
Von Marco Respinti*
Gott ist nur ein Trick: Sein Name sei auf das anzuwenden, was er/es in Wirklichkeit sei, das Universum. Das ist das große Denken und letztlich auch der große Betrug von Stephen W. Hawking, den er der Welt auftischte. Der Astrophysiker starb am Mittwoch im Alter von 76 Jahren. Sein Trick bestand darin, den metaphysischen Gott durch ein Surrogat „entthront“ zu haben: dem sich selbst erschaffenden Universum. Sein Grand Design, der „große Entwurf“, enthüllt dabei eine erschreckende Angst, die ihn getrieben hat.
Fest steht: Nun weiß der Prophet der „Theorie von Allem“ wirklich alles. Der vor zwei Tagen in Cambridge verstorbene Stephen W. Hawking wußte, wie dumm seine Worte waren, die er Mitte Mai 2011 dem Interviewer des Guardian, Ian Sample, sagte. Dennoch sagte er sie:
„Ich betrachte mein Hirn wie einen Computer, der zu funktionieren aufhören wird, wenn es an seinen Bestandteile fehlt. Für kaputte Computer gibt es kein Paradies und kein Leben nach dem Tod. Das ist ein Märchen für jene, die Angst vor der Dunkelheit haben.“
Wir sollten für ihn beten.

Der Physiker und Mathematiker beherrschte jahrzehntelang die Szene einer Wissenschaft, der Astrophysik, die es ohne einen katholischen Priester, den Jesuiten Angelo Secchi (1818–1878), gar nicht gäbe. Während des italienischen Risorgimento wurde er wegen seines Glaubens und seiner Treue zum Papst verspottet. Ein katholischer Priester ist der Begründer dieser Wissenschaft, da er als erster mit der Frage der chemisch-physikalischen Zusammensetzung der Sterne befaßte (so begründete er zudem die Astrospektroskopie, die Klassifizierung der Sterne und eine Vielzahl weiterer Disziplinen). Er ahnte, wie sehr sich die Astronomie mit der physischen Beschaffenheit der Himmelskörper zu befassen habe, um jenseits der bloßen Beobachtung die Eigenschaften der Sterne zu ergründen und ihre Mechanismen zu begreifen.
Da Hawking ein ebenso erklärter wie berühmter Feind jeglicher teleologischen und theologischen Perspektive war und selbst die geringste Möglichkeit ablehnte, daß die Physik des Universums mit einer transzendenten Sichtweise vereinbar sei, wurde er zum Propagandisten einer der größten Fake News der westlichen Geschichte: der Unvereinbarkeit von Wissenschaft und christlichem Glauben, einer aus Propagandagründen von zwei US-Amerikanern am grünen Tisch erfundene Lüge. Dabei handelte es sich um den Physiker John William Draper (1811–1882), Autor des 1874 erschienenen Buches History of the Conflict between Religion and Science, und des Diplomaten Andrew Dickson White (1832–1918), Autor der 1896 in zwei Bänden vorgelegten History of the Warfare of Science with Theology in Christendom. Um ihm persönlich zu beweisen, daß das nicht stimmt und der Glaube nie die Wahrheit fürchtet und schon gar nicht einen Anti-Gott wie ihn, wurde er 1986 in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Gleich von vier Päpsten ließ er sich empfangen und segnen: Paul VI. , Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus.
1942 in Oxford geboren, begann er mit 17 Jahren das dortige University College zu besuchen. Seine erste Studienstufe schloß er 1962 in Naturwissenschaften ab. Anschließend inskribierte er ein Studium der Kosmologie an der Universität Cambridge, wo er 1966 in Angewandter Mathematik und Theoretischer Physik promovierte. Nachdem er an der Seite des bekannten britischen Mathematikers Roger Penrose zu den sogenannten Schwarzen Löchern forschte und ab 1970 Gastprofessor am California Institute of Technology in Pasadena war, erfolgte 1979 die Berufung auf den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Cambridge, wo er 30 Jahre lang bis 2009 lehrte. Seither war er Leiter des dortigen Instituts für Angewandte Mathematik und Theoretische Physik.
