(Rom) Von Fremden beurteilt zu werden, ist nicht sonderlich gelitten. Tatsächlich ist die Gefahr oberflächlicher und schneller Urteile groß. Manchmal ist der Blick von außen ungetrübter. Jedenfalls ist es nicht uninteressant zu wissen, wie man von anderen gesehen wird. Das italienische Wirtschaftsblatt Italia Oggi veröffentlichte gestern einen Artikel über Weihnachten in der Bundesrepublik Deutschland. Der Schwerpunkt gilt der Wirtschaft. Der Rubel muß rollen. Hier der Text.
Nicht einmal zu Weihnachten gehen sie in die Kirche
Seit 1960 ist die Zahl der Meßbesucher um 80 Prozent zurückgegangen
An den vier Adventssonntagen bleiben die deutschen Geschäfte und Supermärkte geöffnet. In den Restaurants findet man an den Wochenenden keinen freien Tisch, wenn man nicht schon im November reserviert hat. Und wo man doch einen entdecken sollte, wird man feststellen, daß das Abendessen zu Hause besser geschmeckt hätte. Die Plätze in der Oper und der Philharmonie in Berlin werden schon von einem Jahr aufs andere vorreserviert. Die Kinder füllen die für sie geeigneten, traditionellen Vorführungen wie Ballettaufführungen von Aschenputtel und der Schneekönigin oder der gekürzten Kinderfassung der Zauberflöte.
Die katholische Kirche, nicht die protestantische, ist dagegen. Sie möchte, daß der Tag des Herrn geachtet wird. Anstatt sich dem Konsumrausch hinzugeben, sollte die Familien die Zeit miteinander verbringen und zusammen die Heilige Messe besuchen. Wahrscheinlich würden die Kirchen leer bleiben und die Bundesdeutschen würden den Sonntag vor dem Fernseher verbringen. Nicht einmal das Fußballstadion wäre eine Alternative, weil die Bundesliga am Samstag spielt. Oder sie würden die Einkäufe im Internet von zu Hause aus tätigen und damit die Giganten unter den Online-Anbietern reicher machen und die Krise der Geschäftsleute vor Ort beschleunigen. Konkurs und arbeitslose Verkäufer. Die lutherische Kirche hat für den Augenblick nicht Stellung bezogen, aber viele Pastoren mahnen in ihren Predigten gegen den Konsumismus.
1960 gingen 12 Millionen Katholiken in der Bundesrepublik Deutschland jeden Sonntag in die Sonntagsmesse, wie die Wirtschaftswoche, das wichtigste Wirtschaftswochenblatt schreibt. Vergangenes Jahr waren es 2,4 Millionen, dabei ist die Bevölkerung durch die Wiedervereinigung um 17 Millionen gewachsen und beträgt heute mehr als 82 Millionen. Das ist ein Rückgang um 80 Prozent. Festtags-Shopping oder nicht, die Situation würde sich nicht ändern.
Laut Statistik besuchen 66 Prozent der Gläubigen zumindest einmal im Jahr die Heilige Messe. Normalerweise ist das zu Weihnachten, aber immer noch nur eine Minderheit. Der Gottesdienst am Heiligen Abend wird von 8,3 von 23 Millionen Protestanten besucht, also von knapp mehr als einem Drittel. Zwischen Liedern und Musik wird der Gottesdienst oft zum großen Spektakel. Die katholischen und lutherischen Gläubigen sind jedenfalls sehr großzügig, was Spenden anbelangt. Warum also klagen und mit Verboten eine Rückkehr in die Vergangenheit erzwingen wollen?
Im vergangenen Jahr erreichte das Weihnachts-Shopping einen Wert von 94,5 Milliarden Euro. Dieses Jahr könnten es noch mehr werden, wie die Umsätze im November und Dezember erhoffen lassen. Die Vorhersage spricht von einem Plus von drei Prozent. Im Durschnitt werden je Kind 131 Euro für Geschenke ausgegeben. Zehn Euro mehr. Geschenkt werden (immer ausgefeiltere) Spielsachen, aber auch Bücher: 48 Prozent aller Kinder werden ein Buch unter dem Christbaum finden. Das Lesen längerer, zusammenhängender Texte und das gedruckte Buch überleben auch dank Weihnachten. Wie das? Weil, so wird es erklärt, die Geschenke meist von den Müttern ausgesucht werden, und es sind die Frauen (67 Prozent), die am meisten lesen.
Bücher sind auch das bevorzugte Geschenk für Erwachsene (35 Prozent). Für einen oder mehrere Bände werden im Schnitt 41 Euro ausgegeben. Die Spielsachen folgen mit 34 Prozent und Bekleidung mit 29 Prozent. Die Bundesdeutschen sind pragmatisch. Einer von vier bevorzugt es, einen Gutschein zu schenken. Das ist zwar wenig poetisch, aber dafür vermeidet man Fehler.
Weihnachten bedeutet für viele Handelskategorien die Rettung. Einige Branchen machen in dieser Zeit 50 Prozent des Jahresumsatzes und verkaufen sogar mehr als in den übrigen elf Monaten zusammen. Zudem bevorzugt man auf Weihnachten hin für die Einkäufe das Haus zu verlassen, anstatt sie am Computer zu tätigen. Die Online-Verkäufe nahmen 2017 zwar um zehn Prozent zu, doch im Dezember kehren 68 Prozent zu klassischen Formen zurück und kaufen die Geschenke persönlich im Geschäft. Für die kleinen Händler ist das die Rettung.
Einleitung/Übersetzung: Andreas Becker
Bild: Italia Oggi (Screenshot)
Was würde besser werden, wenn die Besuchszahlen lediglich eines einzigen Gottesdienstes im Jahr, der Weihnachtsmesse, wieder steigen würden?
Geht es nicht um jeden Augenblick des Lebens, der auf das Ewige ausgerichtet werden soll?
Erst wenn dieses Bewusstsein wieder geweckt wird, ist das Wesentliche erreicht und wird der Besuch einer Messe zur fast natürlichen Krönung. Hierfür aber ist Schulung – auf welchem Weg auch immer – notwendig.