Von einer Katholikin
2018.
Ein Jahr ist seit dem großen Reformationsjubiläum vergangen.
Inzwischen hat Papst Franziskus sein Nihil obstat zur Orientierungshilfe der Deutschen Bischöfe gegeben, um protestantischen Ehepartnern mit der Eucharistie ein „geistliches Bedürfnis“ erfüllbar zu machen.
2017.
Das Lutherjahr. 500 Jahre Reformation.
Für mich war es das Jahr, in dem ich die alte Messe kennenlernte. Eine „liturgiereformiert“ aufgewachsene Katholikin erlebte die Schönheit, die Gnadenfülle der Opfermesse und die Tiefe des eucharistischen Mysteriums und sank auf die Knie.
So gestärkt besuchte ich die Jubiläumsausstellung in Wittenberg. Ich begriff immer mehr die Tragweite ökumenischer Aktionen unter dem Deckmantel eines „Christusfestes“, das man gemeinsam feierte. Mir wurde klar, dass ich als Katholikin die Dinge, die ich erlebe, klar benennen muss: die stillschweigend praktizierte oder später gar „öffentlich erklärte“ Interkommunion, liturgische Missbräuche, die Untergrabung der katholischen Morallehre durch die Kirche und den neuen Reformator. Reformation 2.0.
Ich begann zu schreiben.
Prolog:
Ich gebe zu: Für jemanden, der die überlieferte Liturgie der lateinischen Messe kennt und liebt und unter ihrer Einschränkung leidet, waren der Hype um das Reformationsjubiläum und der ökumenische Ansatz eines sogenannten Christusfestes eine – sagen wir mal – Herausforderung.
Erste Station: Die Wittenberger Altstadt.
Am frühen Abend waren die Straßen der Altstadt fast gespenstisch leer. Aber Luther war omnipräsent. In einem Schaufenster prangte er als knallgelbe Gummibadeente in trauter Zweisamkeit mit Katharina von Bora. Die Szene war umrahmt von allerlei Dingen, von der Luthersocke (Hier steh‘ ich …) über die Luthernudel bis hin zu Hochprozentigem. Unfreiwillige Selbstironie? Vorsicht, mahnte mich eine Stimme, sei nicht katholisch überheblich. Na gut, Lutherkult und seine Vermarktung, und ja, auch katholische Wallfahrtsorte oder die Heilige Stadt sind voll mit religiösem Kitsch, Winkearmpäpsten und Devotionalien. Immerhin: auch Devotionalien. Die Lutherente als Anbetungshilfe? Das hätte doch Luther die Schamesröte auf die Wangen getrieben. (Nicht etwa wegen der Ente, nein, wegen der devotio.)
Es wurde nicht besser. Lutherkeks reihte sich an Lutherkeks, Babystrampler trugen die Aufschrift: Warum pforzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket?
Jetzt war mir eher zum Weinen zumute ob der derben Luthersprüche, die sich zur Vermarktung so erschreckend gut eignen in ihrer Geschmacklosigkeit.
Keine mahnende Stimme mehr? Gut.
Auch das Fenster eines Parteibüros gebärdete sich als Station auf dem Lutherweg. #These 2017, your tweet for a better world – titelte das Wahlplakat auf einem Foto der bronzenen Thesentür mit Kreuzigungsbild. Ein katholischer Theologe meinte, in Wittenberg sei das akzeptabel angesichts einer atheistischen Mehrheit. In diesem Kontext sei es doch ein mutiges Statement. Gewiss, so kann man es sehen in einer Stadt wie Wittenberg mit 49 000 Einwohnern, davon 12 % evangelisch, 3 % katholisch, die Übrigen weitgehend Atheisten. Also besser Luther und Melanchthon unterm Gekreuzigten als gar kein Gottesbezug mehr?
Zweite Station: Die Thesentür
Der Turm der berühmten Thesenanschlagskirche in Sichtweite, fast in der Zentralperspektive, silhouettenhaft, abendsonnenbeschienenes glänzendes Kopfsteinpflaster ohne Menschen, ein fantastisches Fotomotiv. Ich stolperte beinahe über eine tote Taube in der Straßenmitte. Genau das ist es, denke ich, jetzt habe ich ein emblematisches Bild, Lutherkirche mit einer tot vom Himmel gefallenen Taube. Ein Zeichen Gottes. Ja , gestehe ich der mahnenden Stimme nicht wirklich zerknirscht, das geht jetzt vielleicht doch etwas zu weit.