1988 veröffentlichte er sein erstes Buch, populärwissenschaftlich gehalten, das ihn weltbekannt machen sollte. Es beruhte auf seinen Studien und vor allem auf seinen Hypothesen, die er zwischen 1965 und 1970 entwickelt hatte. Der Titel lautete: A Brief History of Time: From the Big Bang to Black Holes. Noch im selben Jahre oder den darauffolgenden Jahren wurde es in verschiedene andere Sprachen übersetzt. Auf deutsch erschien es 1989 unter dem Titel Eine kurze Geschichte der Zeit. Er erhob damit den Anspruch die Geschichte des Universums im Schnelldurchlauf zu erzählen, vom Big Bang bis zu den Schwarzen Löchern. Das Buch war lediglich eine Ansammlung mehr oder wenig geistreicher oder zumindest phantasievoller Hypothesen. Doch viele Menschen faszinierte das. Dafür gibt es völlig legitimes Interesse. Die Menschen möchten sich das Universum und seine Gesetze erklären lassen, manche sogar gerne möglichst ohne Gott. An Sponsoren seiner Hypothesen mangelte es nicht: auch jene, die Gott und Religion schon vor Hawking ausschlossen.
Mit seinem Buch verkündete Hawking den Abschied von jeder metaphysischen Vorstellung von Gott. Da Gott bei nüchterner und unvoreingenommener Betrachtung, auch abseits der religiösen Frage, die plausibelste aller Erklärungen für die Entstehung von Weltall, Erde und Mensch ist, stellt sich die Frage, welche bessere Erklärung Hawking anzubieten hatte. Es gilt der eiserne Grundsatz in der Wissenschaft, daß nur eine bessere These eine andere verdrängen kann. Womit ersetzte Hawking also den Schöpfergott? Durch einen Pan-Physizismus, kurzum, mit der Vorstellung eines allumfassenden lebend-gleichen Körpers. Man beachte: Diese Hypothese wird allgemein als Grand Unified Theory bezeichnet, als die „große vereinheitlichte Theorie“, manchmal auch „Weltformel“. In Wirklichkeit ist der großspurige Anspruch ein gigantischer Bluff. Erstens handelt es sich nicht um eine „Theorie“, sondern lediglich um eine Hypothese. Daraus wird auch dann keine Theorie, weil man sie – wohl nicht ohne irreführenden Hintergedanken – eine „hypothetische Theorie“ nennt. Eine bloße Hypothese bleibt es, solange sie nicht gemäß der von Galileo Galilei (1564–1642) für die Naturwissenschaften aufgestellten, universellen Wissenschaftsmethode bewiesen, wiederholt und empirisch bestätigt wurde.
Diese Hypothese versucht in einer einzigen Beschreibung alle grundlegenden, physikalischen Kräfte der Natur, die sogenannten Grundkräfte, vor allem die Gravitation zusammenzuführen, zu „vereinheitlichen“. Verschiedene Modelle wurden dazu vorgeschlagen, aber es gibt keines, das von der wissenschaftlichen Fachwelt allgemein anerkannt ist. Dazu gehört auch die sogenannte „Theorie von Allem“, deren überzeugter Anhänger Hawking war.
Für ihn war die „Theorie von Allem“, wenn sie erst einmal bewiesen sei, die definitive Form sich Gott zu denken. Mit anderen Worten: Es wäre der absolute Triumph des menschlichen Geistes, da er in vollem Umfang zum göttlichen Geist würde, also den göttliche Verstand ausfüllen würde. Da Gott für Hawking als persönlicher Gott nicht existierte, meint die dann erreichte Übereinstimmung von göttlichem und menschlichem Geist, daß der einzige wahre Gott in Wirklichkeit der Mensch sei. Hawking schließt einerseits, zumindest hypothetisch die Idee von Gott nicht aus, entmetaphysiert die Vorstellung dann aber so sehr, daß sie zur höchsten Fähigkeit des menschlichen Verstandes reduziert wird, um daraus eine völlige Überflüssigkeit Gottes zu dekretieren. Welche Notwendigkeit gäbe es denn für einen Gott, um das Universum zu erklären, wenn sich das Universum durch die „Theorie von Allem“ selbst erklärt, also vom Menschen problemlos gedacht werden kann.
Ist der metaphysische Gott erst einmal tot, betritt die neue Gottheit die Bühne, der panphysizistische Gott, ein Universum, das sich durch die eigenen Gesetze erklärt. Die runde Formel dieser Sichtweise ist in einem anderen bekannten Buch von Hawking enthalten: The Great Design, das er 2010 zusammen mit dem US-amerikanischen Physiker Leonard Mlodinow veröffentlichte Auf deutsch erschien es noch im selben Jahr unter dem Titel Der große Entwurf. Eine neue Erklärung des Universums. Die Botschaft: Gott ist überflüssig.
Wer aber hat dann das Universum erschaffen?
Hawking und Mlodinow gaben die absurde Antwort: Das Universum erschafft sich selbst, ganz spontan, aufgrund des Gravitationsgesetzes. Sehr „überzeugend“. Tatsache ist, daß die Gravitation als erste unter allen Grundkräften gilt, die die „Theorie von Allem“ zu vereinheitlichen versucht. Die bloße Existenz der Gravitation würde, so Hawking, automatisch das Sein hervorbringen, das ganze Universum, ansonsten wäre das Nichts. Und woher kommt die Gravitation, die zur Alternative zum Nichts alles erschafft?
