(Rom) Am 29. November empfing Papst Franziskus die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission. Ein Ereignis, das in der Regel unbeachtet bleibt. Dabei kam es allerdings zur Begegnung von Franziskus mit einem seiner schärfsten Kritiker.
Die Internationale Theologenkommission war 1969 von Papst Paul VI auf Anregung der ersten Bischofssynode geschaffen worden, die 1965 errichtet und 1967 erstmals getagt hatte. Ihre Mitglieder werden vom Kirchenoberhaupt für eine Amtszeit von etwa fünf bis sechs Jahren bestellt. Die derzeitigen 30 Mitglieder wurden von Papst Franziskus 2014 für das 9. Quinquennium ernannt.
Die Fachtheologen sollen den Papst bei seinem lehramtlichen Wirken beraten. Das erfolgt über die Glaubenskongregation. Dort ist die Kommission auch angesiedelt. Der Glaubenspräfekt, zur Zeit Kardinal Luis Ladaria Ferrer SJ, ist zugleich Vorsitzender der Theologenkommission.
In seiner Ansprache betonte Papst Franziskus vor allem die „Synodalität“, ein Begriff, der von ihm neu in die Kirche eingeführt wurde, und „heutige Interpretationen der Religionsfreiheit“.
Am Ende ermahnte er die anwesenden – und wohl alle – Theologen, das gläubige Volk nicht mit „umstrittenen Fragen“ zu belasten:
„Aber dem Volk Gottes muß die feste ‚Nahrung‘ des Glaubens gegeben werden, ohne das Volk Gottes mit umstrittenen Fragen zu füttern.“
Wie genau er diese Aussage meinte, wurde aus dem Kontext nicht klar.
Bemerkenswerter ist, daß es im Zuge der Audienz zu einer persönlichen Begegnung zwischen Franziskus und seinem Kritiker, dem US-amerikanischen Kapuzinerpater Thomas G. Weinandy kam.
Zum Abschluß der Audienz grüßten alle das Kirchenoberhaupt mit Handschlag und wenigen persönlichen Worten. Papst Franziskus, dem die jeweils begrüßte Person namentlich vorgestellt wurde, wußte dennoch offensichtlich nicht, wen er vor sich hatte.
Der bekannte Theologe warf Papst Franziskus bereits in der Vergangenheit vor, eine „chronische Verwirrung“ zu fördern, die Bedeutung der Glaubenslehre zu „erniedrigen“ und Bischöfe zu ernennen, die den Gläubigen mit zweifelhafter Lehre und pastoraler Praxis zum „Ärgernis“ werden.
Anfang Oktober hatte P. Weinandy bei The Catholic Thing den Beitrag „Pope Francis and Schism“ veröffentlicht („Papst Franziskus und das Schisma“). Ausgangspunkt seiner Überlegungen waren die jüngsten Aussagen von Papst Franziskus über ein mögliches Schisma, das ihm „keine Angst“ mache. P. Weinandy analysiert die schismatisierende Situation in der deutschen Kirche, zweideutige römische Dokumente wie Amoris laetita, von der kirchlichen Lehre abweichende Haltungen zur Homosexualität und das umstrittenen Dokument über die „Brüderlichkeit aller Menschen“ von Abu Dhabi. Daraus folgert der Kapuziner, daß Papst Franziskus einen faktischen Dualismus in der Kirche schaffe:
„Am Ende wird die Kirche also einen Papst haben, der der Papst der katholischen Kirche und zugleich der faktische Anführer einer schismatischen Kirche ist. Da er das Oberhaupt von beiden ist, bleibt das äußere Erscheinungsbild von einer Kirche erhalten, obwohl es in Wirklichkeit zwei sind.
Die einzige Formulierung, die ich finden kann, um diese Situation zu beschreiben, lautet „inneres päpstliches Schisma“, denn der Papst wird als Papst der tatsächliche Anführer eines Teils der Kirche sein, der durch seine Glaubenslehre, seine Morallehre und seine kirchliche Struktur faktisch in jeder Hinsicht schismatisch ist. Das ist die wahre Spaltung, die unter uns ist, und der wir uns stellen müssen. Aber ich glaube nicht, daß Papst Franziskus in irgendeiner Weise Angst vor dieser Spaltung hat. Ich fürchte, er wird sie begrüßen, solange er die Kontrolle hat, denn er sieht das schismatische Element als das neue ‚Paradigma‘ für die künftige Kirche.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)