Dritte Station: „95 Schätze“ – Die Ausstellung im Lutherhaus
Eine auf den ersten Blick solide gemachte Ausstellung, anschaulich präsentiert, Luther als Mensch und historische Figur greifbar. Auf den ersten Blick. Luthers Haltung im Bauernkrieg und sein Antisemitismus blieben weitgehend ausgespart. Und eine Frage stand ständig als rhetorische Frage im Raum: Wurde Luther durch die dialogunfähige Kirche, die er gar nicht verlassen wollte, langsam radikalisiert, bis er mit dem Verbrennen der Papstbulle an einem point of no return angekommen war? Ich fühlte mich zunehmend genervt angesichts eines großen, die Wahrheit, die Freiheit und einen gnädigen Gott suchenden Luther. Die volle Wucht der Reformation.3xHammer, das war ja auch das nicht unumstrittene Motto der medialen Werbekampagne für die drei Ausstellungen in Wittenberg, Berlin und auf der Wartburg.
Letzte Station: Der Segensroboter
Eines wollte ich noch mit eigenen Augen gesehen haben: den Segensroboter bei der „Lichtkirche“ der evangelischen Kirche Hessen und Nassau, ein Projekt, das zum Nachdenken anregen soll. Ein Denkanstoß in Zeiten, in denen Maschinen immer mehr die Rolle von Menschen (sic!) übernehmen. Da stand BlessU2, der metallene, lächelnde Segensroboter, der seine „Kunden“ in ihrer Wunschsprache im Namen des Herrn mit ihrer Wunschsegensart segnet mit blinkenden Blechhänden und den Segen auf Wunsch ausdruckt. Der absolute Tiefpunkt. Während meiner Diskussion mit den Verantwortlichen ließen sich einige Menschen „segnen“. Nach ihrer Empfindung gefragt, antworten sie mit „War ganz o.k.“ oder „Das kann ich nicht beurteilen“.
Ein Fazit:
Das inszenierte Christusfest, das ökumenische Dreamteam Bedford-Strohm und Marx, die deutsche Bischofskonferenz und nicht zuletzt unser Papst lassen wenig Raum für Optimismus im Hinblick auf eine ehrliche Ökumene. Ich habe mir die Zeit genommen, die Handreichungen der Deutschen Bischofskonferenz zum Reformationsjubiläum aus ökumenischer Sicht zu lesen. Ein Muss für jeden Katholiken, der sich Gedanken über den Reformator in Rom und eine Protestantisierung der Katholischen Kirche macht. Reformation 2.0.
Ich bin katholisch und die Wahrheit ist nicht verhandelbar. Schlimm ist, dass Ökumene heute so aggressiv mit einem moralischen Imperativ auftritt und denen, die nur im besten Wortsinn konservative, d.h., die eine von Christus gegründete apostolische Kirche bewahrende Katholiken sind, vermittelt, sie verstießen gegen Gottes Willen und seien die eigentlichen Kirchenspalter. Weil sie nicht ins kollektive mea culpa wegen der Kirchenspaltung einstimmen und sich nicht irgendwann beim gemeinsamen Abendmahl stehen sehen wollen, das unser eigenes, uns mit dem sich opfernden Christus verbindende, Opfer nicht mehr braucht. Kein confiteor, kein suscipiat Dominus, kein Messopfer, kein Priester, keine Eucharistie, keine Anbetung. Reformation 2.0.
Epilog:
In Berlin dann die zweite Ausstellung: Der „Luthereffekt“.
Mich aber zog es ins Institut St.Philipp Neri. Ich durfte den eucharistischen Herrn empfangen. In der alten Messe. DA IST CHRISTUS. Und ein Priester, der in persona Christi handelt.
Conversi ad Dominum.
Text: Eine Katholikin
Bild: Wikicommons/Autorin