Vor einem Jahr Rücktritt Benedikts XVI. – Hummes: „Nun haben die Menschen wieder Vertrauen in die Kirche“


Kardinal Hummes, der "Papstmacher" im Konklave 2013, war es, der Jorge Mario Bergoglio zuflüsterte, sich Franziskus zu nennen.
Kardinal Hummes, der "Papstmacher" im Konklave 2013, war es, der Jorge Mario Bergoglio zuflüsterte, sich Franziskus zu nennen.

Kardinal Claudio Hummes ein Jahr nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI.: "Nun haben die Menschen wieder Vertrauen in die Kirche"(Rom) Vor einem Jahr, am 11. Febru­ar erklär­te Papst Bene­dikt XVI. aus hei­te­rem Him­mel sei­nen Amts­ver­zicht. Ein Blitz­schlag für die katho­li­sche Chri­sten­heit wie der mäch­ti­ge Blitz, der noch am sel­ben Abend in die Peters­kup­pel ein­schlug. Einen Monat spä­ter hat­te die Katho­li­sche Kir­che bereits ein neu­es Kir­chen­ober­haupt. Zum ersten Jah­res­tag mel­den sich noch ein­mal jene zu Wort, die von dem Schritt freu­dig über­rascht waren. Das Lob­lied auf den Rück­tritt meint den Wunsch nach einer „ande­ren Kir­che“, so der Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Colafemmina.

Wunsch nach „anderer“ Kirche

Anzei­ge

Zum Jah­res­tag die­ses denk­wür­di­gen, in der Kir­chen­ge­schich­te ob sei­ner Begrün­dung völ­lig sin­gu­lä­ren Aktes tre­ten noch ein­mal jene an die Medi­en, die über die­sen Akt freu­dig über­rascht waren. Weder Freu­de noch Trau­er über den Rück­tritt mei­nen nicht nur die Per­son, son­dern das gan­ze Kir­chen­ver­ständ­nis. Dazu gehö­ren die Bemü­hun­gen Bene­dikts XVI. um Wie­der­her­stel­lung des Ver­ständ­nis­ses für die Sakra­li­tät und die Stär­kung von Glau­bens­leh­re und kirch­li­cher Dis­zi­plin. Kaum ein Ereig­nis in der jüng­sten Kir­chen­ge­schich­te mach­te gegen­sätz­li­che Posi­tio­nen in der Katho­li­schen Kir­che so deut­lich. Gegen­sät­ze, die kaum unter ein gemein­sa­mes Dach zu pas­sen schei­nen und ein­mal mehr auf das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil und die Nach­kon­zils­zeit zurück­ge­hen. Jene Ereig­nis­se, die die gesam­te Kir­chen­kri­se der jüng­sten Zeit zu über­schat­ten scheint.

Die Bewer­tung des Amts­ver­zichts wur­de in den ver­gan­ge­nen zwölf Mona­ten zum unaus­ge­spro­che­nen Erken­nungs­merk­mal, für wel­ches Kir­chen­ver­ständ­nis der Spre­chen­de steht. Man­che Bischö­fe und Kar­di­nä­le lie­ßen auf unge­wöhn­li­che, teils unsym­pa­thi­sche Wei­se ihrer Freu­de frei­en Lauf. Hin­ter der Freu­de, den deut­schen Papst los­ge­wor­den zu sein, „steht der Wunsch nach einer ande­ren Kir­che“, urteil­te der katho­li­sche Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Cola­femmi­na nach Rück­tritt und Kon­kla­ve noch im Früh­jahr 2013.

Kardinal Hummes, der Papstmacher, der den Namen Franziskus empfahl

Einer jener, der aus sei­ner Genug­tu­ung über den Rück­tritt kein Hehl mach­te, ist der bra­si­lia­ni­sche Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes. Er war es dann auch, der, laut eige­nen Anga­ben, im Kon­kla­ve den Erz­bi­schof von Bue­nos Aires bestärk­te, „als die Din­ge etwas gefähr­li­cher wur­den“. Gemeint ist, daß mög­li­cher­wei­se eine Sperr­mi­no­ri­tät die Wahl Jor­ge Mario Berg­o­gli­os ver­hin­dern konn­te. Er war es auch, der, immer laut eige­ner Aus­sa­ge, dem neu­ge­wähl­ten Papst den Namen Fran­zis­kus „emp­foh­len“ hat. Und er erschien am Abend des 13. März ganz außer Pro­to­koll mit Papst Fran­zis­kus auf der Mit­tel­log­gia des Peters­doms, um sich der Welt zu zeigen.