Mit dieser Frage haben sich die beiden Wissenschaftler nicht befaßt. Sie haben, auch das ein Trick, das Unerklärbare lediglich von einer Stufe zu einer anderen verschoben, von einem Punkt zum nächsten, von A nach B. Wichtiger war ihnen, das ist der Schatten, der auf einem entscheidenden Punkt von Hawkings öffentlichem Wirken liegt, ihre Hypothese – wir erinnern uns, um nichts anderes handelt es sich – als Propagandainstrument gegen die Religion einzusetzen. Gott sei nur ein „Trick“, um damit zu benennen, was eigentlich das Universum meint. Schöpfer und Schöpfung, so Hawking, seien faktisch identisch. Der Trick wurde von Hawking angewandt, um den metaphysischen Gott zu entthronen, indem er ihn durch eine, zudem denkbar unglaubwürdige Hypothese ersetzte: das sich selbst aus dem Nichts erschaffende Universum.
Hawking wurde vom nordirischen Mathematiker John C. Lennox von der Universität Oxford mit dem nüchtern, entlarvenden Buch God and Stephen Hawking: Whose Design Is It Anyway? (Lion, Oxford 2011) geantwortet. Die 2011 erschienene deutsche Ausgabe heißt: “Stephen Hawking, das Universum und Gott“.
Hawking bekannte wiederholt und mit Nachdruck, ein Atheist zu sein, war aber in Wirklichkeit ein Pantheist. The Grand Design, die Summe seines Denkens, beweist es trefflich. Dieser „große Entwurf“ läßt eine erschreckende Angst erkennen, nämlich den innigen Bedarf, den Hawking geradezu nach Gott hatte. Der Astrophysiker lehnte den metaphysischen Gott ab. Er wollte seine Existenz nicht akzeptieren und wollte ihn mit missionarischem Eifer auch den anderen Menschen austreiben. Das tat er, indem er Gott mit einem Doppelgänger ersetzte. Daraus muß geschlossen werden, daß Hawkings Durst nach Gott so groß war, was er aber in sich bekämpfte, daß er zum Mittel des Betrugs und vor allem des Selbstbetrugs griff.
Es gibt aber auch einen anderen Hawking. Um genau zu sein, gibt es noch zwei andere Hawkings.

Einer ist die Koryphäe in Sachen „Schwarze Löcher“. Seine Entdeckungen in diesem Bereich sind zahlreich. In Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie ist ein Schwarzes Loch eine Zeit-Raum-Region (die vierdimensionale Struktur des Universums, die Bühne, auf der sich die gesamte physische Wirklichkeit bewegt), deren Gravitationsfeld so intensiv ist, daß sich ihr nichts entziehen kann, nicht einmal das Licht. Alles wird hineingezogen, aber nichts kann mehr heraus. Entstehen sollen Schwarze Löcher durch kollabierende Sterne.
Tatsache aber ist, daß in Sachen „Schwarze Löcher“ viel reine Spekulation ist, einschließlich dessen, was Hawking darüber sagte. Es gibt ausreichend Wissenschaftler, die sagen, daß es überhaupt keine „Schwarzen Löcher“ gibt. Daß es sich dabei lediglich um hypothetische Gedankenspiele handelt, die mehr mit der schaurig-neugierigen Faszination des Menschen für das Unbekannte zu tun haben als mit der Wirklichkeit. So war es im Januar 2014 Hawking selbst, der die von ihm selbst vertretenen „Gewißheiten“ durcheinander warf, indem er sogar die Grundidee verwarf, daß ein „Schwarzes Loch“ ein schreckliches Monstrum in Form eines Brunnens ohne Boden und ohne Ausgang sei, das in den tiefen des Weltalls lauere, um alles zu verschlingen. Wenn aber selbst die Wissenschaft, Hawking zuvorderst, nicht einmal Genaues über diese „Löcher“ weiß, ja nicht einmal, ob es sie überhaupt gibt, worüber sich ein ganzer Wissenschaftszweig seit hundert Jahren intensiv den Kopf zerbricht, was sollte dann dieselbe Wissenschaft, so es sich im naturwissenschaftlichen Sinn überhaupt um eine solche handelt, über Gott sagen können. Anders ausgedrückt: Mit welchem Anspruch könnte sie die „Überflüssigkeit“ Gottes behaupten?
