
(Rom) Ein Gedenken der „anderen Art“ zum 500. Jahrestag von Luthers angeblichem Thesenanschlag fand am 31. Oktober in Venedig statt.

In der Schloßkirche zu Wittenberg fand in Anwesenheit der bundesdeutschen Staatsspitze der offizielle Gedenkhöhepunkt statt. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, nahm daran teil. In Venedig gedachten einige auf ganz andere Weise an „500 Jahre Reformation“.
Während Kardinal Marx Luther als „bombastische“ Gestalt bezeichnete und Kardinal Walter Kasper und in seinem Gefolge auch Papst Franziskus meinte, „Luther hatte recht“, während die Stadt Rom, Luthers „Hure Babylon“, einen Platz nach dem „Reformator“ aus Eisenach benannte und die Vatikanpost eine apologetische Briefmarke mit Luther und Melanchthon auflegte, schlugen in Venedig Unbekannte eine Kopie der Exkommunikationsbulle gegen Martin Luther an die Deutsche Evangelische Kirche.
Die vollständige Damnatio ed excommunicatio Martini Lutheri haeretici et eius sequacium von Papst Leo X. konnte in lateinischer Sprache an der Kirchentür gelesen werden. Jene Exkommunikationsbulle, die heute nicht wenige gerne vergessen lassen würden.

Luther war, nach zweieinhalb Jahren fruchtloser Dispute, mit der Bulle Exsurge Domine vom 15. Juni 1520 vorgewarnt worden. Darin forderte ihn Papst Leo X. auf, 41 Thesen seiner Schriften zu widerrufen, weil sie als Irrtümer oder Häresien in offenem Widerspruch zu der von Gott geoffenbarten Lehre standen. Dafür wurden Luther ab der Zustellung 60 Tage eingeräumt. Luther ließ die Frist am 27. November verstreichen, widerrief nicht, sondern verbrannte am 10. Dezember die Bulle öffentlich mit Büchern über das Kirchenrecht.
Darauf verhängte Papst Leo X. am 3. Januar 1521 mit der Bulle Decet Romanum Pontificem die angedrohte Exkommunikation. Luther und seine Anhänger und Unterstützer wurden zu Häretikern erklärt. Eine Aufhebung der Exkommunikation ist wegen der damit verbundenen Verurteilung von Häresien unmöglich.
Leo episcopus servus servorum Dei. Ad futuram rei memoriam. Decet Romanum pontificem, ex tradita sibi divinitus potestate, poenarum spiritualium et temporalium, pro meritorum diversitate, dispensatorem constitutum, ad reprimendum nefarios conatus perversorum quos noxiae voluntatis adeo depravata captivat intentio, ut, Dei timore postposito, canonicis sanctionibus mandatisque apostolicis neglectis atque contemptis, nova et falsa dogmata excogitare, ac in Ecclesia Dei nefarium scisma inducere […] contra tales eorumque sequaces acrius insurgere…
Die lutherische Kirche im Stadtteil Cannaregio geht auf eine Stiftung aus dem Jahr 1813 zurück. Bis dahin hatten lutherische Kaufleute im Fondaco dei Tedeschi, der großen Niederlassung deutscher Kaufleute am Canal Grande, nahe der Rialtobrücke, einige Räume zur Verfügung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Circolo liturgico Pio VII