Kar­di­nal Hum­mes ist es dann auch, der sich ein Jahr nach dem Amts­ver­zicht von Bene­dikt XVI. erneut zu Wort mel­det, um noch ein­mal sei­ne Freu­de über den Rück­tritt zum Aus­druck zu brin­gen. „Ich weiß nicht mehr, wo ich an jenem Tag war, aber es war wirk­lich eine gro­ße, uner­war­te­te Über­ra­schung“. Im Nach­hin­ein schil­dert der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof von Sao Pao­lo die dama­li­ge Situa­ti­on fol­gen­der­ma­ßen: „Wir waren alle etwas ver­wirrt, besorgt dar­über, wie die Zukunft sein wür­de, vor allem weil sich die Kir­che in einem schwie­ri­gen Moment befand, die Ent­christ­li­chung der west­li­chen Welt, der Rück­gang an Prie­stern, die Kri­se des Ordens­le­bens und dann die gro­ßen Skan­da­le, IOR, Lefeb­vria­ner… Die Katho­li­ken waren recht unten, trau­rig, besorgt, mit hän­gen­dem Kopf, aber einer ver­sucht auch einen sol­chen Fall im Licht des Glau­bens zu lesen, mit dem Ver­trau­en, daß Chri­stus die Kir­che füh­ren wird auch in einem abso­lut nicht all­täg­li­chen Moment“.

Die nicht mehr Wahlberechtigten – und Benedikt XVI. lebt immer noch

Das Foto, das hin­ter Kar­di­nal Hum­mes in sei­nem Haus in Sao Pao­lo an der Wand hängt, zeigt den 80jährigen Pur­pur­trä­ger in der Six­ti­ni­schen Kapel­le neben Papst Fran­zis­kus, nach des­sen Wahl und Ein­klei­dung, bevor er sich auf die Mit­tel­log­gia begab. Am kom­men­den 8. August wird der Kar­di­nal 80 und ver­liert sein Wahl­recht im Kon­kla­ve. Zehn Kar­di­nä­le, die am Kon­kla­ve teil­nah­men, sind inzwi­schen aus dem Kreis der Wäh­ler aus­ge­schie­den, dar­un­ter die Kar­di­nä­le Kas­per, Dan­neels, Polet­to, Meis­ner und Re. Und Bene­dikt XVI. lebt immer noch. Bis Jah­res­en­de wer­den es bereits 20 Kar­di­nä­le sein. Auch das eine Form, Geschich­te uner­war­tet anders zu schreiben.

Kar­di­nal Hum­mes bestä­tigt auch nach einem Jahr, daß der Rück­tritt Bene­dikts XVI. für ihn „völ­lig uner­war­tet“ kam. Er habe natür­lich gewußt, daß das Kir­chen­recht einen Rück­tritt mög­lich macht. Daß es einen sol­chen tat­säch­lich geben wür­de, das schien ihm „unmög­lich“. Und dann stimmt Kar­di­nal Hum­mes jenes miß­tö­nend klin­gen­de Lob­lied auf den deut­schen Theo­lo­gen­papst an, das seit­her gera­de von uner­war­te­ter Sei­te zu hören ist. Das Lob­lied, das jene sin­gen, denen zum Stich­wort Bene­dikt XVI. lobend nur sein Rück­tritt erwäh­nens­wert scheint. Freun­de spre­chen anders. Im Wort­laut des bra­si­lia­ni­schen Kar­di­nals klingt das Lob­lied so: „Nur ein Papst wie Bene­dikt XVI. konn­te eine sol­che Geste set­zen, weil man viel Ratio­na­li­tät und einen gro­ßen Glau­ben dafür braucht, eine gro­ße Hei­lig­keit des Lebens um alle Din­ge in die Hän­de Got­tes zu legen. Und er, Ratz­in­ger, ist eine sol­che Person.“

Seit dem Rücktritt von Benedikt XVI. hat sich so viel „auf so schnelle und schöne Weise“ geändert

Seit jenem 11. Febru­ar began­nen sich hin­ter den Kulis­sen die Din­ge in einer unge­wöhn­li­chen Eile zu ver­än­dern, seit dem 13. März auch vor den Kulis­sen. Und damit kommt der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof von Sao Pao­lo und gewe­se­ne Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on auf sei­ne Begei­ste­rung für Papst Fran­zis­kus zu spre­chen und das „ande­re“ Kir­chen­ver­ständ­nis. Das Auf­tre­ten des argen­ti­ni­schen Pap­stes habe vom ersten Tag an dazu geführt, daß „sich neue Türen öff­nen, und alte geschlos­sen wer­den“. Die Din­ge haben sich, begei­stert sich der Pur­pur­trä­ger, „auf so schnel­le und schö­ne Wei­se“ geändert.

Zur Wahl von Papst Fran­zis­kus sag­te der Kar­di­nal rück­blickend: „Die Men­schen waren glück­lich, haben wie­der Ver­trau­en in die Kir­che gefaßt und ver­stan­den, daß sie imstan­de sein wür­de, aus einem schwie­ri­gen Moment her­aus­zu­kom­men, und die­ses Ver­trau­en, die­se Hoff­nung bleibt.“ Die Kri­se gebe es zwar immer noch, „aber sie wird ange­gan­gen und zu einer posi­ti­ven Lösung geführt und auch die Skan­da­le müs­sen berei­nigt wer­den, aber nun haben die Men­schen wie­der Vertrauen“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!