Die Hybris des Menschen hatte in den vergangenen Jahrzehnten schon etliche Namen: einer davon ist Stephen W. Hawking. Daran ändert nichts, daß ihm manche für seine Gott-ist-tot-Hypothese eifrig applaudierten. Dieser Applaus war in erster Linie ein Zeugnis für Stolz und Hochmut, nicht für wissenschaftliche Größe.
Der dritte Hawking, von dem die Rede sein soll, war der Mann, dem 1963 eine schreckliche, degenerative Motoneuron-Krankheit diagnostiziert wurde. Manche identifizierten sie als Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), andere nahmen wegen ihrer langen Dauer vielmehr eine Progressiven Muskelatrophie (PMA) an. Hawking verfiel immer mehr zu einem unförmigen Häufchen aus Knochen, Nerven und Fleisch. Sseit 1968 war er an den Rollstuhl gefesselt, ab 1980 gelähmt. 1985 verlor er durch eine Lungenentzündung, die ihn fast das Leben kostete, die Fähigkeit, zu sprechen. Für die Kommunikation benützte er einen Sprachcomputer, womit er es sogar in ein Lied der Musikgruppe Pink Floyd brachte.

Einer wie er, mit solchen Gebrechen, sollte nach der verbreiteten Logik der Welt, in der wir leben, nicht einmal geboren werden. Dabei galt er im vergangenen halben Jahrhundert als einer der klügsten Köpfe. Nachdem man ihm seine Krankheit diagnostiziert hatte, sollte einer wie er nach der verbreiteten Logik der Welt, in der wir leben, seinem Leben ein Ende setzen. Abtreibung und Euthanasie sind die erklärten Feinde eines Menschen wie Stephen Hawking. 1963 hatte man ihm noch höchstens zwei Jahre gegeben. Er lebte länger, viel länger, und er hat sich nicht aufgegeben. Hätte er sich euthanasieren lassen, wie man heute Seinesgleichen ins Ohr säuselt, hätte die Welt nie von seinem Genie erfahren, das sie jahrzehntelang bejubelte. Um genau zu sein liegt darin auch Hawkings ganzes Drama: mit seinem Genie, wenn er sich außerhalb seines engeren Fachbereichs an Menschen wandte, selten das Richtige unterstützt zu haben. So unterstützte er Kampagnen zur Legalisierung der Euthanasie, wählte selbst diesen Weg aber nicht.
2014 erschien ein Kinofilm über sein Leben. Regie führte James Marsh. Der Titel lautete natürlich: „Die Theorie von Allem“. Er stützt sich auf die Biographie Travelling to Infinity: My Life With Stephen, die seine Ex-Frau Jane Wilde, die Mutter seiner drei Kinder geschrieben hatte und 2007 in Buchform erschienen war. Stephen und Jane hatten 1965 geheiratet, als ihm bereits seine unheilbare Krankheit diagnostiziert worden war. Das war mehr oder weniger um die Zeit, als er laut Diagnose sterben hätte müssen. Sie ließen sich 1990 scheiden und haben beide wieder geheiratet. 2006 ließ er sich auch von seiner zweiten Frau scheiden.
Der Film zeigt die Geschichte eines Mannes und eines Wissenschaftlers, der nicht aufgibt. Im Film erzählt er auch, wie ihn 1985, als ihn eine Lungenentzündung zu töten schien, und die Ärzte schon das Beatmungsgerät abschalten wollten, das ihn am Leben erhielt, seine Frau Jane am Leben erhielt. Ihr hat die Welt für das impertinente Genie Hawkings zu danken. Manchmal können einen auch Ex-Frauen retten. Nach der Scheidung von seiner zweiten Frau, intensivierte sich wieder der Kontakt zu seiner ersten Frau.
Zwischen seiner „Theorie von Allem“ und seinem Hunger nach Leben, wurde Hawking, trotz seiner Ablehnung Gottes zu einem indirekten Zeugen für das Leben, und letztlich sogar, wenn auch widerspenstig, für Gott, ohne den er offenbar nicht sein konnte, sondern ihn bestreiten und bekämpfen und durch einen Doppelgänger ersetzen mußte.
*Marco Respinti, Senior Fellow des Russell Kirk Center, Michigan (USA), Vertreter des anglo-amerikanischen, konservativen Denkens, Publizist, Studium der Philosophie und der Geschichte an der Katholischen Universität Sacro Cuore in Mailand, Autor zahlreicher Bücher darunter „Heidentum und Christentum bei Tolkien. Die beiden Thesen im Vergleich“ (Paganesimo e cristianesimo in Tolkien. Le due tesi a confronto, 2003); „Darwin vor Gericht“ (Processo a Darwin, 2007).
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Vatican News (Screenshot)