ren afri­ka­ni­schen Staa­ten haben sich 27 Prie­ster des alex­an­dri­ni­schen Kle­rus gewei­gert, die ukrai­ni­sche Kir­che anzu­er­ken­nen. Metro­po­lit Hila­ri­on spricht von einer „wach­sen­den Unzu­frie­den­heit inner­halb der ortho­do­xen Kir­che in Afrika“:

„Ich weiß nicht, wie die Din­ge wei­ter­ge­hen wer­den, aber wenn Patri­arch Theo­do­ros auf der Sei­te des Schis­mas bleibt, müs­sen wir die Pro­ble­me für die ortho­do­xen Gläu­bi­gen lösen, die der wah­ren Kir­che treu bleiben.“ 

Vom Evangelisten Markus gegründetes Patriarchat

Das Patri­ar­chat von Alex­an­dria, gegrün­det vom Evan­ge­li­sten Mar­kus, gehört zu den fünf alten Patri­ar­cha­ten der Kir­che, von denen nur Rom dem römi­schen West­reich ange­hör­te. Das ortho­do­xe Patri­ar­chat ist heu­te in Ägyp­ten aber kaum grö­ßer als das katho­li­sche. Im Jahr 451 wur­de der dama­li­ge Patri­arch von Alex­an­dria, Dio­sko­ros I., wegen sei­ner mono­phy­si­ti­schen Posi­tio­nen vom Kon­zil von Chal­ce­don abge­setzt. Dar­auf­hin rief er die kop­tisch-ortho­do­xe Kir­che ins Leben. Die­se Kir­che, der noch heu­te die mei­sten Chri­sten Ägyp­tens ange­hö­ren, wird seit 2012 von Tawa­dros II. geleitet. 

Die ortho­do­xe Kir­che gab ihren Anspruch auf den Patri­ar­chen­stuhl des hei­li­gen Mar­kus aber nie auf. Obwohl die Zahl der Gläu­bi­gen nur mehr gering war, wur­de der Patri­ar­chen­stuhl immer besetzt. Nach der mus­li­mi­schen Erobe­rung Ägyp­tens wur­de die ortho­do­xe Kir­che beson­ders hart ver­folgt, da sie den Mus­li­men als Able­ger des Byzan­ti­ni­schen Rei­ches, also des Fein­des, galt.

Für die katho­li­sche Kir­che trat die Fra­ge um den Patri­ar­chen­stuhl von Alex­an­dria erst mit dem Gro­ßen Schis­ma von 1054 und den Kreuz­zü­gen auf, die das Augen­merk des Abend­lan­des auf das Mor­gen­land lenk­ten. 1215 errich­te­te der Papst ein Latei­ni­sches Patri­ar­chat von Alex­an­dria. Dabei han­del­te es sich aber um ein blo­ßes Titu­lar­pa­tri­ar­chat. 1954 wur­de es nicht mehr besetzt und 1964 auf­ge­ho­ben. Nach­dem 1741 eine mit Rom unier­te, kop­tisch-katho­li­sche Kir­che ent­stan­den war, errich­te­te Papst Pius VII. für deren Ober­haupt eine Patri­ar­chat von Alex­an­dria. Wegen des Wider­stan­des der osma­ni­schen Behör­den konn­te es aber nicht besetzt wer­den. Erst 1899 wur­de der erste kop­tisch-katho­li­sche Patri­arch ernannt. Seit 2013 hat Patri­arch Ibra­him die­ses Amt inne.

Dem mit Rom unier­ten Patri­ar­chat von Alex­an­dria gehö­ren in Ägyp­ten rund 200.000 Gläu­bi­ge an, dem ortho­do­xen Patri­ar­chat rund 300.000 Gläu­bi­ge und dem kop­ti­schen Patri­ar­chat gut 15 Pro­zent der Ägyp­ter. Dazu kom­men noch eini­ge Mil­lio­nen Gläu­bi­ge der drei Patri­ar­cha­te in der Diaspora.

Soll­te Patri­arch Theo­do­ros II. in der Ukrai­ne-Fra­ge nicht ein­len­ken, könn­te die rus­sisch-ortho­do­xe Prä­senz in Afri­ka bald wachsen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Asia­News

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